piwik no script img

Landtagswahlen in Hessen und BayernGrüne verfehlen ihre Wahlziele

Die Grünen wollten in Hessen den Ministerpräsidenten stellen und in Bayern in die Regierung kommen. Daraus wird angesichts deutlicher Verluste nichts.

Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Wer Spitzengrüne in den vergangenen Wochen nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen fragte, bekam mit großer Wahrscheinlichkeit auch dies zu hören: Dass die Wahlergebnisse 2018, bei den letzten Landtagswahlen, wirklich außergewöhnlich gut gewesen seien. Das stimmt zwar, aber man darf das auch als Erwartungsmanagement verstehen. Es soll heißen: Auch wenn es jetzt schlechter ausgeht, ist das nicht ganz so wild. Nach ersten Hochrechnungen ist es in beiden Bundesländern eindeutig schlechter ausgegangen.

Demnach liegen die Grünen in Bayern und Hessen ungefähr bei bei gut 15 Prozent. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl wären das in Bayern (2018: 17,5 Prozent) leichte, in Hessen (2018: 19,8 Prozent) deutliche Verluste. Die beiden Parteivorsitzenden, Omid Nouripour und Ricarda Lang, sprachen in ersten Reaktionen dennoch übereinstimmend von „stabilen Ergebnissen“. Im Vergleich zu SPD und FDP, den beiden Ampelkoalitionspartnern in Berlin, scheinen die Grünen auch noch etwas glimpflicher davongekommen zu sein. Auf ihre Kernwählerschaft können sich die Grünen anscheinend verlassen.

Grüne und SPD stehen in Hessen bereit

Zwei Wahlziele aber können sie wohl abhaken: in Bayern in die Regierung einzuziehen, und in Hessen mit Tarek Al-Wazir erstmals selbst den Ministerpräsidenten zu stellen. Dazu bräuchte es eine Mehrheit für eine Ampelkoalition, die aber gibt es nicht. Wenn es schlecht läuft, könnten die Grünen in Wiesbaden sogar aus der Regierung fliegen. CDU-Ministerpräsident Boris Rhein hat nun die Wahl, ob er mit ihnen oder mit der SPD weitermacht. Gänzlich unwahrscheinlich ist die zweite Variante nicht: Inhaltlich steht die CDU den So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen bei zahlreichen Themen, etwa der inneren Sicherheit, näher als den Grünen. „Der Ball liegt bei Boris Rhein“, sagte Nouripour am Abend. Die Grünen stünden für Verantwortung.

Ob es nun hilft, dass CDU und Grüne in den vergangenen zehn Jahren recht vertrauensvoll – oder, wie Al-Wazir zuletzt nicht oft genug betonen konnte: „geräuschlos“ – zusammengearbeitet haben, ist schwer zu sagen. Die Grünen jedenfalls haben mit Al-Wazir im Wahlkampf auf einen staatstragenden Ton gesetzt. Man könnte auch sagen: auf eine kreuzbrave Kampagne.

Dabei mussten sie in der Koalition mit der CDU herbe Kompromisse schlucken: Der Dannenröder Forst wurde gerodet, der Frankfurter Flughafen bekam ein drittes Terminal, die NSU-Akten blieben unter Verschluss. Im Wahlkampf allerdings wurden die hessischen Themen von der Bundespolitik überlagert. Erst mussten die Grünen den Streit um das Gebäudeenergiegesetz erklären, dann schwappte die Migrationsdebatte mit voller Wucht ins Land. Al-Wazir sagte am Abend denn auch, es habe „keinen Rückenwind“ aus Berlin gegeben: „Wir mussten bergauf kämpfen.“

Al-Wazir sagte am Abend denn auch, es habe keinen Rückenwind aus Berlin gegeben: „Wir mussten bergauf kämpfen.“

Im Vergleich zu ihren bayerischen Par­tei­freun­d*in­nen aber hatten die hessischen Grünen fast leichtes Spiel. In Bayern war der Wahlkampf sehr polarisiert, neben der AfD schossen sich rhetorisch auch CSU und Freie Wähler auf die Grünen ein. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schloss eine Koalition mit ihnen nicht nur kategorisch aus, sondern sprach ihnen das „Bayern-Gen“ ab – und bürgerte sie und ihre Wäh­le­r*in­nen damit verbal aus.

Die Spit­zen­kan­didat*in­nen Ludwig Hartmann und Katharina Schulze versuchten am Ende, die Wahl zu einer Abstimmung über Klimaschutz und über Demokratie und politischen Anstand zu deklarieren. Schulze sagte bei ihrer Stimmenabgabe, sie sei überzeugt, die Politik brauche wieder mehr Gemeinsamkeit. Dafür wird sie sich nun weiter in der Opposition einsetzen müssen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Die "Grünen" haben in Hessen die Quittung dafür bekommen, dass sie - um weiter mit der CDU regieren zu können - praktisch alles über Bord geworden haben, was grüne DNA ausmacht.



    Jede noch so umweltfeindliche Maßnahme von Rhein (oder davor Bouffier) - Al Wazir und seine "Grünen" haben mitgemacht.



    Sich der CDU unterworfen - und ihr Duckmäusetum dann auch noch damit gerechtfertigt, man streite intern, hinter den politischen Kulissen. Selbst wenn das stimmte, selbst wenn die "Grünen" mit den Schwarzen um Entscheidungen gestritten hätten (Streit ist ja nichts Schlimmes), dann gilt dennoch: Nicht eine einzige grüne politische Maßnahme war in der Jahren ihrer Regierungsbeteiligung zu erkennen.



    Und im Bund machen Habeck, Baerbock, Özdemir Lang und Co. nahezu lupenreine FDP-Politik.



    Die Quittung haben sie jetzt.

  • Ja, toll "Wahlziele der Grüne" - früher hatten die mal Politikziele. Und das sage ich als Wähler der Grünen.

  • Die Regierung in Hessen war immer glanzlos, es war eine reine Zweckehe, ein Versuch, eine Regierungsfähigkeit herzustellen, Einfluss zu gewinnen. Dass die Grünen aus dieser Position nicht gewinnen konnten, sollten sie gut diskutieren. Ich kann mich gut daran erinnen, dass man intern ganz zufrieden in Hessen war. Und das ist meist eine sehr rechte CDU. Die wurde m.M. durch die Grünen maßgeblich stabilisiert und inthronisiert. Daraus als der goldene Reiter zum Amt des Ministerpräsidenten vordringen zu wollen, war reichlich naiv. Die Grünen hatten ja mal in Frankfurt und im Uland eine ziemlich spannende Gemengelage, das sieht momentan echt anders aus. Fürs erste ist das erste Amt im Bundesland sehr sehr weit weg und das liegt nicht nur am Niedergang der SPD, sondern auch in der unfreiwilligen Aufbauhilfe für die CDU. Die war hier schon mal richtig durch, die hatten Skandale, die haben politisch viel Mist gemacht, gerettet haben damals sie die Grünen.

  • Das selbstgefällige Realo-Ungetüm in Hessen - die NSU schützen, den Grundwasserschatz des Vogelsbergs preisgeben usw. - stößt auf Grenzen.

    Muss es nicht personelle Konsequenzen haben, wenn sich ein Viertel der Wähler:innen abwendet?

  • In Hessen haben die Grünen knapp eiin Viertel der Stimmen verloren. Von 20 auf 15 Prozentpunkte. das nennt Frau lang stabil.

  • @TOM FARMER

    Was bemängeln Sie eigentlich an "Berlin"? Dass die nicht noch mehr die Politik der AfD machen?

    Oder was hätten "die" Ihrer Meinung nach machen sollen?

    • @tomás zerolo:

      Was sollte nicht bemängelt werden? Kanzler in Selbstgefälligkeitsmodus zu allen Themen, Grüne, die Sozialpolitik mimen anstatt Umwelt und Klimapolitik, Lindner als bestenfalls Linienrichter in der 2. LIGA.



      Anstatt Politik für die Wähler gemacht wird, die Folgendes umtreibt: Wohlstandsverlust, Inflation, gefühlte Unbezahlbarkeit von Wohnraum und Energie, Migrationsthemen (nämlich drei getrennte), Zukunftsängste für Job und Familie.



      Allein das AfD Thema geht so gar nicht! Hat eine AfD knapp 20% wegen Merz, und in Bayern fast 70% CSU, FW, AfD, FDP... Dann wohl der ganze Block auch wegen Merz? Was soll denn der Merz bei derlei Analyse alles können, Superman? Schwer vorstellbar, und somit unsägliche Ablenkungsmanöver sind das für mich. Die Ampel muss glaubhaft Sachpolitik, eingebettet in eine konsistente Geschichte anbieten, alles ein Rumgeiere wie mit der Ukraine Hilfe seit 1,5 Jahren. Da geht aber leider gar nix vorwärts oder wenigstens sichtbar.

  • Lese gerade in Summe 2/3 in Bayern wählen konservativ bis ganz rechts. Was ein Armutszeugnis für Berlin und auch die 'Analysen' der letzten Tage was gegen Rechts helfen können. Ich krieg mich nicht mehr ein heute Abend.

  • Stabile Ergebnisse lese ich als Zitat von Frau Lang. Ich kann nur sagen: Es ist Teil des Problems, diese unehrlichen Analysen gepaart mit Arroganz. Arroganz deswegen, weil sie wohl ehrlich glaubt, der Wähler glaube ihr das!? Wtf, als wie dumm werden wir denn hier als Wähler eingestuft? Macht endlich Politik für die Menschen, für das Klima, für Gerechtigkeit, für Leistung. Für jeden in der Ampel was dabei, und das widerspricht sich alles gar nicht. Bin stinksauer! AfD bei 16%, wer trägt denn dafür die Verantwortung außer den Ampelparteien??

    • @Tom Farmer:

      "AfD bei 16%, wer trägt denn dafür die Verantwortung außer den Ampelparteien??"

      ------------

      Keiner. Der Wähler hat lediglich nicht verstanden wie sinnstiftend und nachhaltig positiv die politische Arbeit der Ampelparteien für das Land ist. Insbesonders bei Rot-Grün. Geht über seinen Horizont hinaus, da wird das Große Ganze einfach nicht gesehen. Da muss der kostümierte Rot-Grün-Erklärbär (bitte bitte lass es Annalena sein) sein noch mal Sonderschichten bei den Dummen dieses Landes einlegen.