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EU-KorruptionsskandalDen eigenen Saustall ausmisten

Kommentar von Barbara Oertel

Der Skandal um Ex-Parlamentsvizepräsidentin Kaili ist Wasser auf den Mühlen Putins. In Ländern, die auf einen Beitritt hoffen, wirkt er demoralisierend.

Wer hat da Dreck am Stecken? Plenarsitzung des EU-Parlaments in Straßburg Foto: Yves Herman/reuters

D er Korruptionsskandal um die ehemalige EU-Parlamentsvizeprä­siden­tin Eva Kaili, der immer weitere Kreise zieht und zu einem ersten Geständnis führte, ist derzeit der Aufreger schlechthin. Zwar gibt es immer wieder Politiker*innen, die den Hals nicht voll bekommen und sich ihre PR-Handlangerdienste vergolden lassen. Dass sie vor allem mit korrupten Autokratien, wie Katar oder auch Aserbaidschan, ins Geschäft kommen, liegt in der Natur der Sache.

Imagepflege gegen Cash – eine Win-win-Situation für beide Seiten. Doch die Außenwirkung solch krassen Fehlverhaltens ist schlichtweg desaströs. Und sie ist Wasser auf die Mühlen von Leuten wie Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die der „moralisch verrotteten dekadenten“ EU nichts sehnlicher wünschen als einen baldigen Niedergang.

Einen nicht minder großen Flurschaden richten derartige kriminelle Machenschaften jedoch auch in Ländern an, die sich Hoffnungen auf einen EU-Beitritt machen. Der ist nicht umsonst zu haben, und die Liste der Hausaufgaben ist lang. In der Regel gehören dazu umfassende Justizreformen nebst messbaren Fortschritten beim Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption.

Auch der Südkaukasusrepublik Georgien attestiert Brüssel hier noch Nachholbedarf. Tbilissi ging im vergangenen Juni bei der Beförderung zum Kandidaten für einen EU-Betritt, anders als die Ukraine und die Re­pu­blik Moldau, leer aus. Bei der Zeugnisvergabe verstieg sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übrigens zu der Aussage, es gebe kein besseres Signal der Hoffnung für die Bevölkerung der drei Staaten.

Wozu sich noch anstrengen

Vor dem Hintergrund der jüngsten Enthüllungen klingt das wie ein schlechter Scherz – vor allem für die Geor­gie­r*in­nen, die mit viel Engagement für einen Wandel in ihrem Land arbeiten. Wozu sich weiter anstrengen, wenn nicht einmal Brüssel selbst seinen Ansprüchen genügt? Diese Doppelmoral lässt keine Hoffnung entstehen, sondern Frust und Enttäuschung. Dazu passt dann auch die jüngste Entscheidung der EU, Bosnien und Herzegowina zum Kandidaten zu küren.

Auch hier ist Korruption kein Fremdwort. Eine Erweiterung als geopolitisches Instrument, um Russland auf dem Westbalkan in die Schranken zu weisen, wiegt jedoch schwerer. Immerhin: Die Causa Kaili hat die Erkenntnis befördert, dass die Europäische Union nicht umhinkommt, ihren eigenen Saustall gründlich auszumisten. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat umfassende Reformen angekündigt, um gegen Korruption vorzugehen.

Dies ist ein überfälliger Schritt, um nicht noch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu verspielen. Und es ist vielleicht auch ein Hoffnungsschimmer für Länder wie Georgien.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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9 Kommentare

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  • Das bei uns Gesetze angewendet werden, spricht nicht gegen, sondern für das System. Wir brauchen offensichtlich Putins Hilfe nicht, er sollte besser in seinem Land anfangen und seine Politik überdenken. Bei den Beitrittsstaaten ist das Fehlen von Antikoruptionsgesetzen. Ich befürchte in Deutschland hätten die Schutzmassnahmen gegen Korupption nicht so gewirkt.

  • Korruption ist kaum vermeidbar. Aber das Strafmaß für Korruption in der Politik so hoch zu setzen, dass es viel abschreckender wird, das wäre leicht erreichbar. Und nicht immer nur vom gläsernen Bürger reden, Politiker*innen sollten viel, viel gläsener sein.

  • Das, was sich bisher gezeigt hat und wie über solche Dinge diskutiert wird, zeigt sich mir trotz aller enthaltenen harschen Worte mehr als ein heftiges Wegschauen an, mit dem Ziel, Schadensbegrenzung dahingehend zu betreiben, daß der Finger besonders lang ist, mit dem auf "die anderen" gezeigt wird.

    Natürlich liegt es auf der Hand, daß Länder, die tatsächlich intensive Korruptionsbekämpfung betreiben, nunmehr ein deutlich geringeres Interesse an einem EU-Beitritt haben.

    Doch wo gibt es denn genau solche Länder? Eher könnte es genau anders herum sein. Die Möglichkeit, ziemlich ungestört der Korruption zu frönen, kann auch zu einem Beitritts-Lockmittel für solche Länder werden, in denen Korruption Teil des Geschäftsmodells ist.

    In solchen Fällen kommt es dann wieder auf die Mehrheitsverhätnisse an. Falls diejenigen Mitgliedsländer die Mehrheit bilden, die ihr Wohl auf Korruption aufbauen, ist ganz sicher nicht damit zu rechnen, daß ein ernst gemeintes Aufräumen stattfinden wird. Es fehlt dann ganz einfach an der Grundbedingung dafür, nämlich zunächst im eigenen Land mit dem eisernen Besen auszukehren.

  • Bei aller berechtigten Kritik an dem #Katargate der EU: Wann wurde in Deutschland angesichts von Korruption und Bestechung auf politischer Ebene je so schnell und konsequent reagiert wie auf EU-Ebene? Kritik aus Deutschland sollte das im Blick halten. Im Vergleich zum Umgang der EU mit Korruption, Bestechung und Lobbyismus ist Deutschland (Bundestag wie Landtage und Kommunen) ein viertklassiges Dritteweltland!

  • Machen wir uns nicht vor - Korruption gab es immer und überall. Muss aber nicht sein.



    Es bleibt eine Daueraufgabe für stabile Gesellschaften, immer wach zu bleiben und gemeinsam gegen Korruption zu arbeiten.



    Korruption entgegenzuwirken gehört zur Alltagsgeschäft stabiler Gesellschaften.



    Also jetzt erts recht Zusammenhalten gegene Korruption und immer dran bleiben.



    Niemals einknicken!

  • Solange Korruption und Lobbyismus den Vorzug erhalten, wird die EU ein politischer Schandfleck bleiben. Man könnte natürlich Entscheidungen auf wissenschaftlicher Basis treffen und Bürger über Entscheidungen informieren und sie damit einbeziehen. Das wäre dann aber eine völlig andere Politik.

  • Korruption scheint so alt zu sein wie die Kulturgeschichte der Menschheit. Schon die alten Römer konjugierten corrumpere, corrumpo, corrupi, corruptum und bei Ciceros philosophischer Schrift De Officiis - Vom pflichtgemässen Handeln finden sich ausführliche Abhandlungen zur Korruption. Da es in den letzten 2.000 Jahren nicht gelungen ist, das Problem zu lösen, wird es wohl auch jetzt und in Zukunft ein ständiger Begleiter bleiben.

  • Alles sehr richtig. Dennoch möchte ich daran erinnern, dass wir von den Transparenzregeln im EU-Parlament hier in Deutschland nur träumen können. Ebenso von der Umsetzung.

    Nüßlein, Löbel et al. lassen grüssen. Die schützende Hand des Bundestagspräsidenten (Datenschutz! Ausgerechnet der!) darüber. Einer, der sich mit schwarzen Koffern auskennt.

    Und dann verdient der sich noch ein salbungsvolles Interview in einer linken Zeitung. Ehrenwerte Gesellschaft nenne ich das.

    Nein, DE kann sich nicht als "Saubermannfrau" aufspielen.

    Und nochmal: ja, auch in der EU sollte ausgemistet werden.

  • 4G
    49242 (Profil gelöscht)

    Machen wir uns nichts vor. Korruption umgibt es überall. Sie beginn bereits in den Gemeinden, wo bei vielen Investitionsvorhaben derjenigen, den Zuschlag bekommt, der sich freigiebiger bei der diskreten Vorteilgewährung zeigt. Korruption ist aber auch im Spiel, wenn Abgeordneten oder Kanzler, nach dem Ausscheiden aus dem offiziellen Dienst, in eine lange vorher diskret versprochene Positionen bei Verbänden oder Unternehmen wechseln, denen ggf. zuvor hilfreich beigesprungen wurde. Korruption ist, wenn Ehrenmänner Großspenden für Parteien annehmen, Ross und Reiter aber nicht nennen wollen.



    Und nicht zuletzt kann der Mandatsträger auch sich selbst korrumpieren, wenn er sein Mandat nutzt, um Vorteile für seine private Nebentätigkeit zu generieren.



    Die gesamte obige Praxis lässt sich letztendlich nur durch eine strikte Begrenzung von Mandatszeiten, ein Verbot von Doppelfunktionen und ein Nebentätigkeitsverbot einschränken/unterbinden. Denn nur so wird dem Aufbau von Seilschaften und Netzwerken entgegengewirkt, der selbst den widerstandsfähigsten Mandatsträger letztendlich korrumpierbar machen. Anfänglich Abstriche, die sich aus dem regelmäßigen Austausch der Mandatsträger ergibt, muss man in Kauf nehmen. Dies ist der Preis, den man für eine wirklich funktionierende Demokratie zahlen muss. Demokratie heißt schließlich Volksherrschaft!