Sondervermögen für Klimaschutz: Über 5 Milliarden fürs Klima

Alle Fraktionen wollen das Paket für mehr Klimaschutz und Transformation – außer der AfD. Klima-Initiativen fürchten derweil „Etikettenschwindel“.

Der Berliner Fernsehturm verschwindet in tief hängenden Wolken

Ohne ein Sondervermögen für Klimaschutz versinkt Berlin vielleicht bald im Smog? Foto: dpa/Christoph Soeder

BERLIN taz | Eine 5 mit 9 Nullen: Um fünf Milliarden Euro für mehr Klimaschutz geht es am Mittwoch im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Der befasst sich in einer ersten Anhörung mit dem sogenannten Errichtungsgesetz für das „Sondervermögens Klimaschutz, Resilienz und Transformation“ des schwarz-roten Senats. Außer der AfD stehen alle Fraktionen diesem Vorhaben positiv gegenüber – die CDU und SPD sowieso, aber auch die Grünen und Linken, die seit einem halben Jahr auf den Oppositionsbänken sitzen.

Auch viele Klima-Initiativen finden es grundsätzlich gut, dass das Land viel Geld für den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter in die Hand nehmen will – aber sie melden schwere Bedenken beim Einsatz der Mittel an. Das drückten sie mit einer Protestaktion am Dienstagmorgen vor dem Roten Rathaus aus. Gleichzeitig veröffentlichten sie einen offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Finanzsenator Stefan Evers sowie Klimaschutz-Senatorin Manja Schreiner (alle CDU).

„Wir begrüßen diese Maßnahme sehr“, heißt es darin zum Sondervermögen, „jedoch fehlen bei der Ausarbeitung des zugrundeliegenden Gesetzes bisher Transparenz, wissenschaftliche Expertise sowie eine angemessene Beteiligung der Berliner*innen“. Bei der Zusammensetzung des Lenkungsausschusses, der die Mittel vergibt – und bei den Kriterien, nach denen er das tut –, „sehen wir dringenden Handlungsbedarf“.

Initiativen fürchten „Etikettenschwindel“

Unterzeichnet ist das Schreiben von der Initiative Klimaneustart Berlin, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Fridays For Future, Berlin autofrei, GermanZero, Fossil Free Berlin, 100 % Tempelhofer Feld und vielen anderen Gruppen, aber auch von bekannten Einzelpersonen wie der Mobilitätsaktivistin Katja Diehl. Sie fordern den Senat auf, sicherzustellen, dass das Sondervermögen kein „Etikettenschwindel“ werde: „Wo Klima drauf steht, muss auch Klima drin sein.“

Laut Errichtungsgesetz sei das Sondervermögen für Investitionen in fossilfreie Wärmeerzeugung und Mobilität, Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden, aber auch zur Anpassung an den Klimawandel gedacht. „So weit, so sinnvoll“, meinen die Unterzeichnenden. Weder aber dürften bereits erörterte Ideen wie die Sanierung von Polizeiwachen aus dem Klimatopf weiterverfolgt werden, noch sei es in Ordnung, Posten aus dem regulären Haushalt auszulagern, als „Sammelbecken unliebsamer Regierungs-Hausaufgaben“.

Berlin Klimaneutral und Co. kritisieren, dass der im Gesetzentwurf verankerte Lenkungsausschuss aus den Reihen der Senatsverwaltungen besetzt werden soll. Somit sei unklar, „woher die nötige Expertise kommen soll, um ein belastbares und nachhaltiges Bewertungsverfahren zu definieren“.

Das beginne schon bei der Frage, nach welcher Methode der CO2-Einspareffekt einer Maßnahme berechnet werde. „Völlig unklar“ sei, warum der Lenkungsausschuss nicht vom Berliner Klimaschutzrat beraten werden solle. Dieses 18-köpfige ExpertInnengremium wurde schließlich vom Senat selbst einberufen – freilich zu Beginn der Legislatur, als die Farben noch Rot-Grün-Rot lauteten.

Zweifel an Rechtmäßigkeit

„Wir stehen jetzt vor diesem großen Koffer mit Geld der eine große Wirkung erzeugen könnte, gleichzeitig sehen wir Zeichen eines politischen Rollbacks“, begründete BUND-Klimaschutzreferent Matthias Krümmel in einem Hintergrundgespräch, warum es dringend notwendig sei, die Zivilgesellschaft einzubeziehen.

Reiner Wild, früherer Vorsitzender des Berliner Mietervereins und Mitglied des Klimaschutzrats, nannte als Beispiel einer Regulierungslücke im Gesetzentwurf die Sozialverträglichkeit der finanzierten Maßnahmen: Im Gebäudebereich entstünden heute die meisten CO2-Emissionen – wenn künftig also Geld in die Hand genommen werde, um privaten Investoren die Finanzierung einer energetischen Sanierung zu erleichtern, sei es enorm wichtig, dass Letztere nicht zu Lasten der MieterInnen ginge.

Kräftigen Gegenwind bekommt der Senat am Mittwoch wohl auch von anderer Seite: Eingeladen zur Anhörung ist Karin Klingen, die Präsidentin des Berliner Rechnungshofs. Sie hat schon per schriftlicher Stellungnahme klargemacht, dass ihre Behörde starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sondervermögens hat.

Zwar teile der Rechnungshof „grundsätzlich“ die Einschätzung des Senats, dass es Handlungsbedarf gebe, um die Klimakrise abzuwenden und die seit dem Ukrainekrieg verschärfte Situation beim Zugang zu fossilen Energien auszugleichen, so Klingen. Mit diesen beiden Faktoren begründet die Landesregierung die Notlage, die ein Sondervermögen und damit die Umgehung der geltenden Schuldenbremse rechtfertigt. Allerdings sehe man die milliardenschwere Kreditermächtigung „mit Sorge“, so die Rechnungshof-Chefin.

Rechnungshof zweifelt an Begründung

„Dadurch würde sich die im Vergleich der Bundesländer bereits überdurchschnittlich hohe Verschuldung des Landes um mehr als 7 Prozent erhöhen“ und der Berliner Haushalt werde „noch anfälliger für Zinserhöhungen“, heißt es in der Stellungnahme. Selbst wenn das Zinsniveau völlig stabil bliebe, müsste das Land – im Falle der möglichen Ausweitung der Kredite auf 10 Milliarden Euro – bis zum Ende der Tilgungszeit rund 18 Milliarden Euro berappen. Das aber belaste die zukünftigen Generationen.

Der Rechnungshof habe zudem Zweifel an der Begründung des Sondervermögens: „Weder der Klimawandel noch die Reduzierung der energiepolitischen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen stellen eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne der Schuldenbremse dar.“ Dafür sei beides schon zu lange absehbar gewesen. Auch eine Schwächung des parlamentarischen Budgetrechts erkennt und moniert der Rechnungshof – denn über die Verteilung der Mittel entscheidet nicht das Plenum des Abgeordnetenhauses, sondern nur der Hauptausschuss.

Etwas mehr Klarheit über die rechtliche Lage bringt am Mittwoch in acht Tagen wohl eine andere Entscheidung: Dann beurteilt das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit des Sondervermögens „Klima und Transformationsfonds“ der Bundesregierung. Das, so Karin Klingen, könne in Sachen Berliner Sondervermögen „weitere Hinweise geben“.

Als Vorgeschmack auf die Verhandlungen am Mittwoch begrüßten die Berliner Grünen zwar die Pläne des Senats. Die Fraktionsvorsitzenden Bettina Jarasch und Werner Graf forderten jedoch einen Verwendungsschwerpunkt des Sondervermögens auf die Sektoren „die derzeit die meisten CO2 Emissionen verursachen und wo der Investitionsbedarf am größten“ sei. Dies seien die Bereiche Wärme- und Mobilitätswende. Des weiteren forderten die Grünen, den Lenkungsausschuss durch ein unabhängiges Ex­per­t*in­nen­gre­mi­um aus Wissenschaft, Verbänden und zivilgesellschaftlichen Initiativen zu ersetzen.

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