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Autovermieter SixtDoch kein Betriebsrat bei Sixt

Vor Gericht haben drei Düsseldorfer Mitarbeiterinnen das Recht auf Mitbestimmung durchgesetzt. Nun sind sie für Verdi plötzlich nicht mehr erreichbar.

Dicke Autos, dürre Mitbestimmung: Werbung am Berliner Flughafen Foto: André Lenthe/imago

Bochum taz Bei Deutschlands größter Autovermietung Sixt wird es auch künftig bundesweit keinen einzigen Betriebsrat geben. Drei Mitarbeiterinnen, die am Standort Düsseldorf als erste Sixt-Beschäftigte ihr Recht auf Mitbestimmung erstritten haben, sind für die Gewerkschaft Verdi plötzlich nicht mehr erreichbar. „Mir hat ein Anwalt geschrieben, dass ich von allen Versuchen der Kontaktaufnahme absehen soll“, sagt Gewerkschaftssekretär Özay Tarim, der den Kampf der drei monatelang unterstützt hat.

Sixt gilt seit Jahrzehnten als betriebsratsfeindlich, fährt traditionell eine harte Linie gegen jede Form innerbetrieblicher Mitbestimmung. Dennoch hatten die drei Frauen seit 2021 ­versucht, am Düsseldorfer ­Flughafen einen Betriebsrat zu gründen – und wurden prompt massiv unter Druck gesetzt: Auf sie hagelten neben Abfindungsangeboten sechs fristlose Kündigungen herab, die aber sowohl vom Arbeitsgericht wie vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf kassiert wurden.

„Wer bei uns einen Betriebsrat gründet, fliegt raus“ – das sei der Eindruck, den die Autovermietung erzeugt habe, erklärte das Landesarbeitsgericht am 8. November. „Nichts, gar nichts“ dürfe das Unternehmen gegen eine Betriebsratsgründung tun, ermahnte der Vorsitzende Richter Alexander Schneider den bei der Urteilsverkündung anwesenden Sixt-Geschäftsführer Dirk Hünten.

Die drei Mit­ar­bei­te­r:in­nen blieben bei ihrer Forderung nach Schaffung eines Betriebsrats am Sixt-Standort Düsseldorf. Eine vom Gericht in Aussicht gestellte Auflösung ihrer Arbeitsverträge gegen Abfindungen von jeweils 90.000 Euro brutto lehnten sie geschlossen ab. Stattdessen machten sie bei einer Betriebsversammlung am 29. November klar: Einen Wahlvorstand, der Betriebsratswahlen vorbereiten soll, wollten sie wie im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen notfalls auch vom Arbeitsgericht einsetzen lassen. Der Weg für den allerersten Betriebsrat bei Sixt war also frei.

Doch keine sieben Wochen später ist davon keine Rede mehr. „Der Anwalt, der mir den Kontakt zu unseren Gewerkschaftsmitgliedern untersagen will, schreibt mir, die drei Mit­ar­bei­te­rin­nen hätten Sixt um die einvernehmliche Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse gebeten“, sagt Verdi-Mann Tarim – „angeblich proaktiv und aus freien Stücken.“ Die drei Frauen hätten „das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen“, bestätigt auch ein Sixt-Sprecher auf taz-Anfrage. Die „wirklichen Beweggründe für diesen Schritt“ kenne die Firma nicht, beteuert der Unternehmenssprecher.

Es glaubt doch niemand, dass sie die Firma freiwillig zum Nulltarif verlassen

Özay Tarim, Verdi

Trotzdem sei Sixt „nach wie vor der Auffassung, dass es den dreien nicht um die Gründung eines Betriebsrats, sondern um hohe Abfindungen ging“. Das hatte das Unternehmen auch vor Gericht behauptet. Allerdings sei die Autovermietung „diesen Forderungen nicht nachgekommen“.

Gewerkschafter Tarim hält das für völlig unglaubwürdig. „Die Kol­le­gin­nen sind durch die Hölle gegangen“, sagt er. 14 Monate hätten die Frauen kein Gehalt bekommen, mussten von Arbeitslosengeld und am Ende von Hartz IV leben. „Aber sie haben alle Arbeitsgerichtsprozesse gewonnen. Da glaubt doch niemand, dass sie die Firma jetzt freiwillig zum Nulltarif verlassen“, meint Tarim.

Natürlich könne er nicht nachweisen, ob und in welcher Höhe tatsächlich Geld geflossen sei. Allerdings hätten nicht nur Abfindungen von 90.000 Euro Abfindung pro Person im Raum gestanden – auch die Nachzahlung der 14 ungerechtfertigt einbehaltenen Monatsgehälter sei bei allen drei Mit­ar­bei­te­rin­nen noch offen gewesen.

„Es ist erschreckend und abschreckend, dass Sixt Betriebsräte offenbar wirklich um jeden Preis verhindert“, sagt Özay Tarim. Umso mehr ruft der Gewerkschaftssekretär die Belegschaft der Autovermietung auf, sich nicht einschüchtern zu lassen: „Egal wo in Deutschland Sixt-Beschäftigte ihr Recht auf Mitbestimmung durchsetzen und einen Betriebsrat gründen wollen – wir als Gewerkschaft werden sie mit aller Kraft unterstützen.“

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12 Kommentare

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  • Ich war in meiner Studentenzeit bei Sixt im Callcenter und habe ebenfalls erlebt, wie Kollegen deswegen kaltgestellt wurden.



    Hat sich offenbar seitdem nicht viel getan.

  • Es wird Zeit, dass die Behinderung zur Bildung oder die Behinderung von Betriebsratstätigkeit ein Straftatbestand wird.

    • @KielerSprotte:

      Es ist schon ein Straftatbestand: Betriebsverfassungsgesetz



      § 119Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder ... auch hier gilt - wie so oft: "man" müsste das Gesetz nur konsequent anwenden

  • Meine Partnerin hat mal bei Sixt gearbeitet und ist dort aber nicht sehr lange geblieben. Einmal haben wir uns dann in der Freizeit mit ein paar ihrer Kolleginnen verabredet. Es wurde die meiste Zeit über Sixt geschimpft und alle wirkten sehr unglücklich über ihren Job bei diesem Unternehmen. Da habe ich begriffen, dass das ein totaler Saftladen sein muss.

  • Greift da eigentlich auch das Lieferkettengesetz für Siemens und andere Kunden von Sixt, wenn deren Mitarbeitende dort ein Auto mieten?

  • Fast wie im Mittelalter. Sixt ist damit als Dienstleister für mich passé.

  • "... fristlose Kündigungen herab, die aber sowohl vom Arbeitsgericht wie vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf kassiert wurden..."

    Wieviel Strafe wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit haben die Manager bekommen oder wurde die StA wieder mal "von oben in Narkose versetzt" ?

    Wenn die Manager mal ein paar Monate im Knast Tüten kleben, dürfte das die Wahrnehmung mal deutlich gerade rücken.

    Das ist halt der Unterschied: Wenn Schlipsis mit 'ner S-Klasse das Recht "verbiegen" geschieht nichts.

    Wenn Menschen in Lützerath das Recht verbiegen kommen Hundertschaften ...

    • @Bolzkopf:

      Wenn es mal ein Straftatbestand wird ja.



      Möglichst ein Offizialdelikt, was zur Folge hat, das die Staatanwalt zur Ermittlung zwingt........



      Eine Wunschvorstellung in unserem Staat?

      • @KielerSprotte:

        Behinderung der Betriebsratsarbeit ist strafbewehrt:

        Betriebsverfassungsgesetz § 119:



        Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Tätigkeit des Betriebsrats, ... behindert oder stört...

        Allerdings ein Antragsdelikt.



        Verdi könnte allerdings Strafantrag stellen. Wenn die nicht gerade die Dackellähme hätten.

  • Nun der Standpunkt von Sixt mit der hohen Abfindung ist offensichtlich nicht von der Hand zu weisen. Anderenfalls hätten die Frauen wohl kaum zugestimmt.

    • @Wombat:

      Wir wissen es nicht !1!!



      Man bedenke, dass am anderen Ende höchstbezahle PR-Berater sitzen.

      Abfindungen die weit über dem Üblichen liegen können durchaus als Untreue gelten und wären damit strafbar.

      Dann wäre der Gedanke dass die Abgefundenen rechtswidrig Vorteile aus der Betriebsratstätigkeit geschöpft sicher auch nicht abwegig.

      Die Arbeitsgerichte haben ja als Recht erkannt das die Kündigungen unwirksam waren (und das wären sie bei horrenden Abfindungsforderungen sicher nicht)

      Aber davon ab erlaube ich mir daran zu erinnern, das SIXT uns alle ja auch sehr gerne mit vergnügungssüchtigen Sportwagenfahrern beglückt die sich diese ultraschnellen Autos ansonsten nicht leisten können und erst recht nicht über die notwendige Fahrpraxis verfügen.

      Denn wer, außer den Rasern, braucht schon z.B. einen Merzedes AMG s63 mit 612 PS ?

  • Und das in Deutschland bei einem deutschen Unternehmen.