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Subventionen für ProduktionsunternehmenEine Frage des Standorts

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Ein Strompreisdeckel für die Industrie könnte die Abwanderung aufhalten. Finanziert werden müssten die Subventionen mit einer Übergewinnsteuer.

Das Stahlwerk Dillinger Hütte im Saarland Foto: Andreas Arnold/dpa

S o viel Einigkeit ist selten: Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und die Landesregierungen fordern einen günstigen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen. Hinter dieser Einigkeit über viele politische Lager hinweg steckt eine gemeinsame, berechtigte Sorge: dass die hohen Strompreise über kurz oder lang große Betriebe oder gar ganze Branchen abwandern lassen.

Denn andernorts, etwa in China oder in den USA, nehmen Regierungen viel Geld in die Hand und sorgen damit für sehr günstigen Strom. Trotzdem kann sich der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck mit seiner Idee einer vorübergehenden Strompreisdeckelung für energieintensive Unternehmen in der Bundesregierung nicht gegen die FDP und die SPD durchsetzen. Das ist schlecht.

Hinter der Entscheidung für oder gegen einen günstigen Industriestromtarif steht nicht weniger als die Frage nach dem Wirtschaftsstandort. Sollen energieintensive Branchen wie die Chemie- oder Stahlindustrie hierzulande eine Perspektive haben und die Chance zu einer klimafreundlichen Transformation bekommen? Wer das will, muss eine Lösung parat halten, wie sie über die Runden kommen, bis die Produktion aus erneuerbaren Energien so groß ist, dass sich der Strompreis entspannt.

Zugegeben, bis dahin ist noch viel zu tun. Aber die Republik hat sich, wenn auch reichlich spät, auf den Weg dahin gemacht. Die Aussichten sind gar nicht schlecht, dass die ehrgeizigen Ausbauziele erreicht werden. Blöd nur, wenn dann Unternehmen und mit ihnen Jobs en gros weg sind. Manche Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­r:in­nen ver­treten die Auffassung, dass energieintensive Branchen eben abwandern sollen, wenn ihnen die Preise hierzulande zu hoch sind.

Die FDP und die regierenden So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen um Bundeskanzler Olaf Scholz wollen das sicher nicht – aber sie nehmen es durch ihr Nichthandeln beim Industriestrompreis in Kauf. Sie wollen dafür kein Geld ausgeben. Ausbaden werden das diejenigen, die um ihre Jobs fürchten. Aber nicht nur der Arbeitsplatzverlust ist ein Problem: Auf die Produktion von chemischen Grundstoffen, Stahl oder Keramik zu verzichten bedeutet, sich von anderen abhängiger zu machen.

Die Vorstellung, die Abhängigkeit von China oder den möglicherweise bald wieder von Donald Trump regierten USA weiter zu vergrößern, ist alles andere als behaglich. Allerdings: Dass die Bür­ge­r:in­nen über Steuern und Abgaben die Strompreise für die Industrie subventionieren, ist nicht einzusehen. Das Geld für die Subvention sollte von denen kommen, die über Gebühr vom Wirtschaftsstandort profitieren, zum Beispiel mithilfe einer Übergewinnsteuer, die diesen Namen verdient.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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14 Kommentare

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  • Eine ziemlich hilflose Argumentation, Übergewinnsteuer, viel zu kompliziert. Die Wirtschaft bekommt, was sie will: billigen Strom, die Zeche zahlen Verbraucher mit höheren Strompreisen.



    Ehrlich wären Steuererhöhungen, gestaffelt nach Einkommen. Doch die gibt es mit der FDP nicht.



    Es wäre ein Leichtes der deutschen Wirtschaft Abwanderungsdrohungen zu verleiden, indem der Staat droht, Hermenskredite für die Wirtschaft komplett zu streichen.

    • @Lindenberg:

      Das Problem um das es hier geht ist der Zusammenbruch von enrgieintensiven Branchen in DE und dem Wegfall von Jobs, Löhne, Steuern usw.



      Wer da staatlicher seits nicht eingreifen will betreibt einen Turboneokapitalismus.

  • Interessant wäre ja mal zu erfahren, welche Industriebetriebe und welche Produkte konkret betroffen wären und von welchem Land „wir“ uns konkret abhängig machen.



    Eine Idee ist die Metallproduktion. Die Salzgitter AG ist einer der größten CO2-Emittenten in Deutschland. Allerdings kommt auch das Eisenerz meines Wissens nicht mehr aus Deutschland, da 63%iges Erz derzeit wirtschaftlich nicht mit 64%igem Erz aus Brasilien konkurrieren kann. Ist das noch so und wie wird sich der CO2-Preis auswirken?



    Auch die Produktion von Kupfer und besonders Aluminium sind energieaufwändig. Für die Norddeutsche Affinerie wurde in Hamburg das Kraftwerk Moorfleet in allererster Linie gebaut. Hier stellt sich zudem auch die Frage, ob es durch intensiviertes Recycling (bis hin zum „Urban Mining“) etwas ändern wird.



    Der ganze Diskurs ist viel zu eng und weitgehend faktenfrei geführt. Bei der chemischen Grundstoffen für die Pharmaindustrie hat Pfizer zuletzt in Indien so viel gekauft, dass die Corona-Impfstoff-Produktion für die Entwicklungsländer weitgehend zum Erliegen kam. Ob das so sein soll, ist auch eine ethische Frage.

    • @Zangler:

      Wenn man genau hinschaut, dann sieht man dass die Diskurse weder eng noch faktenfrei geführt werden.



      Der Diskurs z.B. in Bremen wird mit Acelor Mital (Indien, Stahlwerke) ganz konkret geführt (Wasserstoff) .

  • Klimaschutz erreicht man am besten, indem man nicht die ganze Zeit über das Klima spricht, sondern über das, worum es dabei geht: Wohlstand, Infrastruktur, Jobs.

    Geld sollte dorthin fließen, gleichzeitig auch Anstrengungen getroffen werden den CO2-Ausstoß zu verringern und Wohlstand, Infrastruktur oder Jobs gefördert werden.

    Klimaintensive Branchen wären ideale Kandidaten für starke Reduzierungen.

  • Wenn es um Subventionen von Betrieben geht werden Hardcore-Sozialisten ganz schnell zu Hardcore-Neoliberalisten und sprechen sich gegen jede finanzielle Steuerung der Wirtschaft aus.

  • Die Industrie fertigt in Deutschland Klimaschädliche Produkte und wir sollen dann auch noch die Stromrechnung zahlen? Gehts noch? Die Industrie soll besser aufhören Klimakiller am Fliessband zu produzieren. Das wäre Klimaschutz

    • @V M:

      Willkommen in der Steinzeit.



      Waschmaschine? Brauche mer nit



      Kühlschrank? Brauche mehr nit



      Rohstoffe wie Metall oder Beton? Brauche mer nit, schreien zwar nach Neubau, aber wen interessiert schon das dafür auch Material gebraucht wird…



      Solarpanele? Come on, völlig überflüssig

      Etc.

      Tschuldige, aber klimaschädliche Produkte sind schlicht notwendig und nicht vermeidbar…

  • Definiere ' Übergewinnsteuer'.



    Gibt's eigentlich gar nicht so einen Übergewinn, gell?

    • @Tom Farmer:

      1) Stimmt!



      2) Gewinne lassen sich fast beliebig gegen 0 rechnen, wie die großem Konzerne es uns täglich vormachen.



      Fazit: Schöne Worte aber nicht umsetzbar.

  • Das nennt man wahrscheinlich eine Interventionsspirale. Die Energiekosten sind in Deutschland durch politische Entscheidungen (hohe Steuern & Abgaben, Atomausstieg) höher als anderswo. Als Antwort darauf soll es jetzt noch mehr staatliche Intervention mit der Deckelung des Preises geben, obwohl damit mittel- und langfristig nichts gelöst wird. Stromtrassen und Speicher für erneuerbare Energie entstehen so jedenfalls nicht und Geld kann man nur einmal ausgeben. Mit dem Deckel verschieben wir das Problem also nur, aber ermöglichen Robert Habeck vielleicht noch die Kanzlerkandidatur - ist es uns das ganze Geld wert?

  • Ich glaube nicht dass eine Übergewinnsteuer ausreichen würde um den Industrieom zu subventionieren. Ausserdem, wer generiert denn die Übergewinnsteuer? Richtig, die Industrie. Hier beisst sich die Katze in den Schwnaz.



    Ausserdem, was die Ausbauziele der Erneuerbaren angeht: Die Ausbauziele reichen nicht, wir müssen ausserdem bis 40 GW gaskraftwerke bauen um dann Sztom zu erzeugen wenn der Wind nicht whet und die Sonne nicht scheint,. Die kosten einen Haufen Geld und werden sich nicht rentieren weil sie nicht dauernd in Betrieb sind. Das treibt die Kosten für Erneuerbare weiter in die Höhe. Oder wir importieren weiter teuren Strom aus dem Ausland so wie wir es jetzt machen. Effiziente Speichertechnologien sind wohl noch zehn oder mehr Jahre von der Verwirklichung entfernt und helfen hier nicht. Ich habe von der Regierung allerdings auch noch nicht gehört dass da z.B. große Forschungsprogramme aufgelegt werden um diese Probleme anzugehen. Die scheinen zu glauben dass sich technische Entwicklung irgendwie umsonst abspielt.



    Leider fehlt insbesondere bei den Grünen der technische und wirtschaftliche Sachverstand für diese Themen nahezu vollständig. Da sind keine Lösungen zu erwarten. Die Strompreise bleiben also hoch, die Industrie wandert ab, Arbeitsplätze verschwinden und die AfD ist heute in Thüringen schon bei 34% angelangt. Macht einfach so weiter...

  • Eine allgemeine Übergewinnsteuer? Das nennt sich wohl Steuererhöhung.



    Und warum sollte der Strompreis durch erneuerbare Energien sinken? Das EEG subventioniert immer noch Wind und Solar. Da scheint ja kein billiger Strom in Sicht.

  • Nette Idee.



    Jetzt müsste man nur noch wissen, was Übergewinn ist und wie er errechnet wird. Und es müsste Einigkeit in Deutschland über die Definition und Erhebung herrschen.

    Wie das aussehen kann, zeigt die Situation bei der Erbschaftssteuer, die klar zeigt, dass Haben vor Sein geht und sehr viel Einfluss hat.

    Wenn wir weiterhin Industrie in Deutschland haben wollen, werden Subventionen gezahlt werden und die werden aus den Taschen der Bürgerinnen und Bürger finanziert werden. Da wir auch noch die Subventionen für die Privathaushalte finanzieren müssen, wir die Freude über die Energiepolitik ein Ende finden.