Ausstellungen zum Mikrokosmos Club: Der Bass, der Verbindungen schafft
Die Galerie Dittrich & Schlechtriem und die Kunstbrücke am Wildenbruch zeigen Kunst über Clubs. Thema ist auch die Tür, an der sich alles entscheidet.
Es ist der schlimmste Albtraum aller Nachtkatzen, die Zurückweisung an der Tür, zusammengefasst in einem Satz: „Heute leider nicht“. Die Wirkung der drei schlichten Worte ist maximal, hat die Person am Einlass sie einmal ausgesprochen, ist Widerspruch in der Regel zwecklos und der Abend erst mal ruiniert.
Dass der Künstler Simon Mullan ausgerechnet diesen Satz als Titel für eine Gruppenausstellung gewählt hat, die sich mit Club- und Jugendkultur beschäftigt und am Freitag in der Galerie Dittrich & Schlechtriem eröffnete, spannt den entsprechenden erzählerischen Bogen: Um große Verheißungen geht es wie um ebenso große Enttäuschungen, und um all das, was dazwischen noch so mitschwingt – die komplizierte jugendliche Suche nach sich selbst, nach Ablenkung und Euphorie. Nach Anerkennung auch. Nach Gemeinschaft, vermittelt durch Musik, durch den Bass, der einem in die Magengrube fährt, sich dort wohlig ausbreitet und der Verbindungen schafft zwischen Fremden.
Unterstützt durch Substanzen oftmals, klar. Zuzanna Czebatul, die wie viele der beteiligten Künstler*innen aktives Mitglied der Clubszene Berlins ist, hat diesen ein ironisch-kritisches Denkmal errichtet; eine luftgefüllte, riesige Ecstasy-Pille, die um sich selbst rotiert.
Den Bass wiederum gab es bei der Eröffnung nicht erst bei der Afterparty, sondern schon als Performance von Mullan vor der Galerie zu hören. Ein Augenblick zum Einrahmen: ein Auto, aufgetunt mit irre lautem Soundsystem, Techno der über die Linienstraße hinwegdröhnte, sie für ein paar kurze Minuten in einen Outdoor-Rave verwandelte, samt mitwippendem Eröffnungspublikum auf Straße und Baugerüst.
„Club“, Kunstbrücke am Wildenbruch, bis 29. Oktober, Mi.–So. 12–18 Uhr. Nächste Performance: 9. August, 17–20 Uhr Christoph Rothmeier
„Heute leider nicht“, Dittrich & Schlechtriem, bis 9. September, Mo.–Sa. 11–18 Uhr
Drinnen in der Galerie sorgt für den Sound primär der britische Produzent Ed Davenport, der seine frühen Technoerinnerungen zu einer albumlangen Klangcollage zusammengefasst hat. Klappt man die CD – ja, CD! – auf, ist darin ein Foto des Künstlers beim Auflegen im Jugendzimmer zu sehen. Thematisch passend befasst sich Daniel Hoflund direkt daneben mit Teenage-Fantum in Form einer Sammlung von Tupac-Shakur-Postern. Spielerisch, auf den zweiten Blick oft überraschend gefühlig sind auch viele der weiteren Objekte, Videos und Fotografien im unteren Galerieraum.
Die Tür, die einst in den Tresor führte
Durch eine Tür, an der sich einst tatsächlich alles entschied, Top oder Flop, muss man an einem anderen Kunstort der Stadt, der Kunstbrücke am Wildenbruch, durchklettern, um zu einer zweiten Gruppenausstellung – „Club“ – zu gelangen, die sich ebenfalls gerade diesem Mikrokosmos Club widmet. Um eine legendäre handelt es sich, um diejenige, die in den 1990ern in den Techno-Tempel Tresor führte, als sich dieser noch im Tresorraum des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in der Leipziger Straße befand.
Museal ist die schwere Stahltür von damals inzwischen geworden. Als eines der ersten Objekte zog sie 2019 ins Humboldt Forum. Mit der Folge, dass in der Jubiläumsausstellung des Clubs im vergangenen Jahr im Kraftwerk statt ihrer die ehemalige Gartenpforte ausgestellt werden musste. Auch darauf verweist Stefan Alber in seinem Beitrag für die Neuköllner Schau. Er hat die Tür nachgebildet, detailgetreu, allerdings nicht aus Stahl, sondern aus leichtem MDF – mitteldichten Holzfaserplatten.
Die Kunstbrücke am Wildenbruch, Teil der Kommunalen Galerie Neukölln, eine ehemalige Toilettenanlage an der Brücke über den Landwehrkanal, gäbe räumlich selbst einen guten Club ab. Die Ausstellung spielt das einmal durch, präsentiert – ein wenig didaktisch – den Bausatz eines solchen: die Schlange davor, die Tür, die Bar, die Tanzfläche, den Sitz- und den VIP-Bereich.
Raunen und Wispern hört man es schon, bevor man die Treppe nach unten nimmt. Victor Keglis Soundarbeit „Speakeasy“ ist ein Zusammenschnitt von Gesprächsfetzen, wie man sie in den Schlangen vor dem Einlass erlauschen kann. Einsprechen lassen hat Kegli die Sätze nur leider von einer KI, was so klingt, als würde man einer Gruppe feierfreudiger Roboter zuhören.
Überzeugender dagegen Matthias Drostes Installation im Außenraum, die an Club-Interieurs angelehnt ist. Ein riesiges Polstermöbel im Stadtraum. Dunkelblauer Samt, der gegen das Nieselgrau dieses Sommers anglänzt, edel wie ein Chesterfieldsofa – beziehungsweise wie eine jener Billigversionen, die man in möchtegern-exklusiven Nachtlokalen vorfindet.
Im Inneren sorgt Alona Rodehs Rauminstallation mit fotolumineszierendem Vinyl, reflektierendem Stoff und Stroboskopeffekten für eine ziemlich intensive Dancefloor-Assoziation – und subtile Zwischentöne. Seit Jahren schon beschäftigt sich die 1979 in Tel Aviv geborene Künstlerin, die auch bei „Heute leider nicht“ eine Arbeit zeigt, mit Nacht und Nachtleben, mit Clubs auch als Orten der Gegenkultur und als Safe Spaces von marginalisierten Gruppen, benutzt dafür, wie jetzt, Materialien, die sichtbar machen. Tanzen ist eben auch politisch.
Vieles klingt an, hier wie da, und so ergänzen sich die beiden doch recht verschiedenen Ausstellungen durchaus. Einen echten Clubbesuch können sie freilich nicht ersetzen. Ihr klarer Vorteil jedoch: Man kommt garantiert rein.
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