Habeck und Geywitz beim Fernwärmegipfel: Fernwärme als Nahlösung
Wer sich an ein öffentliches Wärmenetz anschließen lässt, könnte sich den Heizungstausch sparen. Doch auch bei der Fernwärme ist noch einiges zu tun.
Fernwärme heißt so, weil das heiße Wasser aus zentralen Anlagen durch dicke Rohre in die einzelnen Gebäude geliefert wird. Die Wärme entsteht nicht erst im Heizkessel im jeweiligen Keller. Eine positive Folge: Die Immobilienbesitzer:innen brauchen sich nicht individuell die Köpfe über die Renovierung ihrer Heizungen zu zerbrechen. Da gibt es allerdings einiges zu tun. Nur knapp ein Siebtel ist mit einem Fernwärmenetz verbunden. In Ostdeutschland sieht man die Rohre häufiger als im Westen.
Geywitz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben Anfang der Woche ihren sogenannten Fernwärme-Gipfel veranstaltet, unter anderem mit Wirtschafts-, Verbraucher- und Immobilienorganisationen. Fernwärme bietet perspektivisch eine Variante für den Austausch fossil befeuerter Kessel und die Bereitstellung klimaneutraler Wärme – neben Wärmepumpen und weiteren Techniken. Die Bundesregierung arbeitet momentan an ihrem Gesetz zur städtischen Wärmeversorgung und am Gesetz zum Austausch fossiler Heizungen bis 2045.
Eine Festlegung in der Gipfel-Erklärung dürfte viele private Immobilienbesitzer:innen besonders interessieren: Wer sich an ein geplantes Fernwärmenetz anschließen lassen will, „sollte von der Pflicht zum Einbau einer Heizung befreit werden, die die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien erfüllt“. Neu ist das allerdings nicht: Eine solche Ausnahme sieht die Bundesregierung auch schon in ihrem bisherigen Entwurf für das neue Heizungsgesetz vor.
Zwei Drittel fossile Fernwärme
„Die Vertreterinnen und Vertreter des heutigen Treffens haben bekräftigt, dass bis 2030 insgesamt die Hälfte der Wärme in den Netzen klimaneutral erzeugt werden soll“, sagte Habeck.
Die Wärme in den Fernwärmenetzen stammt bisher allerdings auch noch zu zwei Dritteln aus fossil befeuerten Kraftwerken. Wie also kann die Fernwärme klimaneutral werden? Eine Zukunftstechnologie seien strombetriebene „Großwärmepumpen“, die die Wärme beispielsweise aus der Umgebungsluft gewönnen, schreibt die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in einer aktuellen Studie.
Weiterhin nennt diese Beratungseinrichtung der Bundesregierung „Geo- und Solarthermie als zentrale Energiequellen“. Geothermie bedeutet, dass zum Beispiel heißes Wasser in tiefen Gesteinsschichten angezapft wird. Hinzu kämen Biomasse in der Landwirtschaft, Abwärme von Industrieanlagen und auch etwas grüner Wasserstoff, schätzt die Dena. Auf diese Art könnten künftig 25 Prozent des Wärmebedarfs durch Fernwärme gedeckt werden.
Solche Größenordnung hält auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) für realistisch. In ihm sind die kommunalen Stadtwerke organisiert, die die Fernwärme heute wesentlich bereitstellen. Allerdings müssen die meisten Städte und Gemeinden den Ausbau dieser Netze erst einmal entwerfen. Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll in Städten ab 100.000 Einwohner:innen die Wärmeplanung bis Ende 2025, auf jeden Fall aber bis Ende 2027 fertig sein, in kleineren Städten spätestens Ende 2028.
Manche Kommunen haben schon losgelegt
Vor diesem Hintergrund hält es der VKU aber für ausgeschlossen, dass die Netze schon 2030 zu 50 Prozent klimaneutrale Wärme liefern, wie die Regierung anpeilt. Dafür brauche man mehr Zeit und Geld, sagt der Verband. Statt den bisher vorhandenen drei Milliarden Euro bis 2026 fordert der Stadtwerke-Verband eine entsprechende Summe pro Jahr. Die Dena geht etwas kleiner ran. Nach deren Berechnungen würde bis 2045 etwa eine Milliarde Euro jährlich reichen, um die kommunale Fernwärme klimaneutral auszubauen.
Eine weitere heikle Frage betrifft die Konkurrenz der Fernwärmenetze zu individuellen Heizungen. Die zentralen Anlagen und Rohrleitungen sind teuer – sie lohnen sich nur, wenn sich möglichst viele Hauseigentümer:innen und Firmen anschließen.
„Es muss geregelt werden, dass im Regelfall auch ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, um die Wirtschaftlichkeit der Systeme zu sichern“, sagte Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Beim VKU hieß es, dann sollte der Staat nicht gleichzeitig auch den Einbau individueller Wärmepumpen fördern.
Solche Details sind zu klären. Wobei manche Kommunen schon losgelegt haben. So plant München Geothermie-Kraftwerke, Mannheim die Nutzung industrieller Abwärme und Halle an der Saale eine Fluss-Wärmepumpe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke