Schutz von Indigenen im Amazonasgebiet: Brasilien geht gegen Goldgräber vor

Nach dem Regierungswechsel ist die Umweltbehörde zurück. Das bringt Hoffnung für Indigene, die von illegalen Goldgräbern bedroht werden.

Rauchschwaden steigen aus Bäumen im Regenwald empor. Ebenfalls zu sehen ist der braune Amazonas-Fluss

Das Floß von illegalen Goldgräbern wurde von der brasilianischen Umweltbehörde in Brand gesetzt Foto: Amanda Perobelli/rtr

BERLIN taz | Dicke graue Rauchschwaden steigen vor dem satten Grün des Amazonas-Regenwalds gen Himmel. Das brasilianische Umweltministerium veröffentlichte auf Twitter Fotos und Videos von ihren jüngsten Erfolgen im Kampf gegen illegale Goldgräber. Darauf zu sehen ist etwa ein brennendes Flugzeug. Darüber steht: „Die Ibama ist zurück.“ Die Ibama ist Brasiliens ausführende Umweltbehörde.

Seit dem Regierungswechsel am 1. Januar geht die Ibama verstärkt gegen illegale Goldgräber in Amazonien vor. Oft werden bei solchen Operationen die Geräte von Eindringlingen wie Flugzeuge oder Bagger in Brand gesetzt und so unbrauchbar gemacht. In Zusammenarbeit mit Armee und Polizei führen die Be­am­t*in­nen derzeit vor allem Einsätze im Gebiet der Yanomani-Indigenen an der Grenze zu Venezuela durch.

Das tief im Regenwald gelegene Reservat von der Größe der Schweiz ist streng durch die Verfassung geschützt, rund 35.000 Indigene sollen dort leben. In den letzten Wochen machten dramatische Bilder die Runde. Sie zeigen Kinder mit Hungerbäuchen und bis auf die Knochen ausgehungerte alte Menschen. Viele Indigene sind unterernährt und Hunderte Kinder starben an heilbaren Krankheiten, die oft von den garimpeiros, den Goldgräbern, eingeschleppt weden.

Bis zu 20.000 Goldgräber sollen das Gebiet der Yanomani belagert haben. Einige sind schwer bewaffnet und sollen enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen haben, das die Region als Drogenschmuggelroute nutzt. Regelmäßig kommt es zu gewaltsamen Konflikten mit Indigenen.

Goldgräber nutzen Quecksilber, das in den Fluss gelangt

Am Freitag äußerte sich der für die Operation verantwortliche Ibama-Funktionär Givanildo dos Santos Lima in der Tageszeitung Folha de São Paulo. Einige Goldgräber hätten nach den Einsätzen das Yanomani-Land verlassen, Tausende hielten sich jedoch weiterhin in dem Gebiet auf. Und es sollen sogar neue Eindringlinge in die Region vorgedrungen sein. Er fürchtet, dass es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen könnte. Die vollständige Räumung des Gebiets könnte über ein Jahr dauern.

Ein weiteres Problem: Die Goldgräber setzen bei ihrer Tätigkeit Quecksilber ein, um den Goldstaub zu binden. Die Reste landen im Fluss und vergiften die Fische, die von den Indigenen gegessen werden. Das hochtoxische Schwermetall kann zu lebenslangen Nervenschäden führen. Zehntausende Indigene werden schleichend vergiftet.

Dass die Situation so eskalieren konnte, hängt auch mit einem Mann zusammen: mit Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaros. Seine Regierung hatte mehr als 20 Hilfsgesuche der Yanomani ignoriert. Bolsonaro wollte hingegen Schutzgebiete für wirtschaftliche Aktivitäten öffnen und den illegalen Bergbau legalisieren. Für ihn sind die garimpeiros hart arbeitende Männer, die Respekt verdienen. Regelmäßig besuchte er ihre Gebiete und erzählte stolz, dass sein Vater selbst Goldsucher war. Der illegale Bergbau explodierte förmlich mit seinem Amtsantritt. Mittlerweile ermittelt die Justiz wegen unterlassener Hilfeleistung und Umweltzerstörung gegen ihn.

Neuer Präsident da Silva will 180-Grad-Wende bei der Umweltpolitik

Brasiliens neuer Präsident, Luiz Inácio „Lula“ da Silva, hatte im Wahlkampf versprochen, den illegalen Bergbau zu beenden und eine 180-Grad-Wende der Umweltpolitik einzuleiten. Und tatsächlich scheint es Lula ernst zu meinen: Ende Januar reiste er in die Region der Yanomani, besuchte ein indigenes Krankenhaus und übte scharfe Kritik an seinem Vorgänger. „Was ich in Roraima gesehen habe, war mehr als eine humanitäre Krise: ein Völkermord, ein vorsätzliches Verbrechen gegen die Yanomami, begangen von einer Regierung, die dem Leiden gegenüber unempfindlich ist“, schrieb er auf Twitter.

Seine Regierung rief den medizinischen Notstand aus und begann, Lebensmittel mit der Luftwaffe in das schwer erreichbare Gebiet zu fliegen. In einem Dekret teilte die neue Regierung mit, die von der Vorgängerregierung abgebauten Gesundheitseinrichtungen wiederherzustellen.

Bolsonaro hat viele Kontrollorgane und Behörden förmlich zerschlagen, indem er ihnen die ohnehin schon spärlichen Mittel kürzte und renommierte Ex­per­t*in­nen und Um­welt­schüt­ze­r*in­nen durch linientreue Funk­tio­nä­r*in­nen in den Führungspositionen ersetzte. Es dürfte länger dauern, bis die Strukturen wiederaufgebaut und funktionsfähig sind.

Außerdem ist der Goldhandel ein Milliardengeschäft mit einflussreichen Hinterleuten, auch im Ausland. Der Goldrausch in Brasilien hängt auch mit der steigenden Nachfrage auf dem Weltmarkt zusammen. Während sich die Weltgemeinschaft zunehmend für den Ursprung von brasilianischen Agrarprodukten interessiert und sogar Boykotte in Betracht gezogen werden, steht das gelb glänzende Metall nur selten im Fokus. In Brasilien werden jedoch die Forderungen an die internationale Gemeinschaft immer lauter, verbindliche Maßnahmen gegen das „Blutgold“ aus Brasilien zu ergreifen.

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