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Solarpolitik in DeutschlandDeutschland muss autonomer werden

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Eine eigene Solarindustrie würde Deutschland und Europa von autoritären Staaten unabhängiger machen. Um das zu erreichen, braucht es Investitionen.

Auch davon sollte es viel mehr geben: Photovoltaikanlagen auf deutschen Dächern Foto: U. J. Alexander/imago

D ie Solarindustrie in Europa könnte boomen – wenn die EU und die Ampelregierung jetzt richtig handeln. Der zweite Versuch, hierzulande eine große Produktion von Solaranlagen aufzubauen, darf nicht scheitern. Dass es in Deutschland heute keine blühende Solarindustrie gibt, ist der Merkel-CDU anzulasten. In der Regierungszeit der Union wurde das Entstehen dieses wichtigen Wirtschaftszweigs abgewürgt, indem die Förderung gestrichen wurde.

Um diesen Fehler zu korrigieren, muss die Ampelregierung viel Geld bereitstellen. Das würde sich nicht nur wegen des Klimaschutzes lohnen, sondern auch, weil so wünschenswertes Wirtschaftswachstum entsteht. Der Bedarf an Solarmodulen ist enorm. Beim sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hat die Photovoltaik eine Schlüsselrolle.

Umweltfreundlich Energie zu erzeugen ist die Voraussetzung für den Übergang zum klimafreundlichen Produzieren und Konsumieren. Die Kontrolle über die Verfügbarkeit von Photovoltaikanlagen ist entscheidend für diesen Umbau. Doch die europäischen Hersteller drohen zerrieben zu werden zwischen Lieferanten aus China, die mit Kampfpreisen in den Markt drängen, und Konkurrenten aus den USA, die durch das massive Subventionsprogramm der Regierung Joe Bidens gestärkt werden.

Unternehmen aus Europa erwägen, wegen der attraktiven Zuschüsse die Produktion in die Vereinigten Staaten zu verlagern. Die EU und die Ampelregierung müssen gegensteuern und hierzulande genauso attraktive Produktionsbedingungen schaffen. Ohne milliardenschwere Förderprogramme ist das nicht zu machen. Auf die Selbstversorgung mit Solaranlagen zu verzichten, wäre fatal.

In Europa hergestellte Solarzellen sind zwar teurer als in China produzierte. Bei der Energiewende auf Billigprodukte aus Fernost zu setzen, ist aber kein Ausweg. Zu riskant wäre eine noch größere Abhängigkeit vom autoritären China. Mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist auch die Vorstellung einer Abhängigkeit von Solarmodulen aus den USA unbehaglich.

Außerdem: Die Herstellung selbst in der Hand zu haben, bedeutet auch, die Produktionsbedingungen kontrollieren zu können, etwa in Bezug auf Umweltauflagen. Die deutsche Solarbranche fordert eine staatliche Prämie für Firmen und Privatleute, die Photovoltaikanlagen aus heimischer Produktion installieren lassen. Auch wenn Rufe nach solchen Hilfen aus der Wirtschaft einen unschönen Beigeschmack haben, weil sie oft nur der Gewinnmaximierung dienen.

In diesem Fall wäre so eine Förderung richtig. Die Bundesregierung sollte sich dafür entscheiden. Sie sichert eine unabhängige saubere Energieproduktion, Arbeitsplätze und Entlastung für die Bürger:innen. Das ist der beste Weg, um Akzeptanz für eine wirksame Klimapolitik zu erreichen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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11 Kommentare

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  • "...Lieferanten aus China, die mit Kampfpreisen in den Markt drängen, und Konkurrenten aus den USA, die durch das massive Subventionsprogramm der Regierung Joe Bidens gestärkt werden."



    Da sollten wir uns doch eigentlich freuen, wenn China und USA die Energiewende in Deutschland subventionieren?

  • Anja Krüger - Deutschland muß autonomer werden:



    Ein kleiner Denkfehler ist Ihnen unterlaufen.



    Liegen die PV-Module erst einmal vor Ort (wo auch immer) auf den Dächern, produzieren sie für mindestens 20 Jahre kostenlosen Strom. Es entsteht keinerlei Abhängigkeit wie bei den fossilen Brennstoffen, die ja kontinuierlich ständig nachgeliefert werden müssen.

  • Eine massive Subventionierung würde die EU nie zulassen.

  • Interessanter Ansatz. Die Solarproduktion wird durch massive Subventionen gestützt. Der Industriestrom dafür wird auch subventioniert. Der Kauf der in der EU produzierten Solarpanele wird ebenfalls subventioniert bzw. prämiert.

    Wird das eine VEB Solarpanele ?

  • Es ist illusorisch anzunehmen, dass Deutschland bei einem Massenprodukt, wie es die Panel- /Inverterproduktion darstellt, mit Fernost oder USA konkurrenzfähig sein wird. In Deutschland liegen die Arbeitskosten im Durchschnitt mit 41€ fast 6-mal so hoch wie in China (7€). Neben solchen "hard facts" gibts noch andere, weniger bezifferbare Faktoren. Der Wille zur Leistung, die Schnelligkeit auf einen Kundenwunsch zu reagieren usw.. Die Standortnachteile Deutschlands sind in vielen Bereichen der Wirtschaft nicht mehr wett zu machen.

  • "Der zweite Versuch, hierzulande eine große Produktion von Solaranlagen aufzubauen, darf nicht scheitern." Ein Versuch ist und bleibt ein Versuch und kann scheitern.

    Wenn, dann bräuchte es einen Masterplan. Master of Desaster Habeck hat aber schon mit dem Gas soviel um die Ohren, und dem Finanzminister graut es vor dem drohenden Plus an weiterer künftiger Schuldentilgung, die mit jedem weiteren Sondervermögen einhergeht und mit ein paar Jahren Verzögerung über seinen Schreibtisch bewältigt werden muss. Die blank liegenden Nerven eines deutschen Finanzministers sind immer mehr oder weniger die Bremsbeläge der "Schuldenbremse".

    Bleibt nur die ständige Kontrolle der Qualität der Produkte. Wenn Solarpaneele aus China mindestens Gut abschneiden im seriösen Vergleich und preisgünstiger sind als deutsche, wäre es fatal, dem deutschen Markt den Kauf deutscher Solarpaneele vorzuschreiben. Viel interessanter ist das Drumherum, d.h. alles, was die sonneneinstrahlungsabhängige elektrische Leistung aus den Paneelen verteilt in den InHouse-Energieverbrauch und die Energieüberschussnetzeinspeisung. Das ist sicher ein Bereich, in welchem deutsche und chinesische Gerätschaften konkurrieren oder gar kooperieren können, um am Ende die Solarstromversorgung einer Liegenschaft aus ihren Solarpaneelen zu regeln. Hauptsache, die Energiewende wird nicht ausgebremst durch teure Versuche, Alles fürs Solarstromgewerbe wieder selbst zu produzieren.

    Wichtiger ist es, sensible Kommunikations-Elektronik wieder verstärkt in westlichen Ländern selbst zu produzieren, d.h. alles, was die weltweite elektronische Kommunikation regelt. China und der Westen vedächtigen sich ja schließlich gegenseitig, in ihren Kram dieser Art Manipulations&Überwachungsmechanismen ihrer Geheimdienste mit einzubauen. Das ist in der Tat eine neue Qualität von "Kaltem Krieg", der realpolitisch "zur Heimholung der Produktion zwingt". Darin müssen Habeck und Lindner sich einigen, sonst taugen sie beide nicht für Realpolitik!

    • @Uwe Kulick:

      "China und der Westen vedächtigen sich ja schließlich gegenseitig, in ihren Kram dieser Art Manipulations&Überwachungsmechanismen ihrer Geheimdienste mit einzubauen."



      Anders als bei den Huawei-Geräten wurden in Systemen des US-Herstellers Cisco schon verschiedene Backdoors nachgewiesen.



      de.wikipedia.org/w...nage-Vorw%C3%BCrfe

  • Solange das nur die taz so sieht, ist das zu wenig. Das Totalversagen von Merkel ist noch viel umfassender. 1. Windkraft wurde ausgebremst und 2. die Abhängigkeit von Putin drastisch erhöht. Insofern ist völlig egal, wer die Erdgasröhren gesprengt hat. Dieses "privatwirtschaftliche" Projekt hätte nie realisiert werden dürfen. Claudia Kemfert referiert in "Schockwellen" 21 Mitteilungen während Merkels blinder Regentschaft, in den Putin mit der Waffe Energie droht. Millionen Leidende und Zigtausend Tote sind die Folgen blinder Politik.

  • Ich denke die Argumentation würde für beliebige andere Branchen, beispielsweise die Textilindustrie in sehr weiten Teilen genauso funktionieren. Will/Soll man also wirklich die Globalisierung zugunsten einer national oder regional autonomen Wirtschaft rückabwickeln?



    Und selbst wenn man annimmt, dass man hierzulande wieder Solarfabriken oder Nähereien ansiedelte deren Produkte mit dauerhaft hohen Subventionen auf ein konkurrenzfähiges Preisniveau gebracht werden, sind das ja Gelder die nicht einfach so da sind, sondern über Einsparungen an anderer Stelle oder Steuererhöhungen wieder reinkommen müssten. Wozu solch ein Rezept führt kann man seit Jahr(zehnt)en am europäischen Agrarsektor beobachten der höchst erfolgreich darin ist die schlechtesten Aspekte von Markt- und Planwirtschaft in einem System zu vereinen.

  • Der erste Versuch der subventionierten Solarindustrie ist an den hohen Kosten für Energie und Personal gescheitert. Der zweite Versuch würde nicht besser verlaufen.



    USA und China haben eine deutlich vorteilhaftere Kostenposition.

  • Das wird mit SPD und FDP nicht gelingen. Die Porschepartei setzt lieber auf Innovationen die erst nach 2050 verfügbar sein werden, die SPD hatte schon vor 20 Jahren durchstarten können, wo noch ein weltweit geachteter politischer Solarakteur Hermann Scheer ihr Mitglied war; bewusst verschlafen.



    Subventionen gebunden an den Marktpreisdifferenzen ergeben keine Gewinnabschöpfung.



    Eine Unterstützung ist dringend nötig. Andernfalls droht wie schon unter CDUCSU ein abschliessendes Ende.