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FDP-Gutachten zu AutoabgasenStreit um Tempolimit

Von der FDP beauftragte Gutachter attackieren das Umweltbundesamt für dessen Studie zum Tempolimit. Nicht seriös, findet die Deutsche Umwelthilfe.

Hier fährt keiner schneller als 120 km/h: Stau auf der A8 Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz/afp | Harsche Worte von der Deutschen Umwelthilfe: Ein Gutachten, das die FDP beauftragt hatte und mit dem sie jetzt gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen argumentiert, halte üblichen Qualitätsstandards nicht stand. „Das vorliegende Pamphlet der porschefahrenden Lobbypartei FDP ist keine ‚Studie‘, sondern ein Meinungsbeitrag“, machte Verbandschef Jürgen Resch seinem Ärger am Dienstag Luft.

In dem Gutachten widersprechen zwei Wirtschaftswissenschaftler dem Umweltbundesamt. In einer im Januar veröffentlichten Studie hatte die Behörde den Einspareffekt bei den Treibhausgasemissionen durch ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen deutlich nach oben korrigiert: von 2,6 Millionen auf 6,7 Millionen Tonnen.

Für den neuen Wert wurden laut Umweltbundesamt der Verbrauch der Fahrzeuge genauer bestimmt und auch eine veränderte Routenwahl und Verkehrsnachfrage berücksichtigt.

In dem FDP-Gutachten klingt das ganz anders: „Realistischerweise“ sei eine Einsparung von „maximal 1,1 Millionen Tonnen“ CO2 zu erwarten, zitierte die Bild am Sonntag aus dem Gutachten.

Kaum Klimaschutz im Verkehrssektor

Die Verkehrsökonomen Alexander Eisenkopf von der Zeppelin Universität Friedrichshafen und Andreas Knorr von der Universität Speyer schreiben laut Bild am Sonntag, das UBA nutze fehlerhafte Datensätze und gehe von unrealistischen Annahmen aus. Dazu zählen die beiden Autoren etwa, dass sich Au­to­fah­re­r:in­nen an die vorgegebenen Höchstgeschwindigkeiten halten würden.

DUH-Chef Resch kritisierte, dass die zwei beauftragten Wirtschaftswissenschaftler keine Experten für Emissionsmodellierungen sind. „Christian Lindner als Parteichef sollte das Thema Umwelt und Verkehr den Profis überlassen, zum Beispiel den in der Bundesregierung zuständigen Expertinnen und Experten des Umweltbundesamtes.“

Damit spielte Resch auf eine Äußerung Lindners in einem Interview von 2019 an. Der damalige Oppositionspolitiker und jetzige Bundesfinanzminister sagte, Klimaschutz sei eine „Sache für Profis“, während die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen von Fridays for Future ihn nicht ausreichend einschätzen könnten.

Das Umweltbundesamt hat gelassen auf das FDP-Papier reagiert. „Ich sehe das ganz entspannt, auch weil unser Gutachten von Expertinnen und Experten angefertigt wurde, die nicht aus der Grünen- oder der Umwelt­ecke kommen“, sagte Behördenchef Dirk Messner dem Handelsblatt.

Das deutsche Verkehrswesen ist viel zu klimaschädlich – und zwar sogar gesetzeswidrig. Die CO2-Grenzwerte, die im Klimaschutzgesetz für den Bereich vorgegeben sind, wurden zuletzt nicht eingehalten.

Um das zu beheben, musste Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein Sofortprogramm vorlegen. Das war allerdings so mangelhaft, dass das zuständige wissenschaftliche Gremium die Prüfung gar nicht erst im Detail durchführte. Auch in einem nachgelagerten Sofortprogramm der gesamten Bundesregierung blockierte die FDP Klimaschutzmaßnahmen beim Verkehr.

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14 Kommentare

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  • Bin fast täglich auf Autobahnen unterwegs. Komme auch bei mehreren hundert Kilometern pro Tag fast nie über einen Durschnitt von 120 km/h. Also wozu das Theater? Wegen ein paar wenigen die nachts mal auf freier Strecke "den Kamin" aufmachen ?

  • Ich verstehe nicht was die FDP mit ihrem Gutachten erreichen will:



    Sie schlägt damit Wissing ein sehr einfaches und mildes Mittel aus der Hand um das Klassenziel doch noch zu erreichen.

    Mit 6,7 Mio Tonnen kann man arbeiten, mit 1,1 eher nicht. Die 5,6 Mio Tonnen Unterschied muss Wissing jetzt anderweitig kompensieren.



    Spritpreis auf 10 EUR? Rollierende Fahrverbote? Homeoffice-Lockdown?

    • @Limonadengrundstoff:

      In dieser Argumentation steckt ein Wahrnehmungsdefizit: Wissing WILL KEINE ÄNDERUNG. Er ist maßgeblicher Teil der mittelalterlichen Position dieser Interessengruppe, aka FDP

      • @Perkele:

        Können Sie das irgendwie belegen?

        • @rero:

          Das ist sehr leicht: ich informiere mich über alle möglichen Medien. Da stehen jede Menge Belege drin, die meine Beobachtung stützen und fortwährend nähren....

  • Mal wieder ein Lehrbeispiel über den Wert von Gutachten im politischen Diskurs. Wenn Ideologie und der Preis stimmen, steht das Ergebnis schon vor Begutachtung fest. Rent-a-Gutachter...

  • taz: "Ein Gutachten, das die FDP beauftragt hatte und mit dem sie jetzt gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen argumentiert, [...] In dem Gutachten widersprechen zwei Wirtschaftswissenschaftler dem Umweltbundesamt." – Zum Glück sind das ja zwei "schlaue" Wirtschaftswissenschaftler, die da über Treibhausgasemissionen reden, und keine "dummen" Naturwissenschaftler oder Ingenieure *LOL*.







    DUH Verbandschef Jürgen Resch: „Das vorliegende Pamphlet der porschefahrenden Lobbypartei FDP ist keine ‚Studie‘, sondern ein Meinungsbeitrag.“ – Da hat der DUH-Chef natürlich recht; aber mit solchen sogenannten "Gutachten", die von der FDP in Auftrag gegeben werden, merkt wohl auch der einfältigste Bürger irgendwann, dass die FDP nur noch eine Lobbypartei der (Auto)Konzerne ist.

  • Um die Ergebnisse der Studie des Umweltbundesamtes zu widerlegen braucht es kein Gutachten.

    Das Umweltbundesamt sieht ein CO2-Einsparungspotenzial, da Verkehrsteilnehmer wegen der geringeren Geschwindigkeit vom Auto auf die Bahn umsteigen werden.

    Nicht berücksichtigt werden dagegen Verkehrsteilnehmer, die wegen der geringeren Geschwindigkeit vom Auto aufs Flugzeug umsteigen werden und hierdurch der CO2 Ausstoß steigt.

    So ein Gutachten ist einseitig und unlauter.

    In den derzeitigen Hauhaltsverhandlungen sollte der Etat des Umweltbundesamtes erheblich gekürzt werden.

    • @DiMa:

      „In den derzeitigen Haushaltsverhandlungen sollte der Etat des Umweltbundesamtes erheblich gekürzt werden.“

      Unsere Politiker reden ja immer gerne von Umwelt- und Klimaschutz, wenn es dann aber dem kapitalistischen System an den Kragen gehen soll, dann lässt man 'ingenieur-naturwissenschaftliche Gutachten' sogar schon von Wirtschaftswissenschaftlern erstellen, damit der Irrsinn der CO2-Ausstoßes ungebremst weitergehen kann. Die CDU/CSU wollte der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) vor ein paar Jahren sogar schon die Gemeinnützigkeit aberkennen, denn die DUH engagiert sich für den Klimaschutz, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, eine auf Effizienz und regenerativen Quellen basierende Energieversorgung, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft, saubere Luft, nachhaltige Mobilität und Verbraucherschutz - und gefährdet damit wohl nach Ansicht vieler CDU/CSU-Politiker die Gewinne der Wirtschaft. Und jetzt legt sich die wirtschaftshörige FDP sogar schon mit dem Umweltbundesamt an, und Sie fordern hier sogar eine Etatkürzung für das Umweltbundesamt. Auch Ihnen sollte doch klar sein, dass man nicht in einem Raumschiff zum nächsten erdähnlichen Planeten fliegen kann, wenn uns der Klimawandel in ein paar Jahren den Hals umdreht.

  • Auch 1,1 Millionen Tonnen sind eine ganze Menge. Damit lässt sich doch arbeiten.

    Wenn wir dann noch ein Verbot für die Haltung von Hunden (Einsparung ca. 10 Millionen Tonnen CO2), Katzen (Einsparung ca. 6.5 Millionen Tonnen CO2) und Pferden (ca. 4 Millionen Tonnen CO2) mit durch kriegen, dann sind wir doch auf jeden Fall mal auf dem richtigen Weg.

    • @Chris12:

      Ja klar. Gute Idee das Tierhaltungsverbot. Und die Mehrkosten für soziale und/oder psychologische Versorgung von vereinsamten Menschen die trägt dann wer?? Was ist mit Pferdehaltung? Was ist mit Taubenzüchtern? Was ist mit Aquarien? Und vor allem: was ist mit ein ganz klein wenig Empathie, Nächstenliebe, Toeranz?

      • @Perkele:

        "Und vor allem: was ist mit ein ganz klein wenig Empathie, Nächstenliebe, Toeranz?"



        Einfach weglassen, spart sicher auch CO2. Kinder könnte man auch abschaffen, spart sicher noch eine Menge.

  • Die FDP macht wirklich nur noch Politik für einige (zu) wenige, um die 5% Hürde bei Wahlen zu überwinden. Vielleicht ganz gut so.......

    • @dator:

      Na, ich befürchte, dass bei dem Thema Auto und schnell fahren leider doch noch zu viele Egomanen bei der FDP ihr Kreuz machen könnten, um sich ihren rücksichtslosen Fahrspaß nicht nehmen lassen zu müssen... oder gleich die AFD wählen, wenn sie sowieso schon keinerlei Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl mehr haben.