Türkei droht Schweden: Am Ende profitiert nur Erdoğan
Erdoğan-Puppen und ein brennender Koran: Provokationen aus Schweden verzögern den Nato-Beitritt. Und schaden vor allem der türkischen Demokratie.
F ür den Beitritt Schwedens zur Nato sieht es momentan schlecht aus. Die Proteste in Schweden und insbesondere die Verbrennung eines Korans vor der türkischen Botschaft in Stockholm haben den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan jetzt veranlasst, die Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitritts erst einmal auf Eis zu legen. Dabei darf man getrost davon ausgehen, dass in Ankara niemand um den Schlaf gebracht wird, weil ein paar kurdische Aktivisten eine Erdoğan-Puppe verbrennen und ein als notorischer Provokateur bekannter Rechtsradikaler einen Koran anzündet.
Im Gegenteil, die Protestaktionen spielen Erdoğan eindeutig in die Karten. Er kann im bevorstehenden Wahlkampf für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai den einheimischen Nationalisten und Islamisten gegenüber den harten Mann spielen, und die vermeintlichen Provokationen sind ein hervorragender Vorwand, um den Preis für den schwedischen Nato-Beitritt weiter in die Höhe zu treiben.
Nun sind die Demonstrationen der schwedischen Linken und kurdischen Aktivisten ja wahrscheinlich genau darauf ausgerichtet. Sie wollen einen Nato-Beitritt Schwedens verhindern und nutzen Erdoğan, um ihr Ziel politisch durchzusetzen. Dass die schwedische Regierung dies weiß und die Demos dennoch stattfinden, zeigt, dass das Land auch nach dem Rechtsruck bei den letzten Wahlen seine demokratische Grundhaltung nicht verloren hat.
Anders sieht es mit der Koranverbrennung aus, die mit einem demokratischen Protest nichts zu tun hat. Es handelt sich um eine reine Provokation, die zuverlässig empörte Reaktionen in der muslimischen Welt triggert. Niemand konnte davon ausgehen, dass Erdoğan die Aktion einfach schulterzuckend zur Kenntnis nimmt. Deshalb ist auch die US-amerikanische Vermutung, dass das Ganze vielleicht sogar von Russland gesteuert war, nicht völlig abwegig. Warum die schwedische Regierung sie dennoch zugelassen hat, ist unverständlich, sie nutzt nur Erdoğans Wiederwahl.
Schweden muss sich nun wohl auf eine längere Wartezeit gefasst machen und Finnland wird wohl erst einmal alleine Nato-Mitglied. Am Ende wird das aber auch für Schweden keinen großen Unterschied machen. Das Land wird ja bereits de facto wie ein Nato-Mitglied behandelt und eine unmittelbare Bedrohung ist auch nicht auszumachen.
Am Ende hätte dann nur einer von der ganzen Affäre profitiert: Recep Tayyip Erdoğan. Ob es der schwedischen Demokratie nützt, rechtsradikalen Provokateuren freie Bahn zu lassen, müssen die Schweden beantworten. Der Demokratie in der Türkei schadet es auf jeden Fall.
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