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CO2-Countdown für die AmpelregierungUnser ganz privates Restbudget

In Washington zeigen Ampeln, wieviel Zeit zur Straßenüberquerung bleibt. Unser Autor fragt: Wäre so eine Anzeige was für die deutsche Klimapolitik?

7… 6… 5… Foto: Fahroni/imago

E s geht um Sekunden. 53…52…51… läuft die Digitalanzeige vor mir herunter. Wenn ich jetzt noch die Pennsylvania Avenue überqueren will, ohne von einem SUV zerquetscht zu werden, muss ich einen Schritt zulegen. Dann mal schnell…48…47…46… Die haben aber auch breite Straßen hier in Washington…42…41…40…

Über die USA lässt sich gut schimpfen, besonders bei einem Recherchebesuch zu Öko-Themen. Die Menschen jammern über hohe Spritpreise und lassen einfach immer die Motoren ihrer Busse und Autos laufen. Die rote Hälfte glaubt immer noch nicht an den Klimawandel, auch wenn ihnen Kalifornien unter den Füßen wegbrennt…37… Sie lassen alle Lichter an, auch wenn keiner zu Hause ist, ihre Straßenpanzer sind noch größer als bei uns, sie verbieten ungefährliche Bücher und verherrlichen gefährliche Menschen.

32…31…30… Aber dieses Amerika hat auch vorbildliche Seiten: ein Mega-Investitionsprogramm für Klimaschutz und Infrastruktur, eine dynamische Öko-Entschlossenheit in der blauen Hälfte der Bevölkerung; so viel Geld, Mut und Zukunftslust, dass man manchmal an die Rettung der Welt glauben kann. Und vor allem: Fußgängerampeln, die dir sagen, was deine Stunde geschlagen hat …27…26…

Das ist der Budget-Ansatz für das persönliche Verhalten. Totale Individualisierung der Welt- oder Selbstrettung. Schaffe ich es noch bis zur Ecke, ehe mir ab Sekunde 10 eine rote Hand „STOP“ entgegenblinkt? Und halte ich dann an – oder schlendere ich cool vor dem schulterhohen Kühler dieses Pickup-Trucks über den bröckeligen Asphalt? …15…14…

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Persönliche Anzeige des Restbudgets

Wirklich innovativ wäre die drastisch-plastische Ermahnung, wie schnell uns die Zeit davonrennt: …11…10… Eine CO2-Uhr fürs Weltklima, wie sie auch die taz hat, schön und gut. Aber noch schöner und besser wären ganz persönliche Endzeit-Erinnerungen. Ein Tacho im Auto, der nicht angeberisch 130 Stundenkilometer in der Spielstraße zeigt, sondern die ausgestoßenen Gramm an CO2, Stickoxiden und Ruß.

Ein Thermostat an der Heizung, das für jede Einstellung deren Beitrag am Klimakillen durchs Gas beklagt …7…6…5… Eine App auf dem Handy, die mich vielleicht schon im Juli daran erinnert, dass ich alle nachwachsenden Rohstoffe aufgebraucht habe, die mir für dieses Jahr global zustehen. Und die mir gleich einen Platz für den ressourcenschonenden Winterschlaf für den Jahresrest zuweist.

Ein Zettel in jeder Steak-Verpackung, wieviel Hektar Regenwald dafür gefallen sind …4…3… Eine knallrote Grafik auf jedem Flugticket, dass der Flug nach Washington und zurück schon mein persönliches CO2-Jahresbudget doppelt aufgebraucht hat.

…STOP…STOP.... So sollte das gehen mit der Eigenverantwortung, die sich am persönlichen Straßenüberquerungsbudget orientiert. Könnten wir das nicht von einer Regierung verlangen, die sich offiziell „Ampelkoalition“ nennt? Da steht allerdings Rot fürs Bremsen, Grün fürs Voranmachen. Und Gelb kommt gar nicht vor. Tja, ist eben eine Ampel für Fußgänger.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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7 Kommentare

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  • Ich werde wegen nicht wirtschaftlicher sondern klimapolitischer Erfolglosigkeit mein fahrradbasiertes Handwerksunternehmen für Sanitär-Heizungs-Klima-Technik schließen. Mir haben Kunden angeboten, mich mit dem Auto abzuholen, weil es regnet.



    Bewusstsein für den Klimawandel? Dass ich nicht heule sondern lache, liegt daran, dass ich aufgegeben habe, meine geistige und körperliche Gesundheit für die Reduzierung von Emissionen zu riskieren, die andere nicht reduzieren können oder wollen.



    Es geht nicht um Dummheit oder Klugheit sondern um die unüberwindliche Macht der Verdrängung. Ohne diese Macht könnten weite Teile der Gesellschaft nicht existieren. Wir verdrängen die Aussichten auf die Katastrophen, die wir durch unseren Lebensstil mitverantworten. Wir verdrängen die Kriege, die Ungerechtigkeiten, die Ausbeutung in der Welt. Nur so ist zu erklären, warum wir glauben, dass mit ein bisschen Lastenrad, E-Auto und Seitan die Menschheit zu retten wäre.

  • Ich frage mich ohnehin, warum an den Ampeln in D keine Restanzeige vorhanden ist.

    Das würde vorrausschauendes Fahren fördern und das Abstellen des Motors auch.

  • Ich hab mich kürzlich mit einer 88 jährigen..und für ihr Alter sehr wachen Dame unterhalten...die noch nie etwas von einem Treibhauseffekt oder dem Problem mit dem CO2 Austoß..oder..oder gehört hatte. Also auf nach Teneriffa wie jedes Jahr... Und man kann es ihr nicht verdenken...

    Was ich damit sagen will.? Die angelaufene Klimakatastrophe ist im Bewußtsein mancher Menschen noch überhaupt nicht angekommen.. Und dem Verhalten nach zu urteilen, gilt das für sehr viele...und das in allen Altersgruppen.

    Es braucht also noch viel viel mehr Aufklärung und Feedback. Das Thema muß so lange durch die Medien bis auch der letzte Meister Petz aus seinem Winterschlaf erwacht ist..

    Dabei rede ich nicht von Doomismus, sondern nur von einer seriösen Darstellung der wissenschaftlichen Szenarien. Die sind schon schlimm genug...aber man kann Probleme eben nur lösen, wenn man ihnen ins Gesicht schaut. Und das können oder wollen viele halt NOCH nicht..

    Also alles was Sinn macht, sollte aktiviert werden: tägliche Aufklärung auf allen Kanälen...Feedback für die Ministerien, die Konzerne, die Fluggesellschaften und ja, dort wo es Sinn macht auch für jeden Einzelnen.

    Und vergessen wir bitte nicht den Sektor wo man am meisten einsparen könnte: den Verkehrssektor..also Klimaverbrauchsanzeigen in jedes Fahrzeug und Warnaufkleber auf die Karosse:

    " mit der Benutzung dieses Fahrzeugs zerstören Sie das Klima..ab einem Kilometerstand von 5000 ist ihr jährliches Budget aufgebraucht"..

    oder vielleicht:

    "diese Gurke fährt ein Klimaschurke"..

    (Dummheit speist sich zwei Quellen:



    a) Unwissenheit und



    b) Verwirrung...

    ...und an beiden Quellen können wir arbeiten)...

    • @Wunderwelt:

      Es wird also deshalb nicht genug gegen den Klimawandel getan weil zu viele Menschen von dem Problem noch gar nichts gehört haben und man erstmal Aufklärung betreiben muss? Diese These halte ich - vorsichtig ausgedrückt - für eher gewagt. "tägliche Aufklärung auf allen Kanälen" findet längst statt.

      • @Ingo Bernable:

        Ich halte es da mit der These: "nur wer seinen Worten auch Taten folgen lässt, darf für sich in Anspruch nehmen verstanden zu haben"..



        ..und demnach kann im Bewusstsein der Meisten noch nicht allzuviel angekommen sein.

        Denn wer im Angesicht der größten Katastrophe der Mensschheit, weiter immer noch größere Autos anschafft (wie letztes Jahr 40% der Neuzulassungen belegen), etc.tt. bei dem kann man schlicht nicht behaupten, dass er/sie verstanden hat worum es eigentlich geht..

        Wieviele Leute haben bis vor kurzem irgendwas über Kipppunkte gehört..und..und..

        Es geht halt nicht darum, dass man mal im Fernsehen von dieser Klimaerwärmung gehört, die irgendwann mal kommt (wenn man längst tot ist..)

        Nein..das Verständnis über das eigentliche (physikalische) Geschehen steckt bisher allenfalls in den Kinderschuhen.. Und die Bedeutung dessen, was da auf die Menschheit zukommt, haben bisher vlt 20% verstanden.

        Da ist noch sehr sehr sehr viel Aufklärungsarbeit nötig.

        Und was die praktische Umsetzung anbetrifft, braucht es sogar noch weit mehr Feedback.. Denn bisher fühlt sich kaum jemand VERANTWORTLICH - das ist das eigentliche Problem.!!

        Wissen ist eben nur das Eine..und Unwissenheit zu überwinden ist auch die eher leichte Aufgabe..



        ...viel aufwändiger und schwieriger ist es den Leuten aus ihrer Verwirrung zu helfen, die dieser Realitätsbruch bei ihnen auslöst.

        Und in einer Demokratie geht es eben auch nur so herum: erst wenn die Menschen bereit sind sich ihrer Verantwortung zu stellen, kann die Politik dem folgen. Im Moment erleben wir noch das Gegenteil: Politiker, die versuchen konsequente Massnahmen umzusetzen, laufen Gefahr, an den Wahlurnen abgestraft zu werden..

        Kurzum: da muss noch sehr viel mehr passieren..und wird es auch..unausweichlich..und je schneller desto besser..

        • @Wunderwelt:

          Man kann doch nun wirklich jeden Tag in jeder Zeitung (von den ganz rechten Postillen vielleicht mal abgesehen) etwas über die Klimakatastrophe lesen, in nahezu jeder Nachrichtensendung wird von irgendeiner Naturkatastrophe und deren Zusammenhang mit dem Weltklima berichtet, es gibt Dokus und Dossiers bis zum Abwinken, schon vor einem halben Jahrhundert wurden die 'Grenzen des Wachstums' in millionenfacher Auflage verkauft, unzählige NGOs und Initiativen werben seit Jahrzehnten ebenso um Aufmerksamkeit wie etwa ein Al Gore der sich unermüdlich und nach Kräften darum bemüht das Thema niederschwellig verständlich zu machen. Was also wollen sie noch tun um das Bewusstsein für die zwingend notwendigen Veränderugen in die Köpfe zu bekommen?

          • @Ingo Bernable:

            Was also wollen sie noch tun um das Bewusstsein für die zwingend notwendigen Veränderugen in die Köpfe zu bekommen?

            Ich hab da schon so einiges geschrieben. Aber noch Beispiel, was zeigt, wie weit die mediale Berichterstattung hinter der Realität zurück bleibt:

            Der Generalsekretär der UN Antonio Guterres hat kürzlich in einer Rede darauf hingewiesen, daß noch in diesem Jahrhundert mit etwa 900Mio Geflüchteten zu rechnen ist, die Aufgrund von überschwemmten Städten, ausgedörrten Böden, usw. ihre Heimat verlassen müssen. Die Staaten sollen sich lt Guterres darauf einstellen, diese Menschen bei sich aufzunehmen...

            Die ZEIT hat darüber berichtet..wer sonst noch?..und diskutieren wir jetzt darüber wieviele Geflüchtete D-Land aufnehmen muss?...und wie das gehen soll?..hat die taz darüber berichtet?...

            Ich wage also mal zu behaupten, daß das Klima Thema noch lange nicht die prominente Rolle in der täglichen Berichterstattung und den öffentlichen Diskursen einnimmt, die ihr zukäme...