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Habeck und Geywitz beim FernwärmegipfelFernwärme als Nahlösung

Wer sich an ein öffentliches Wärmenetz anschließen lässt, könnte sich den Heizungstausch sparen. Doch auch bei der Fernwärme ist noch einiges zu tun.

Fernwärmeleitung entlang der Emscher in Essen, Nordrhein-Westfalen Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Berlin taz | Botschaften wie diese könnten die erregte Heizungsdebatte etwas entspannen: 100.000 Gebäude sollen jährlich zusätzlich an Fernwärmenetze angeschlossen werden, erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag. Für die darin gelegenen Wohnungen wäre das Problem auf einfache Art gelöst, wenn die alten Öl- oder Gasheizungen kaputtgehen.

Fernwärme heißt so, weil das heiße Wasser aus zentralen Anlagen durch dicke Rohre in die einzelnen Gebäude geliefert wird. Die Wärme entsteht nicht erst im Heizkessel im jeweiligen Keller. Eine positive Folge: Die Im­mo­bi­li­en­be­sit­ze­r:in­nen brauchen sich nicht individuell die Köpfe über die Renovierung ihrer Heizungen zu zerbrechen. Da gibt es allerdings einiges zu tun. Nur knapp ein Siebtel ist mit einem Fernwärmenetz verbunden. In Ostdeutschland sieht man die Rohre häufiger als im Westen.

Geywitz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben Anfang der Woche ihren sogenannten Fernwärme-Gipfel veranstaltet, unter anderem mit Wirtschafts-, Verbraucher- und Immobilienorganisationen. Fernwärme bietet perspektivisch eine Variante für den Austausch fossil befeuerter Kessel und die Bereitstellung klimaneutraler Wärme – neben Wärmepumpen und weiteren Techniken. Die Bundesregierung arbeitet momentan an ihrem Gesetz zur städtischen Wärmeversorgung und am Gesetz zum Austausch fossiler Heizungen bis 2045.

Eine Festlegung in der Gipfel-Erklärung dürfte viele private Im­mo­bi­li­en­be­sit­ze­r:in­nen besonders interessieren: Wer sich an ein geplantes Fernwärmenetz anschließen lassen will, „sollte von der Pflicht zum Einbau einer Heizung befreit werden, die die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien erfüllt“. Neu ist das allerdings nicht: Eine solche Ausnahme sieht die Bundesregierung auch schon in ihrem bisherigen Entwurf für das neue Heizungsgesetz vor.

Zwei Drittel fossile Fernwärme

„Die Vertreterinnen und Vertreter des heutigen Treffens haben bekräftigt, dass bis 2030 insgesamt die Hälfte der Wärme in den Netzen klimaneutral erzeugt werden soll“, sagte Habeck.

Die Wärme in den Fernwärmenetzen stammt bisher allerdings auch noch zu zwei Dritteln aus fossil befeuerten Kraftwerken. Wie also kann die Fernwärme klimaneutral werden? Eine Zukunftstechnologie seien strombetriebene „Großwärmepumpen“, die die Wärme beispielsweise aus der Umgebungsluft gewönnen, schreibt die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in einer aktuellen Studie.

Weiterhin nennt diese Beratungseinrichtung der Bundesregierung „Geo- und Solarthermie als zentrale Energiequellen“. Geothermie bedeutet, dass zum Beispiel heißes Wasser in tiefen Gesteinsschichten angezapft wird. Hinzu kämen Biomasse in der Landwirtschaft, Abwärme von Industrieanlagen und auch etwas grüner Wasserstoff, schätzt die Dena. Auf diese Art könnten künftig 25 Prozent des Wärmebedarfs durch Fernwärme gedeckt werden.

Solche Größenordnung hält auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) für realistisch. In ihm sind die kommunalen Stadtwerke organisiert, die die Fernwärme heute wesentlich bereitstellen. Allerdings müssen die meisten Städte und Gemeinden den Ausbau dieser Netze erst einmal entwerfen. Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll in Städten ab 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen die Wärmeplanung bis Ende 2025, auf jeden Fall aber bis Ende 2027 fertig sein, in kleineren Städten spätestens Ende 2028.

Manche Kommunen haben schon losgelegt

Vor diesem Hintergrund hält es der VKU aber für ausgeschlossen, dass die Netze schon 2030 zu 50 Prozent klimaneutrale Wärme liefern, wie die Regierung anpeilt. Dafür brauche man mehr Zeit und Geld, sagt der Verband. Statt den bisher vorhandenen drei Milliarden Euro bis 2026 fordert der Stadtwerke-Verband eine entsprechende Summe pro Jahr. Die Dena geht etwas kleiner ran. Nach deren Berechnungen würde bis 2045 etwa eine Milliarde Euro jährlich reichen, um die kommunale Fernwärme klimaneutral auszubauen.

Eine weitere heikle Frage betrifft die Konkurrenz der Fernwärmenetze zu individuellen Heizungen. Die zentralen Anlagen und Rohrleitungen sind teuer – sie lohnen sich nur, wenn sich möglichst viele Haus­ei­gen­tü­me­r:in­nen und Firmen anschließen.

„Es muss geregelt werden, dass im Regelfall auch ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, um die Wirtschaftlichkeit der Systeme zu sichern“, sagte Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Beim VKU hieß es, dann sollte der Staat nicht gleichzeitig auch den Einbau individueller Wärmepumpen fördern.

Solche Details sind zu klären. Wobei manche Kommunen schon losgelegt haben. So plant München Geothermie-Kraftwerke, Mannheim die Nutzung industrieller Abwärme und Halle an der Saale eine Fluss-Wärmepumpe.

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17 Kommentare

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  • Was mich interessieren würde: ist Fernwärme energetisch der beste Weg zur Wärmeerzeugung fürs Heizen?

  • Fassen wir zusammen :

    Wenn die neuen EU-Gesetzgebungen durchgehen besteht ein genereller Sanierungszwang der eigenen Bude. Und wenn der, warum auch immer, nicht greift kommt Robert um die Ecke und sorgt dafür das es greift. Geschenkt, dann sind halt 100 000k und mehr halt in anderen Taschen gelandet und die Bank hat einen Schuldner mehr in der Kartei.

    Jetzt konkurriert die Fernwärme mit den Wärmepumpen um die Wette, beide größtenteils noch mit fossilen Mitteln mit Energie versorgt. Wie sich das zukünftig ändern soll weiss keiner so genau, da gibts nur Planspiele auf Zeichenbrettern.



    Und weil jeder Häuslebesitzer, der jeden EU-Rubel kalkulieren muss, mit Berliner Jubelmeldungen und "Zukunftsvisionen" immer weniger anfangen kann kommt man sowohl aus politischen als auch wirtschaftlichen Kreisen mit Anschlusszwängen um die Ecke.

    Das ist phänomenal ! Das schafft Vertrauen ! Das prügelt dem Bürger Klimaschutz immer mehr ins Bewusstsein (ob er will oder nicht) !



    Und es bringt der AfD weiteren Zulauf. Geliefert wie bestellt.

    • @SeppW:

      es gibt einfach Wohnlagen da macht Fernwärme Sinn und andere da machtn die Wärmepumpe Sinn, wenn nämlich der Fernwärmeanschluss nicht kommen wird weil zu weit weg und zu teuer.

  • Wenn schon unabweislich ein Anschlusszwang kommt, ist dieser mit einem Einspeiserecht von Solarthermie oder regenerativer Wärme in das Fernwärmenetz mit fairer Vergütung der Energiemenge zu verbinden; ein beinahe Einspeisezwang. Dann könnte sich sogar der Umbau der Fernwärme auf regenerative Wärmeerzeugung bis 2030 beschleunigen und auf 65% ansteigen, womit die gleiche "rote" Linie wie bei den Fossilen erreicht würde.

  • Wo besteht nun die Gleichsetzung von Umrüstung auf Wärmepumpe mit mindestens 65 %-igem sofortigem regenerativem Anteil und Fernwärme ohne sofortigem regenerativem Anteil, oder nur 50 %-igem bis 2030?



    Da sollte doch jeder Kohle, Atomkraftwerksbetreiber, Heizöl- und Erdgasjunkie auch auf eine Deckung des regenerativen Anteils bis 2030 drängen.

    Das ist natürlich nicht hilfreich für eine Wärmewende und Erlangung des 1,5° oder 2°-Ziels, aber bitte doch gleiche Wirtschaftsbedingungen für alle, zumal die Betreiber im VKU mehr Mittel zur Verfügung hätten, als der kleine Häuslebauer und -betreiber.

    Da kommt eben mal wieder der nützliche Einfluss von Lobby

  • "„Es muss geregelt werden, dass im Regelfall auch ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, um die Wirtschaftlichkeit der Systeme zu sichern“, sagte Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Beim VKU hieß es, dann sollte der Staat nicht gleichzeitig auch den Einbau individueller Wärmepumpen fördern."

    Das zeigt mal wieder, wie unglaublich inkompetent der VKU unterwegs ist und sein Geschäftsmonopol absichern muss, damit der Wettbewerb ganz sicher ausgeschlossen bleibt. Gar nicht im Sinne der FDP; der Markt (Wettbewerb?) wird es richten, oder so ähnlich.



    Da befindet sich der VKU aber ganz nah an Strategien von Ländern mit Sozial- und Kommunismus; DDR, Russland, und wie sie alle heißen. Planwirtschaft im Kleide von Kartellen und mafiosen Geschäftsgeflechten.



    Aber was hilft es, wenn der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindetages kein besseres Geschäftsmodel zu bieten hat. da ist vermutlich auch schon lange eine Fortbildung ausständig. Kein Wunder bei den vielen Tagungen innerhalb des Städte- und Gemeindebundes.

  • "Anschlusszwang" und schon bin ich dagegen.

    • @DiMa:

      "Nutzungszwang" und schon kann der Fernwärmeanbieter die Preise in ähnlich astronomische Höhen wie für Strom jagen.

    • @DiMa:

      Da haste grad ne Waermepumpe drin, Solar auf dem Dach und das ganze Haus saniert, weit ueber 100 tsd Euro ausgegeben und dann kommt der Zwangsanschluss fuers Waermenetz.



      Das ist doch nur noch reine Verarschung.

      • @elektrozwerg:

        Genau diese Situation befürchte ich auch - erst Verpflichtung zur WP durch



        GEG und anschließend Fernwärme-Anschlußzwang



        durch kommunale Satzung.



        Wer wird durch diese Diskussionen



        nicht verunsichert ?

      • @elektrozwerg:

        Jupp, genau aus diesem Grund.

      • @elektrozwerg:

        da wäre ich an Ihrer Stelle entspannt, da Sie ja - Stand heute - alles richtig gemacht haben: keine Regel ohne Ausnahme.

      • @elektrozwerg:

        Absolut richtig!



        Viel wissen das nicht: Bei Fernwärme ist es total egal wie viel Wärme man abnimmt, und der Strom ist auch gleich gratis mit dabei.

      • @elektrozwerg:

        Ist es. Denn sie wissen nicht, was sie tun.

      • @elektrozwerg:

        Das ist Grüne Politik.

      • @elektrozwerg:

        Na das ist aber nicht richtig. Denn wer schon saniert hat kann einem Anschlusszwang nicht unterliegen, der nur dann anfällt, wenn noch nicht saniert wurde.

        • @Sonnenhaus:

          Und was wird wohl passieren, wenn sich dann ein Fermwaermenetz nicht rechnet, weil zuwenig Leute angeschlossen werden koennen?

          Die Sanierungauflagen werden erhoeht, damit weniger Leute von der Fernwaerme befreit sind.