Sondervermögen Klimaschutz: Berlins CDU will davonschweben

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner will, dass eine Magnetschwebebahn durch die Innenstadt düst. Das Geld soll aus dem Sondervermögen Klimaschutz kommen.

Das Bild zeigt die Berliner M-Bahn 1990

Déjà-vu M-Bahn: Schon zur Wendezeit hatte sich Berlin an der Magnetbahn-Technologie versucht Foto: Smiley.toerist/wikimedia/CC BY-SA 4.0

BERLIN taz | Das „Sondervermögen Klimaschutz“ ist nach wie vor nicht in trockenen Tüchern. Der Fantasie der schwarz-roten Koalition, was man mit der gewaltigen Summe von fünf Milliarden Euro alles anstellen könnte, tut das keinen Abbruch. Neu auf dem Wunschzettel ist seit dem Wochenende eine Idee von CDU-Fraktionschef Dirk Stettner: Er will mit dem Geld unter anderem den Bau einer Magnetschwebebahn in der Innenstadt finanzieren.

Stettner schwebt eine fünf bis sieben Kilometer lange Pilottrasse vor, aufgeständert, hoch über den Straßen Berlins. Wo genau diese verlaufen könnte, wolle er nicht vorwegnehmen. Das müssten dann Ex­per­t:in­nen klären, sagt Stettner auf Nachfrage. Sicher sei, dass Berlin davon profitieren würde.

Eine Magnetschwebebahn-Strecke sei zudem „mindestens so schnell“ errichtet wie eine neue Straßenbahntrasse, „wenn nicht sogar schneller“, glaubt Stettner. „Die Anbieter sagen, sie bauen das in 2 Jahren.“ Und „relativ preiswert“ sei das Projekt obendrein, jedenfalls „deutlich preiswerter als der Neubau einer U-Bahn im Innenstadtbereich“. Der CDU-Politiker geht von 85 Millionen Euro Gesamtkosten aus.

Zum Vergleich: Die U5-Verlängerung über den Alexanderplatz hinaus schlug mit rund 265 Millionen Euro zu Buche – pro Kilometer. Zwar pflegt die Koalition weiter ihr Faible für U-Bahn-Verlängerungen und neue Linien. Auch der CDU-Fraktionschef will in den kommenden Haushaltsjahren massiv in den Ausbau investieren, für Machbarkeitsstudien, Nutzen-Kosten-Analysen, Planungen. Zusätzlich will Stettner aber eben auch „optimistisch“ groß und weiter denken: „Und wenn die Magnetschwebebahn sinnvoll angelegt ist, dann ist es ein Thema für das Sondervermögen.“

BUND spricht von „Irrsinn“

Dass das in der vergangenen Woche ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Bundesregierung 2021 Gelder aus dem Corona-Sondervermögen nicht hätte umschichten dürfen für Klimazwecke, Auswirkungen auf den sondervermögenden Berliner Milliardentraum haben könnte, hält Stettner für unwahrscheinlich. Er nehme das locker: „Wir sehen hier keine Beeinflussung unseres Sondervermögens.“ Womit auch der Weg frei wäre für die Magnetschwebebahn.

Dabei wären die von Stettner genannten 85 Millionen Euro für bis zu sieben Kilometer ein Schnäppchen. Der Magnetschwebetechnologie-Anbieter Max Bögl hat für sein „zukunftsweisendes Nahverkehrssystem“ Anfang 2021 immerhin 30 bis 50 Millionen Euro pro Kilometer aufgerufen.

Beim Umweltverband BUND ist man auf Nachfrage konsterniert. „Ich dachte zuerst, das ist Satire“, sagt Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser zur taz. Er könne sich kaum vorstellen, dass dieser „Irrsinn“ von den Umwelt- und Ver­kehrs­po­li­ti­ke­r:in­nen der Union mitgetragen werde. „Wenn doch, dann sollte die CDU sofort aufhören, das Wort Klimaschutz in den Mund zu nehmen.“

Die vorgeschlagene Finanzierung der Bahn über das Sondervermögen sei „eine Verhöhnung aller Berlinerinnen und Berliner, die sich für den Klimaschutz engagieren“. Die Mittel aus dem Sondervermögen Klimaschutz müssten auch für Klimaschutz eingesetzt werden, für die Wärmewende, für die energetische Sanierungen von Gebäuden, für das Einsparen von CO2.

Für Heuser steht fest: „Auf keinen Fall darf dieses Geld verwendet werden für irgendwelche Großprojekte aus Beton, die gar keinen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten.“

Kritik auch von den Grünen

Ähnlich sehen das die Grünen. Das innerstädtische „Transport System Bögl“ sei noch in der Zulassungsphase, es gebe keine Referenzbauten „und auch keine validen Aussagen zu Kosten“, sagt Oda Hassepaß, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, zur taz. „Zum jetzigen Zeitpunkt auf dieses bisher nicht erprobte System setzen zu wollen und dafür auch noch Mittel aus dem Klima-Sondervermögen einzusetzen, wäre geradezu fahrlässig.“

Aus Sicht von Hassepaß hebe die CDU mit dem „neuen windigen Vorschlag“ jetzt endgültig ab. Stettner zeige „auf ferne Luftschlösser, um naheliegende Lösungen wie den Ausbau der Tram oder der Radwege zu verhindern“. Das, sagt Hassepaß, sei nur „damit zu erklären, dass stur auf Politik für Autos gesetzt wird, statt wie in anderen Metropolen, auf Hitzeschutz, Lebensqualität und Sicherheit“.

Nun macht die CDU in regelmäßigen Abständen wilde Mobilitätsvorschläge, die meist darauf hinauslaufen, dass entweder unter der Straße oder weit über der Straße gebaut werden soll, der motorisierte Individualverkehr also idealerweise nicht tangiert wird.

So hatte die CDU Spandau 2020 eine Seilbahn von Kladow quer über den Wannsee und damit mitten durch das Weltkulturerbe der preußischen Schlösserlandschaft gefordert. Von der Idee hat man seither nichts mehr gehört. Gleichwohl findet sich im Koalitionsvertrag mit der SPD das Vorhaben, die Erschließung von Quartieren mit Seilbahnen zu „prüfen“.

Das vergessene Leuchtturmprojekt zum BER

Auch die Vision einer Magnetschwebebahn ist schon etwas angegraut. Ebenfalls 2020 hatte die Landes-CDU in einem Verkehrskonzept erklärt, dafür sorgen zu wollen, „dass das umweltfreundliche und leise Verkehrssystem bei Erweiterungen des ÖPNV-Netzes zum Zuge kommt – beispielsweise bei der weiteren Erschließung des BER“. Von einem „Leuchtturm für Berlin“, hatte damals CDU-Chef Kai Wegner gesprochen.

Tatsächlich war das Interesse an dem Leuchtturm gering. Zuletzt hatte selbst CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner wiederbelebten Überlegungen für eine Schwebebahn zum Hauptstadtflughafen eine deutliche Absage erteilt.

BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser geht davon aus, dass auch Stettners innenstädtische Magnetschwebebahnpläne alsbald in der Schublade verschwinden. Heuser sagt: „Das ist ja pure Zeitverschwendung, sich überhaupt damit zu beschäftigen.“

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