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Kita-Streik und BetreuungsnotfälleWenn ich König von Deutschland wär

Kita-Streik am Frauentag? Super-Idee. Aber wie wäre es denn dann auch mit einer Freistellung von Vätern, Opas und Onkeln zur Kinderbetreuung?

Na bitte, geht doch: Vater mit Kind in bestreikter Kita in Leipzig 2016 Foto: Jan Woitas/dpa

N un ruft also Ver.di ausgerechnet am Frauentag zum Warnstreik im Sozial- und Erziehungsdienst auf. Mit dem Argument, damit auch gegen die notorische Unterbewertung von so „typisch weiblichen“ Tätigkeiten kämpfen zu wollen.

Das ist natürlich einerseits ganz hübsch, weil man ja sehen kann, dass Arbeitgebervertreter sofort Schnappatmung kriegen, wenn ein Tarifkonflikt mit gesellschaftspolitischen Anliegen aufgeladen wird – wie zuletzt beim Klimastreik.

Andererseits wissen wir natürlich auch ganz genau, wer so eine geschlossene Kita dann organisatorisch auszubaden hat, nicht wahr? Wer da nun wieder seufzend den Terminkalender zückt, Urlaubstage vergeudet, Termine verschiebt oder am Telefon hängt, um bei der Oma, der Tante, der Nachbarin und der befreundeten Co-Mutti um Betreuungshilfe zu betteln?

Wenn ich Königin von Deutschland wäre, würde ich sofort ein Gesetz erlassen, dass Arbeitgeber zwingt, in solchen Betreuungsnotfällen die Väter, Opas und Onkel freizustellen. Frauen dürften sich nur freinehmen, wenn sie glaubhaft versichern, dass es in ihrer Umgebung wirklich keinen Mann gibt, der sich kümmern kann.

No regretting motherhood, aber ich wäre doch lieber Vater

Ja, ja, ich weiß schon, als Alleinerziehende würde ich mir damit selbst ins Knie schießen, aber es geht doch um etwas viel Größeres. 80 Prozent des Gender-Pay-Gaps sind nichts anderes als die ökonomische Strafe fürs Muttersein.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich verbringe gern Zeit mit meinen Kindern, no regretting motherhood here, aber manchmal denke ich, dass ich noch viel lieber ihr Vater geworden wäre.

Bei den allermeisten ist das doch immer noch so: Als Vater kannst du dein familiäres Engagement quasi frei skalieren, von 0 bis 100 Prozent, ist alles drin, wird alles beklatscht. Als Mutter hast du 100 Prozent an der Backe und kannst dann versuchen, mühselig irgendwas davon wegzuverhandeln oder wegzuorganisieren.

Ich würde deshalb auch ein Jahr Elternzeit für jedes Elternteil zum Standard erheben, maximal zwei Monate dürften gemeinsam genommen werden. Wer anders leben möchte, kann das ja immer noch tun, muss dann halt bloß ein paar Nachteile hinnehmen.

Junge Eltern können das nicht auch noch ausfechten

Ja, ja, natürlich kenne ich ein paar von diesen neuen Vätern, die sich echt und ernsthaft und hingebungsvoll um ihre Kinder kümmern. Ich weiß aber auch, wie viele von denen in ihren Firmen schief angeschaut und bei der nächsten Beförderung übergangen werden.

Genauso wie viele „Teilzeit-Muttis“ von dem Gefühl geplagt werden, eigentlich 150 Prozent arbeiten zu müssen, um zu rechtfertigen, dass ihre 75-Prozent-Stelle dauernd die Schichtpläne stört.

Es ist einfach zu viel verlangt, wenn junge Eltern in der anstrengendsten und aufwühlendsten Phase ihres Lebens auch noch permanent gegen die Beharrungskräfte von Arbeitsorganisationen (und Sozialversicherungsapparaten) anrennen müssen, die weiter stumpf an einem Familienmodell von vorgestern orientiert sind.

Organisationen bewegen sich nicht, solange es auch irgendwie so geht. Eine Umstellung kostet Zeit, Geld und Nerven. Das tun Unternehmen nur, wenn sie der hohe Anteil an weiblichen Beschäftigten oder der akute Fachkräftemangel dazu zwingt – oder eben die Gesetzgeberin.

Aber wenn das familienbedingte Ausfallrisiko besser verteilt wäre, entfiele eines der wesentlichen Argumente, mit dem Frauen schlechter bezahlt und weniger befördert werden.

Aber gut, ich bin natürlich nicht die Königin von Deutschland. Ich habe mich ja um die Kinder gekümmert. Außerdem finde ich Monarchie in Wirklichkeit natürlich scheiße. Ist ja auch nichts anderes als legalisierte Clankriminalität. Und Rio Reiser hat wirklich viel bessere Songs geschrieben.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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5 Kommentare

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  • Super Artikel!



    Hat Spaß gemacht, so Viel Wahres, amüsant verpackt, zu lesen.



    Zum Thema Streik im öffentlichen Dienst bin ich zwiegespalten. Öffentlichen Dienst hat, im Gegensatz zu anderen Beschäftigungsverhältnissen, natürlich schon mal einen doppelten Boden.



    Bei Verbeamteten reden wir dann von einer ganz anderen Liga.



    Es ist natürlich wünschenswert, dass Alle von Ihrer Arbeit leben können.



    Doch die, die wirklich zu knapsen haben, haben oft keine Lobby.



    Klar, dass gerne die "schlechtbezahlte Erzieherin" nach vorne geschoben wird, wenn es um Gehaltsverhandlungen geht. Es geht allerdings um die Bezahlung Aller , im öffentlichen Dienst und da gibt es doch auch durchaus "Besserverdienende".



    Interessant wird die Situation, wenn man/ frau beispielsweise durch ein politisches Amt, plötzlich auf Arbeitgeberseite steht.



    Eine arme Gemeinde muss nämlich die gleichen Lohnerhöhungen mittragen, die so " solidarisch" gefordert werden.



    Wenn eine Gemeinde bei Allem eh' schon mit knappen Mitteln haushalten muss, für die sind Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst, eine deutliche Einschränkung der Möglichkeiten.



    Den/Die DurchschnittsbürgerIn stört das natürlich wenig, warum eine zusätzliche Stelle im Bürgerbüro nicht besetzt werden kann ist ja egal, Meckern geht immer!

    • @Philippo1000:

      Die Nichtbesetzung ist eben nicht egal, und ist in der Regel auf "Schlechtleistung" der so gut bezahlten Beamten im höheren Dienst zurück zu führen. Stellt sch doch eher die Frage, warum die Gemeinde so wenig Geld bekommt zum Haushalten und warum das nicht besser ausverhandelt wird? Aber da kommen dann wieder die Beamten im höheren Dienst ins Spiel - Schlechtleistung? Na ja solange das eigene Gehalt üppig ist, warum sich quer legen, wenn es ise nächste Beförderung verhindert. Geht doch auch so mit ausreichend Gejammer in Richtung Öffentlichkeit.

      • @Sonnenhaus:

        Beamte im höheren Dienbst haben sie in den Gemeinden doch kaum.

        Da kommen nämlich recht schnell die politischen Beamten: Bürgermeister und co.

        Den höheren Dienst, der über Beförderungen nachdenken kann, finden Sie vor allem in den Landesverwaltungen.

        So kenne ich es aus Brandenburg, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Niedersachsen da sehr anders aufgestellt ist.

  • "Ich würde deshalb auch ein Jahr Elternzeit für jedes Elternteil zum Standard erheben" - das genau war der geplante Entwurf von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU, ca. 2006). Leider hat der Bundestag da nicht mitgemacht.

  • Stimme voll zu.