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Oktober so warm wie nieWelt ist zu heiß und zu dreckig

Trotz existenzieller Folgen der Klimakrise soll die Förderung von Kohle, Öl und Gas noch wachsen. Die Folge: die CO₂-Emissionen steigen weiter.

Wortwörtlich ein gestrandeter Vermögenswert: Brücke über der Loire in Frankreich im Oktober Foto: Stephane Mahe/reuters

Berlin/Puerto Río Tranquilo taz/ap | Den Gletscher Exploradores kann man nur noch von Weitem sehen. Wandern oder klettern ist nicht mehr erlaubt – zu gefährlich. Durch die Klimakrise schmilzt die Eismasse, ganze Brocken könnten sich lösen und herabfallen. Das kann tödlich enden. Besichtigen lässt die örtliche Forstbehörde den Gletscher im südchilenischen Nationalpark Laguna San Rafael deshalb nur noch vom Boot aus.

Die Tourismusbranche beklagt sich bitterlich. Der Exploradores ist ein beliebtes Ziel, 20.000 Menschen besuchen ihn jedes Jahr. Ob sie sich mit der Fernsicht zufriedengeben oder von nun wegbleiben?

Indes häufen sich die globalen Temperaturrekorde. Der Oktober war der wärmste jemals gemessene. Die Temperaturen lagen im Schnitt 1,7 Grad über dem, was vor der Industrialisierung normal gewesen wäre. Sie lagen sogar um 0,4 Grad über dem vorherigen Rekord aus dem Oktober 2019 – eine unglaubliche Marge.

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Auch die Vormonate waren schon viel zu heiß gewesen. „Wir können nahezu sicher sagen, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung wird, und bisher liegt es 1,43 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt“, sagte Copernicus-Vizechefin Samantha Burgess am Mittwoch. Einen so heißen Oktober hat es der Klimaforscherin zufolge zuletzt vor mehr als 125.000 Jahren gegeben.

Weiter steigende Fossilen-Förderung erwartet

Bei 1,5 Grad Celsius will die Menschheit die Erderhitzung eigentlich stoppen, um katastrophale Folgen des eigens durch Treibhausgase ausgelösten Klimawandels zu verhindern. Das Jahr 2023 kratzt also gefährlich an dieser Marke, auch wenn ein Einzelfall noch nicht unbedingt den permanenten Eintritt in eine Welt jenseits der 1,5 Grad bedeutet.

Aktuell trägt beispielsweise auch das natürliche Klimaphänomen El Niño zu mehr Hitze bei, das sich alle paar Jahre mit seinem kühlenden Gegenstück La Niña abwechselt. Dennoch: „Der Handlungsdruck beim Klimaschutz war nie größer als jetzt vor der COP 28“, so Burgess.

COP 28 ist die Abkürzung für die 28. Weltklimakonferenz. Sie soll ab dem 30. November in Dubai stattfinden. Unter anderem geht es darum, ob sich alle Staaten darauf einigen könnten, perspektivisch aus allen fossilen Energien auszusteigen. Bisher geht es global gesehen in die entgegengesetzte Richtung: Der weltweite Energiesektor war im vergangenen Jahr mit einem CO₂-Ausstoß von 37 Milliarden Tonnen so klimaschädlich wie noch nie zuvor.

Die Zahl wird weiter steigen, wenn alle internationalen Förderpläne für Kohle, Öl und Gas auch wirklich in die Tat umgesetzt werden. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat diese zusammen mit Forschungsinstituten analysiert. Demnach sollen noch doppelt so viele fossile Energieträger aus dem Boden geholt werden, wie mit der 1,5-Grad-Grenze vereinbar wäre.

Unterbinden die Regierungen es nicht, wird die globale Kohleförderung noch bis zum Ende des Jahrzehnts anwachsen, die von Öl und Gas sogar noch bis 2050. Laut dem Weltklimarat müssen sich die weltweiten Emissionen bis 2030 etwa halbieren, um bis 2050 praktisch bei null zu liegen. Nach neueren Berechnungen könnte selbst das noch zu optimistisch sein.

Harjeet Singh vom Climate Action Network kritisierte die Regierungen am Mittwoch scharf: „Der Bericht offenbart die eklatante Heuchelei, die Herzstück des globalen Klimaschutzes ist.“

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24 Kommentare

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  • @SEPPW

    Machen wir so weiter, dann braucht es ziemlich bald kein ausgetrocknetes Flussbett, um Ihre Hütte ins Schwimmen zu bringen.

    Leugnung scheint eine sehr starke Kraft zu sein.

  • Lieber unter einer dicken Schicht aus Klima- und Industriegasen verröcheln oder am Hitzschlag sterben, - falls man nicht verschüttet oder weggespült wird -, als den Mut zu haben, andere Wege einzuschlagen.



    Und Verantwortung zu übernehmen, für das Überleben unserer Mitgeschöpfe.



    Dies ist nicht allein UNSER Planet.

    www.swr.de/swraktu...ngenommen-100.html

  • >Land.



    >Will voll ökologisch sein.



    >Elektrifiziert Busse, Bahnen, LKWs, nur die Pendler dürfen weiterhin Benziner und Diesel fahren.



    >Stellt WKAs auf, Solaranlagen, Geothermie, etc. etc.



    >"Was soll das heißen unser Land ist immernoch dreckig????? Autofahrer sind doch nicht daran schuld!!!!"

    Deutschland, 2032.

  • Gestern (08.11.2023) war eine Wespe an meinem Fenster. Die Natur spielt verrückt, wenn es im November in Norddeutschland noch Wespen gibt - aber einen Klimawandel soll es ja nach Ansicht der 'Alternative für Dumme' nicht geben. Aber die anderen Parteien sind ja auch nicht viel besser und die Grünen, die sogar das Bundesministerium für Klimaschutz inne haben, lesen sich ja wohl nicht einmal ihr eigenes Geschriebenes auf der Seite des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch.

    „Schätzungsweise 35 Milliarden Euro Schäden entstanden durch Hitze und Dürre in den Jahren 2018 und 2019. Die Folgekosten der Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021 summieren sich auf mehr als 40 Milliarden Euro. Weitere Schäden in Höhe von rund 5 Milliarden Euro wurden durch vereinzelte Sturm- und Hagelereignisse verursacht.“ [Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – 18.07.2022]

    • @Ricky-13:

      Also Wespen habe ich schon immer mal in einem November angetroffen, sogar vor 40 Jahren. Je nachdem wie milde der Oktober war und wie stark eine Population sich entwickeln konnte, gab es bis zum ersten Frost immer noch Überlebende eines Wespenvolkes.

      • @Tom Tailor:

        Ich bin ja auch schon ein älteres Semester, habe aber vor 40 Jahren - selbst vor 10 Jahren - keine Wespen im November in Norddeutschland herumfliegen gesehen.

        „Deutschland wird heißer und trockener. Der wärmeliebenden Europäischen Gottesanbeterin gefällt diese Entwicklung: Ihre Population wächst stetig“, schreibt National Geographic (22.07.2022). Aber nicht nur der europäischen Gottesanbeterin gefällt der Klimawandel, auch die asiatische Tigermücke fühlt sich langsam in Deutschland pudelwohl. Ein Insekt das es eigentlich nur in sehr warmen Gegenden dieser Welt gibt (ihre ursprüngliche Heimat ist Indonesien, Thailand und Vietnam) und das sich jetzt durch die globale Erwärmung sogar schon in Deutschland ausbreitet. **Der Klimawandel begünstigt durch mildere Winter und höhere Sommertemperaturen die Überwinterung und Vermehrung der Tigermücken. Und dieser Trend ist laut Experten erst der Anfang. "Wenn wir davon ausgehen, dass die Sommer so warm sind wie die vorigen, werden die Populationen zunehmen", sagt Artur Jöst, Biologe bei der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS).** [tagesschau online, 14.07.2023]

        Für viele Deutsche ist der Klimawandel aber zu abstrakt und auch noch in 'weiter Ferne'. Dass jetzt schon in den Sommermonaten immer mehr Bäume in Deutschland "leise verdursten" und es so warm geworden ist, dass die asiatische Tigermücke sich sogar bei uns schon heimisch fühlt, das bekommt der fleißige Deutsche, der jeden Tag "brav" zur Arbeit geht/fährt, damit sein Chef sich die neueste Luxuslimousine kaufen kann, doch gar nicht mit – oder er/sie will es gar nicht wissen.

        ***Tiere und Pflanzen im Klimastress – ARD alpha*** www.ardalpha.de/wi...imastress-100.html

        • @Ricky-13:

          Der letzte Absatz ist öde Klassenkampfrhetorik, die mit dem Thema gar nichts zu tun hat. Ohne Frage ist in Europas eine Klimaveränderung zu verzeichnen, die sich auf nachweisen lässt. Genau so hat es aber auch vor 40 Jahren immer wieder Jahre gegeben, in denen es Anfang November die eine oder andere Wespe gab, die sich in Wohnungen oder Häuser verirrt haben (weils da schön warm ist).

          • @Tom Tailor:

            Wenn Sie darauf beharren, dass es vor 40 Jahren in Deutschland im November Wespen gegeben hat, dann wollen wir es jetzt damit auch belassen. Und natürlich dürfen Sie in einer Demokratie auch alles "öde finden", was Ihrem Weltbild nicht entspricht.

            • @Ricky-13:

              Selbstverständlich, nichts anderes gestehe ich Ihnen auch zu ;-)

  • „Der Bericht offenbart die eklatante Heuchelei, die Herzstück des globalen Klimaschutzes ist.“



    Und das passt doch damit zu dem Konsumverhalten vieler Menschen hier. Doch mal selbst umwelt- und klimafreundlicher (vegan, keine Flugreisen, weniger/kein Auto u.ä.) zu konsumieren, machen doch leider die wenigsten hierzulande.

  • Man stelle sich vor, eine fremde Zivilisation fliegt im Weltall auf die Erde zu: "Hey, Sauerstoff, Wasser, da gibt es Leben, wie cool!" Und erkennt dann beim Näherkommen, was für eine widerliche Spezies da gerade alles kaputt macht.



    Kurzum: Auf gar keinen Fall Verzichtsdiskussionen um was zu verbessern, verhindern gar. Das ist unzumutbar!!!

    • @Tom Farmer:

      Oh, eigentlich brauchen wir nur *eine* Verzichtsdiskussion:



      Was spricht gegen einen Verzicht auf die Bankman-Frieds und Benkos?

      Denn wenn kein einziger Mensch mehr so viele Ressourcen verbrauchen kann, wie (je nahc Land) tausende bis hunderttausende durchschnittliche Menschen verbrauchen, wären mit einem Schlag 90% der Klimarisiken beseitigt.

      • @Ajuga:

        Quellen bitte. Damit der typische AfD-Wähler deine Zahlen so hindreht, wie es ihm passt, damit ich etwas zum Lachen habe. Bitte. :>

  • Das menschliche Hirn ist eine Fehlentwicklung der Evolution. Wie sonst ist es erklärbar, dass unsere Species ganz genau erkennt, was unser Handeln für fatale Folgen haben wird und es dennoch fortsetzt. Wir wissen, dass wir unsere Lebensgrundlagen zerstören und machen unbeirrt weietr. Das gilt für's Klima ebenso wie für Waffentechnik.. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern deren Verderb.

    • @Perkele:

      Danke. Volle Zustimmung!

  • Mit herzlichem Dank an alle Nicht-Klimakleber. Und bitte keine Antworten à la geht arbeiten, pflanzt lieber Bäume usw.

  • Vergessen wir nicht, wer der Vorsitzende der COP28 ist. Wer von da etwas nützliches erwartet möge die Hand heben.

    Derweil drückt die Automobilindustrie SUVs ins Konsumentenvolk, die Billigfliegerverfrachten schwitzende Bäuche nach Malle, die Lobbyisten unterstützen das Zaudern wo sie können ("Technologieoffenheit", "eFuels", "die Ärmsten können sich das nicht leisten").

    Leute, unsere Gasspeicher sind voll! Ihr könnt ruhig SUV fahren! Fliegt diesen Winter zweimal nach Malle!

    Es kommt mit Ansage.

    Manchen wird's die Hütte wegspülen, manche werden kichern (bloss, das es das nächste Mal vom Internet wegretouchiert wird: von China lernen heisst siegen lernen).

    • @tomás zerolo:

      "Manchen wird's die Hütte wegspülen, manche werden kichern (bloss, das es das nächste Mal vom Internet wegretouchiert wird: von China lernen heisst siegen lernen)."

      ----------------------

      Wer ein Haus in ein künstlich ausgetrocknetes Flussbett baut und nicht gegen Elementarschäden versichert hat eben die A-Karte gezogen, wenn auf Grund von Regenfällen das Wasser seine alten Wege sucht. Und findet.

  • Und die meisten Menschen begreifen leider nicht mal annähernd in was für eine Katastrophe uns die kleine reiche Kaste und ihre Helferlinge in Politik, Medien, und Wirtschaft hineintreiben. Oft weil sie unwissend gehalten werden durch gezielte Desinformation.



    Das Traurigste an der Sache ist, dass die Leidtragenden nachher die heutigen Kinder sein werden, die nun wirklich nix dafür können.

    • @Okti:

      "Und die meisten Menschen begreifen leider nicht mal annähernd in was für eine Katastrophe uns die kleine reiche Kaste und ihre Helferlinge in Politik, Medien, und Wirtschaft hineintreiben. Oft weil sie unwissend gehalten werden durch gezielte Desinformation."

      Ganz, ganz falsch. Sie wissen es - aber es ist ihnen egal. Denn auch die kleinste Kaste kann Menschen nur dann in etwas hinein treiben, wenn sie es selbst wollen.

      • @Tom Tailor:

        Ignoranz ist in diesem Fall ein Zeichen von Unwissenheit. Wenn die Menschen verstehen würden, dass in zwei oder drei Jahrzehnten spätestens, bei dem aktuellen Tempo der Emissionssteigerung, dieser Planet zur Hölle auf Erden wird für große Teile der Menschheit, inklusive der ach so tollen, reichen Industrieländer, dann würden sie ganz anders über die aktuelle Politik und das Wirtschaftssystem denken.

        Und mit wissen meinte ich natürlich auch Verständnis. Wissen auf reiner informativer Ebene ist selten etwas wert.

        • @Okti:

          Sie würden vielleicht anders darüber denken, aber nicht unbedingt anders handeln. Letztendlich entscheiden Wahlergebnisse über die weitere Politik. Jeder einzelne kann natürlich sein persönliches Konsumverhalten im Rahmen der Möglichkeiten ändern, das ist es dann aber auch.

    • @Okti:

      Leidtragende gibt es bereits heute genug. Heimatlosgewordene, Verletzte, Tote.



      Inzwischen längst auch in Europa.

  • Der Kapitalismus ist faktisch gescheitert und wird vermutlich Milliarden töten.