piwik no script img

Mutmaßlicher BND-SpionGift für die Beziehungen zu Kyjiw

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Ein mutmaßlicher Agent wird im BND enttarnt. Der Fall ist ein fatales Signal außen- wie innenpolitisch. Wie verlässlich sind die Sicherheitsbehörden?

Will sich bis auf Weiteres nicht öffentlich zu dem Skandal äußern: BND-Präsident Bruno Kahl Foto: Kay Nietfeld/dpa

V ertrauen ist das zerbrechlichste Gut in Kriegszeiten. Ein Gut, das sorgsam behandelt und immer wieder unter Beweis gestellt werden muss. Und so ist die Nachricht von dem Spion im Auftrag Moskaus in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes pures Gift für die vertrauensvolle Beziehung zur Ukraine. Der mutmaßliche Agent wurde festgenommen, BND-Büros wurden durchsucht. Gibt es da noch mehr?

Hat die Bundesregierung ihre Behörden nicht im Griff? Einen Agenten in den gegnerischen Geheimdienst einzuschleusen ist so etwas wie die Königsdisziplin der Spionage – wer sich dagegen nicht zu schützen weiß, an dessen Verlässlichkeit entstehen Zweifel. Zweifel, von denen die ukrainische Sicht auf Deutschland ohnehin geprägt ist: Zwar pumpt die Bundesregierung Hunderte Millionen in unmittelbare Hilfen für die Bevölkerung in der Ukraine, in den Wiederaufbau.

Doch der Schlingerkurs bei den Waffenlieferungen, die über Jahre geprägten engen wirtschaftlichen Verbindungen zu und Abhängigkeiten von Russland säten Zweifel, die sich auch nach mehr als 300 Tagen Krieg nicht völlig ausräumen lassen. Der Zeitpunkt der Enttarnung ist denkbar ungünstig – ausgerechnet dann, wenn dem ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski die internationale Bühne gehört. Hat er doch unter größten Sicherheitsrisiken sein Land verlassen und in den USA um weitere Unterstützung geworben.

Seine Reise war notwendig auch deshalb, da der Krieg in der Ukraine noch lange dauern wird, der russische Aggressor Wladimir Putin militärisch keine Geländegewinne macht, sondern in seinem Hass die zivile Infrastruktur des Landes bombardiert, im Winter die Menschen mit Stromausfällen, Hunger, gekappten Wasserversorgungen drangsaliert. Während in Washington die Anti-Putin-Allianz bestärkt wird, kann man sich in Berlin nicht sicher sein, dass keine heiklen Sicherheitsinformationen an den Aggressor geliefert werden.

Auch innenpolitisch ist der Fall mutmaßlicher Spionage heikel. Spätestens mit Kriegsbeginn am 24. Februar ist klar geworden, wie verletzlich die Bundesrepublik ist. Digitale Angriffe auf Verwaltungen und Unternehmen haben zugenommen. Die sogenannte Kritische Infrastruktur Deutschlands gerät gezielt in den Fokus. Vom hybriden Krieg ist die Rede, davon, dass nicht nur auf dem Schlachtfeld gekämpft wird, sondern unsere Versorgungseinheiten angegriffen werden. Ein Beispiel war der Sabotageakt auf die Nordstream-Pipelines.

Wie groß die Gefahr russischer Infiltration ist, stellt auch der Chef des Auslandsgeheimdienstes Bruno Kahl klar: Mit Russland habe man es mit einem Akteur zu tun, „mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben.“ Es wird hektisch werden über die Feiertage bei den Geheimdiensten. Nun wird durchgekämmt im Personal. „Das zeigt, wie wachsam wir sein müssen“, twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Hoffentlich kommt diese Erkenntnis nicht wirklich erst jetzt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • schon vergessen, wer das kanzlerinnenhandy abhört...

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Gift für die Beziehungen.



    Geht es bitte weniger dramatisch!



    Das gibt es immer und überall.

  • Das Problem sind die, die noch nicht entdeckt wurden.

    Das werden viele sein. Ich befürchte, dass der Einfluss der russische Geheimdienste auf die deutsche Politik weit unterschätzt wird. man denke an die lange Liste von Politikern und sogenannten Intellektuellen, die auf der Lohnliste des STASI standen.

    Das wird jetzt nicht anders sein.-

  • So als wenn es wichtig wäre was die ukrainische Regierung über Deutschland denkt...



    Mir ist es wichtig (und das ist nachwievor pauschalisiert trotz Propanganda der Fall), dass die ukrainischen Menschen ein positives Bild von Deutschland haben.

    Von der ukrainischen Regierung würde ich mir etwas mehr Demut und Dankbarkeit wünschen.

  • Ein Spion ist aufgeflogen. Das ist so ziemlich jedem Geheimdienst in der Geschichte schon passiert und nicht nur einmal. Wahrscheinlich selbst der Tscheka und Nachfolgern (nur hat man darüber dann meist wohl nichts erfahren). Warum also sollte das die Ukraine besonders beunruhigen? In ihren Diensten werden auch russische Agenten tätig sein und in den russischen hoffentlich auch ordentlich ukrainische. So läuft das Spiel nun mal.

  • Die notwendigen Sicherheitsüberprüfungen sind meiner Kenntnis nach sinnvoll gemacht:



    de.m.wikipedia.org...%BCberpr%C3%BCfung

    Ein Maulwurf kommt nicht wegen "eines kleinen Beamtenfehlers" in den BND. Vermutlich hat das viele Jahre der Vorbereitung gekostet. Die Öffentlichkeit wird wohl nie erfahren, ob dieser Spion wirklich ein Problem war. Sprich: Wie lange hat er welche sensiblen Informationen ausgeleitet? Hat die Sicherheitsüberprüfung versagt? Falls ja, lässt sich die Ursache finden und beheben?



    Menschen verändern sich mit der Zeit. Vielleicht hat sich dieser Mitarbeiter korrumpieren lassen.

    • @Terraformer:

      Es war offenbar der Leiter der Abteilung Technische Aufklärung. Also ein ziemlich hohes Tier.

      Und er wandte sich offenbar an die Russen, nachdem die USA ihn hatten abblitzen lassen.

      Von den klassischen Motiven für Geheimnisverrat - "MICE", d.h. Money, Ideology, Coercion & Ego - kommen also Geld und Ego in Frage.

      Das war kein von Putin in den BND infiltrierter Maulwurf, und da wurde auch niemand korrupiert. Eine korrupte Person hat Geheimdienstkarriere gemacht. Jahrelang.

      • @Ajuga:

        "...nachdem die USA ihn hatten abblitzen lassen."

        Der Teil war mir neu. Aber mal schauen überlegen: Wenn die USA gewusst hätten, dass da ein faules Ei sitzt, wäre doch das erste nach der Ablehnung gewesen, ihn zu verpfeifen oder zumindest selbst zu überwachen - jedenfalls zu schauen, dass er nicht irgendwem Anderes was Brauchbares liefert. Ich lasse doch nicht bei einem Verbündeten, mit dem ich selbst Erkenntnisse austausche, einen Verräter rumsitzen, der mir selbst nichts bringt.

        Also entweder ist das eine Räuberpistole, oder der Mann war wahrscheinlich längst gedreht.

  • Gift für die Beziehungen zu Kyjiw? Geht's noch dramatischer?



    Spione gab's immer und wird's immer geben, denke nicht dass deswegen Selenskij verschnupft ist.

  • Es ist wahr, dass die Einschleusung oder Rekrutierung von Spionen im gegnerischen Auslandsgeheimdienst eine Königsdisziplin ist (wenn auch Platz 2 hinter der Infiltrierung der gegnerischen SpionageABWEHR, würde ich sagen). Es ist aber auch recht bekannt, dass niemand sie so gut beherrscht wie die Russen. Von daher dürfte sich der Schock in Kiew in Grenzen halten, dass sie es mal wieder irgendwo geschafft haben. Im Gegenteil ist es eine weitere Taste auf Selenskis "Das ist nicht nur unser Krieg"-Klaviatur.

    Auch der Zeitpunkt ist wenig überraschend: Krisenzeiten sind harte Zeiten für Spione - der Druck auf sie, viel und schnell zu liefern, steigt massiv, die Skrupel, eine strategische Quelle zu gefährden, um einen taktischen Vorteil aus ihren Informationen zu ziehen, sinken. Das erhöht das Risiko des Auffliegens automatisch. Dass die Verhaftung publik gemacht wurde, kann(!) sogar damit zusammenhängen, dass Russland den Mann bewusst "verbrannt" hat. Aber das gehört zu dem Teil des Eisbergs, den die öffentlich erkennbare Spitze nur erahnen lässt.

    Also eigentlich kein besonderer Grund für graue Haare...

  • Das Enttarnen eines feindlichen Agenten ist ohne jeden Zweifel ein Erfolg. Was daran ein Problem sein soll, ist völlig unklar. In einer Demokratie wird so etwas auch öffentlich. "Gibt es da noch mehr?" Vielleicht, aber jetzt gibt es erst mal einen weniger. Fatal ist nichts und Wachsamkeit ist die Arbeitsbeschreibung von Geheimdiensten. Mit den Schlingerkurs bei den Waffenlieferungen hat das nichts zu tun, das sind politische Entscheidungen.

  • Der DDR ist es sogar einmal gelungen, mit Günter Guillaume einen echten Ostagenten direkt ins Bonner Kanzleramt einzuschleusen! Seinerzeit ein gelungener Coup für Mischa Markus Wolf! Und dennoch wurde er enttarnt und am Schluss ist sogar die ganze DDR untergegangen. 'NebukadneZAR' Putin wird das Menetekel zu deuten wissen!

    • @Magic Theo:

      Putin lernt nichts aus der Geschichte das ist das Problem.

      • @Machiavelli:

        Stimmt... Putin lernt nichts aus der Geschichte. Im Westen viele Menschen aber auch nicht - eine ziemlich unglückliche Konstellation!

  • Hat die Bundesregierung ihre Behörden nicht im Griff?

    Zeigen Sie bitte eine Regierung, die das im Griff hat!? Die Enttarnung beweisst zumindest, dass zusätzliche Kontrollsysteme bei BND gut funktionieren.

  • Also:

    1) ich kann die Erzählung vom deutschen "Schlingerkurs bei den Waffenlieferungen" nicht mehr hören. Es ist offensichtlich, dass alle Verbündeten die Feuerkraft der gelieferten Waffen sehr sogfältig dosieren. Allen voran die USA, die die Reichweite ihrer HIMARS gezielt begrenzen, und sich erst jetzt zur Lieferung von Patriot [1] entschliesst. Ich gehe auch davon aus, dass sich BRD und USA sorgfältig darüber absprechen, was geliefert wird. Dass die Ukrainer*innen Druck machen ist verständlich (ich kann's ihnen auch nicht verdenken!).

    2) wann die Entdeckung eines Maulwurfs auch publik gemacht wird ist sicher ein strategisches Element. Ein bekannter Maulwurf in den eigenen Reihen (der selber noch nichts davon weiss) ist sicherlich mehr Wert als ein geouteter. Ich würde den Zeitpunkt also nicht so tierisch ernst nehmen.

    [1] Im gegensatz zur Reichweite von HIMARS sollten die Patriots als Defensivsystem eigentlich unstrittig sein, also warum nicht schon längst?

    • @tomás zerolo:

      Stimmt, ich kann die Erzählung vom deutschen "Schlingerkurs bei den Waffenlieferungen" auch nicht mehr hören. Deutschland liefert ja kaum was an Waffen, und das was geliefert wurde, musste alles aus der Nase gezogen werden. Wäre die Verteidigung der Ukraine von Deutschland abhängig, stünden die Russen jetzt wieder in Berlin.

      Übrigens, wenn Sie schon über Waffensysteme reden müssen in einem Artikel, der sich mit Spionageabwehr befasst, dann sollten Sie sich wenigstens über die Waffensysteme, ihre Einsatzgebiete, ihre Komplexität, und andere relevante Faktoren vorher erkundigen. Dann könnten Sie sich Ihre Frage auch selbst beantworten.

  • "Hat die Bundesregierung ihre Behörden nicht im Griff? Einen Agenten in den gegnerischen Geheimdienst einzuschleusen ist so etwas wie die Königsdisziplin der Spionage – wer sich dagegen nicht zu schützen weiß, an dessen Verlässlichkeit entstehen Zweifel"

    Sorry und mit Verlaub, in welcher Blase lebt die Autorin?



    Agenten in gegnerische Dienste einzuschleusen, das ist Standard in allen Geheimdiensten der Welt...egal ob Ost oder West! Manchmal tun das auch die sogenannten Freunde... Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.



    Und sich davor zu schützen, das schafft kein Dienst der Welt.Erst recht keine Regierung, welche auch immer! Aber wer weiß, vielleicht kann die Autorin mit ihrem Wissen Bundesregierung und BND helfen.

  • Das ist wohl keine große Überraschung. Wenn man sich die Geschichte des BND anschaut dann gibt es deutlich mehr Skandale als Erfolgsmeldungen, Und einen James Bond (oder ein Vorbild für denselben) wird man beim BND vergeblich suchen. Das sagt doch eigentlich alles über diese Behörde aus.

    Und was die Waffenlieferungen angeht, da habe ich schon länger nichts mehr von den tollen deutsche Panzerhaubitzen gehört. Gestern wurde im DLF gesagt dass die Bundeswehr in der Slowakei und in Litauen Instandsetzungseinrichtungen für die PzH aufgebaut hat in denen die an die Ukraine gelieferten Haubitzen repariert werden. Angeblich sind 12 von 14 in der Werkstatt und ich nehme mal an dass die Inst in Litauen gebaut wurde damit die Dinger nicht mit der Deutschan Bahn durch Deutschland transportiert werden müssen und Fragen gestellt werden.

    • @Gerald Müller:

      "Und einen James Bond (oder ein Vorbild für denselben) wird man beim BND vergeblich suchen. Das sagt doch eigentlich alles über diese Behörde aus."

      "Bond,James Bond", ist eine Roman- und Filmfigur. Da werden Sie auch bei anderen Geheimdiensten vergeblich nach einem Vorbild suchen.



      Oder anders argumentiert: Wenn es tatsächlich einen so einen universalen Supertopagenten gibt,glauben Sie das irgendein GEHEIMdienst dessen Existenz zugeben wird? Es ist auch i.d.R. nicht üblich über geheime Operationen und deren Erfolge die Öffentlichkeit zu informieren.Oder nur in einem sehr eingeschränkten Maß. Zudem ist es doch von Vorteil,wenn man vom Gegner unterschätzt wird.Das Bild vom schusseligen, bedingt einsatzfähigen BND könnte auch ganz bewußt aufgebaut worden sein! Oder auch nicht. Wie soll man das als normal Sterblicher mit Sicherheit wissen?

      • @Mustardmaster:

        @Mustardmaster: es gibt sehr wohl ein Vorbild für James Bond, nämlich Sidney Reilly - eine sehr schillernde Figur die zu Beginn des 20 Jhdts für den britischen Geheimdienst geabrbeitet hat. Ein späterer Ched des MI5 sagte über ihn dass er entweder der größte Spion oder der größte Lügner aller Zeiten war..

        Und was das Zugeben der Existenz angeht: das würde man erst später zugeben aber das Wichtigste ist doch dass James Bond als Mann des MI5 (mit der Lizenz zum Töten) glaubwürdig ist wogegen ein Hans Schmidt als BND Agent niemals eine LIenez zum Töten bekommen würde und als Hauptdarsteller eines Agentenfilms eher lächerlich wirken würde. Das Image zählt, und in gewisser Weise reflektiert das Image die Wirklichkeit ..

  • Dem passiert ja nichts. Notfalls nimmt Putin irgendeinen Deutschen fest und klagt ihn wegen Spionage an. Dann folgt der Austausch.



    Vorher sollten wir sämtliche Konten des Spions leerräumen.

  • Gibt es eine praktikable Möglichkeit, hundertprozentig auszuschließen, dass die Gehenseite einen Agenten in einen Geheimdienst einschleußt? Wahrscheinlich nicht. Wichtig ist, dass solche Agenten enttarnt werden. Das ist hier geschehen. Als Laie in Geheimdienstsachrn nehme ich das eher als einen Erfolg und nicht als Versagen des BND wahr.