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Warnstreik in DeutschlandÜber allen Gleisen ist Ruh

Wegen des Streiks sind die Bahnhöfe gespenstisch leer. Nur ein paar Reisende suchen verzweifelt nach einer Reisemöglichkeit. Selbst auf Autobahnen ist weniger los.

Keiner da: der Berliner Bahnhof Friedrichstraße am Montagmorgen Foto: Paul Zinken/dpa

Kaum Verkehr auf den Autobahnen in NRW

Dortmund taz | Trotz flächendeckender Streiks bei der Bahn, den lokalen Verkehrsbetrieben und an den Flughäfen ist in Nordrhein-Westfalen am Montagmorgen das befürchtete Verkehrschaos auf den Autobahnen ausgeblieben: Entgegen vielen Erwartungen waren die Fernstraßen im bevölkerungsreichsten Bundesland mit seinen rund 18 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen weitaus leerer als an einem durchschnittlichen Start in die Woche.

So meldete der WDR zur Rush-Hour im morgendlichen Berufsverkehr in seinem Verkehrslagebericht um 7:00 Uhr gerade einmal 65 Kilometer Stau landesweit. Um 8:00 Uhr waren es sogar nur noch 38 Kilometer – dabei sind im sonst oft dicht vor dem Verkehrsinfarkt stehenden NRW an einem durchschnittlichen Montagmorgen durchaus 150 bis 200 Kilometer Stau möglich.

Doch offenbar setzten viele Pendler:innen, die seit Tagen auf allen Kanälen vor dem drohenden Verkehrschaos gewarnt worden waren, wie in Coronazeiten aufs Homeoffice, hatten Urlaub genommen – oder stiegen innerstädtisch auf alternative Verkehrsmittel wie das Fahrrad oder E-Scooter um.

Gespenstig leer blieben auch die Bahnhöfe. „Zug fällt aus“ stand auf der großen-Info-Tafel des Dortmunder Hauptbahnhofs um 06:30 Uhr hinter allen Verbindungen. Dass auf der wichtigen Strecke von Berlin über das Ruhrgebiet ins Rheinland nicht nur im Fernverkehr, sondern auch bei Regional- und S-Bahnen gar nichts mehr ging, sagte auch eine Lautsprecherstimme immer wieder an. Menschenleer war auch der Bahnhofsvorplatz in Köln. In den großen Hallen der Hauptstation der Domstadt waren ebenfalls nur wenige Leute unterwegs.

Denn auch bei den innerstädtischen Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen ging in NRW am Montagvormittag nichts mehr. So stellten die lokalen Verkehrsbetriebe etwa in Köln, Bonn, Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen den Betrieb komplett ein.

Bei der Ruhrbahn in Essen und Mülheim galt am Montag ein Streikfahrplan, nach dem nur die Nachtexpresslinien im Stundentakt fuhren. Auch in Bielefeld waren keine einzige Stadtbahn und nur wenige Busse unterwegs. Von Münsters Stadtwerken hieß es, dass mindestens die Hälfte der Busse ausfalle – der Rest der Linien wurde von privaten Fremdfirmen bedient.

Auch an den Flughäfen ging am Montag wenig bis nichts. In Dortmund bewegte sich keine Maschine, rund 50 Flüge fielen aus oder wurden umgeleitet. Lahmgelegt war auch der Airport Köln/Bonn: „Hier ist alles dicht. Das ist jetzt ein ökologischer Flughafen“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Frank Michael Munkler.

Ebenfalls gecancelt wurden viele Flugbewegungen am größten NRW-Airport Düsseldorf: Statt 330 Starts und Landungen werde es wohl nur 69 Flugbewegungen geben, erklärte ein Flughafensprecher. Voll war es dagegen am nicht bestreikten Flughafen Münster/Osnabrück: Der sonst oft verwaiste Airport übernahm jeweils 20 Starts und Landungen anderer Standorte.

Nichts los am Berliner Hauptbahnhof

Berlin taz | Es ist ungewöhnlich still an diesem Montagmorgen am Berliner Hauptbahnhof. Nur wenige Menschen sind unterwegs, die Bahnsteige für den Fernverkehr und für die S-Bahnen schlicht leer. Dass gestreikt wird, steht auf den digitalen Anzeigen, in Dauerschleife gibt es Durchsagen. Die meisten Pend­le­r:in­nen und Reisenden haben sich offenbar gut auf den Ausfall vorbereitet und sind auf Alternativen ausgewichen.

Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Bahn sind weit und breit nicht zu sehen, die meisten Informationsschilder nur auf Deutsch. Und genau dies stellt einige ausländische Tou­ris­t:in­nen vor echte Herausforderungen. Ein Norweger, der auf dem Weg zu seiner Familie nach Kopenhagen ist, hat erst von Jour­na­lis­t:in­nen erfahren, dass gestreikt wird und alle Züge ausfallen.

Etliche Kamerateams sind auf der Suche nach Betroffenen, nach guten Bildern. Mehr als vereinsamte Bahnsteige gibt es aber nicht zu filmen. Auch zwei Backpacker auf dem Weg nach Prag wurden von der Lage überrascht. Während der Norweger noch einen Tag in Berlin dranhängen will, ist es für die beiden jungen Leute nicht ganz so einfach. Sie wollen weiter auf ihrer Tour durch Europa.

Trotzdem: Solidarisch sind alle mit den Streikenden. Wie auch viele Berliner:innen. Wenig überraschend ist die U-Bahn U5, die direkt am Hauptbahnhof endet, völlig überfüllt. „Streik muss sein“, sagt einer, der jetzt zur Tram hetzt, um den Anschluss noch zu erwischen.

Ein paar Streikende am Hamburger Hauptbahnhof

Hamburg taz | Der Hamburger Hauptbahnhof zeigte sich am Montagmorgen nahezu menschenleer. Einige wenige Wartende hatten vergessen oder nicht mitbekommen, dass gestreikt wird. Auf den Anzeigetafeln wurden zunächst noch Regionalzüge in die umliegenden Städte sowie auch wenige Fernverkehrszüge angezeigt, die fahren sollten. Gegen halb neun änderte sich dies jedoch. Die Tafeln blieben von da an leer. „Ich gehe davon aus, dass hier heute kein Zug fährt“, sagte ein DB-Mitarbeiter auf einem Gleis.

Als zahlreiche Streikende der EVG in orangen und roten Warnwesten und mit Fahnen und Bannern gegen kurz nach 8 Uhr vom südlichen Bahnhofsgang aus in Richtung Innenstadt, dann zum nördlichen Bahnhofsteil durch die Wandelhalle und über leere Gleise durch den ganzen Bahnhof zurückliefen, bekamen davon nur wenige etwas mit, da am Bahnhof trotz Pendlerzeit kaum Menschen unterwegs waren. Die Streikenden aus verschiedenen Arbeitsbereichen der Bahn ließen die Hallen mit Trillerpfeifen und Hörnern und der wiederholten Forderung nach mindestens 650 Euro mehr monatlichem Lohn erschallen.

Das DB-Reisecenter öffnete am Morgen noch bei überschaubarem Andrang. Allerdings um 8 statt um 6 Uhr.

Eine einsame Bahn in Karlsruhe

Karlsruhe taz | Die S1 zieht einsam im 20 Minutentakt ihre Kreise. Es ist die einzige Bahnlinie, die zuverlässig vor dem Karlsruher Hauptbahnhof hält. Warum die S1? Sie ist eine von drei Linien in Karlsruhe, die von der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) betrieben wird und auf deren eigenen Gleisen fährt. Bei der AVG gab es schon im November einen Tarifabschluss, dort herrscht Friedenspflicht. Die Fahrgäste aus dem nahegelegenen Bad Herrenalb wissen es zu schätzen. Die Wagons sind gut gefüllt.

In der Bahnhofshalle herrscht dagegen gähnende Leere, nur wenige Fahrgäste sind gestrandet, eine Frau berichtet am Handy von ihrer Irrfahrt bis jetzt: Von hier komm ich jetzt nicht mehr weiter, berichtet sie ihrer Gesprächspartnerin am anderen Ende der Leitung.

„Erschreckend leer war's hier heute Morgen“, findet selbst Gewerkschaftssekretär Fabian Pangsy am Streikposten. In Karslruhe sind vom DB-Streik der EVG vor allem die vielen Pendler in die Landeshauptstadt Stuttgart getroffen. Anders als beim Streik 2018, als man von manchen Fahrgästen bespuckt worden sei, gab es diesmal wenig Unmut, findet Pangsy. Er glaubt, es liegt an der Länge des Streiks. Auf 24 Stunden Auszeit könnten sich die Reisenden besser einstellen als auf acht Stunden wie damals.

In Stuttgart nutzt die Letzte Generation den Ausstand für eine Aktion gegen den PKW-Verkehr. Sieben Aktivistinnen und Aktivisten stürzten sich mit einem Holzgestell in der Größe eines Autos in den Verkehr auf den Stuttgarter Durchgangsstraßen. Die Folgen für den Verkehr blieben nach Angaben der Polizei aber überschaubar.

Der Flughafen der Landeshauptstadt wurde weitgehend lahm gelegt. Nach Angaben des SWR entfallen 170 Flüge.

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7 Kommentare

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  • Über allen Gleisen ist Ruh



    über den Straßen spürest du



    kaum einen Hauch



    (außer dasses hagelt wie irre)



    die Pendler, sie murren am Halt



    warte nur bald



    murrest du auch

    Pendlers Morgenlied

  • Die Bild gleich mit bestreiken. Die Schlagzeile war heute mal wieder eine Frechheit.

    • @Andreas J:

      Sie war der Realität entsprechend. So gut wie keinen hat der Streik interessiert. Man ist dank Corona ja inzwischen äusserst flexibel geworden und weiss selbst wenige Tage Puffer vor Streikbeginn effektiv zur Umplanung zu nutzen.

      Meinetwegen kann der ÖPNV auch ein oder zwei Wochen am Stück streiken. Ich würde es nicht mal merken.

      • @SeppW:

        Was hat es mit der Realität zu tun Stimmung gegen die Streikenden zu machen und ihnen in den Rücken zu fallen? Die Bild hat also ihrer Meinung nach recht. Kennen sie überhaupt die Schlagzeile?

        • @Andreas J:

          Die Schlagzeile hiess sinngemäß das "der Streik bestreikt wird". Sprich die Bevölkerung stellt sich auf die Streiks ein, fährt mit dem Auto oder arbeitet von zu Hause. Sprich das prognostizierte Chaos und die Wut gegen die Obrigkeiten des ÖPNV ist ausgeblieben. Dem Bürger juckts nicht, er hat auch keinen Verdruss gegenüber den Streikenden. Das kann man ja schon halb als Zustimmung für die Streikenden werten.

          Werter Andreas, die Zeiten haben sich seit Corona nun mal geändert. Der ÖPNV ist nicht mehr der systemrelevante Elefant im Raum.Er führt ein Nischendasein, noch hinter dem Individualverkehr.

          Das ist die Realität. Und damit müssen Sie sich abfinden. Daran würde auch ein wochenlanger Streik beim ÖPNV nichts ändern.

  • ‚ „Hier ist alles dicht. Das ist jetzt ein ökologischer Flughafen“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Frank Michael Munkler‘



    Hätte Herr Munkler nur etwas weitergedacht, wären ihm diese Worte wohl im Munde steckengeblieben! Denn auch ohne Streik geht es mit dem Luftverschmutzer „Luftfahrt“ allmählich dem Ende zu. Zumindest jeder taz-Leser sollte es aus diversen Beiträgen mitbekommen haben. Denn wenn die DB (nach dem Streik und dann hoffentlich bald) zum verlässlichen und erschwinglichen Verkehrsmittel wird und dies die Passagiere realisieren, wird der Trend weg vom Flugzeug voll einsetzen. Dann werden die Flughäfen auch ohne Streik immer „ökologischer“!



    Hoffentlich haben dann die Gewerkschaften bessere Ideen, als die Luftfahrt-Beschäftigten in den dann aussichtslosen Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze und Lohnerhöhungen zu schicken. Denn wenn die Kunden ausbleiben, gibt es nichts mehr zu tun und nichts mehr zu verdienen!

  • Da hat sich der Streik ja wirklich gelohnt. Nicht.