Nach Katar- und Marokkogate: Mit Aktionsplan gegen EU-Korruption

Der Korruptionsskandal im EU-Parlament mit Katar und Marokko zieht weitere Kreise. Nun sollen Transparenz- und Lobbyregeln stark verschärft werden.

Journalisten stehen dicht gedrängt vor einer Traube Anwälten

Von Eva Kailis Anwälten fordern nun viele Antworten, wie hier am 22. Dezember im belgischen Brüssel Foto: Olivier Matthys/ap

BRÜSSEL taz | Als Reaktion auf den Korruptionsskandal um Katar und Marokko will das Europaparlament die Transparenz- und Lobbyregeln deutlich verschärfen. Geplant ist eine sogenannte Abkühlungsfrist von zwei Jahren. In dieser Zeit dürften Ex-Abgeordnete keine Lobbyarbeit mehr machen. Außerdem sollen die Parlamentarier künftig dienstliche Treffen, Reisen und Geschenke offenlegen.

Die Vorschläge sind Teil eines Aktionsplans, den Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Donnerstag dem Fraktionschef vorlegte. Die belgische Justiz beschuldigt den ehemaligen EU-Abgeordneten Antonio Panzeri, nach seinem Ausscheiden eine Lobbyorganisation gegründet zu haben, über die dann Geld geflossen sein soll – unter anderem an die ehemalige Vizepräsidentin Eva Kaili.

Panzeri, Kaili und ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi sitzen seit Mitte Dezember in belgischer Untersuchungshaft. Ihnen wird „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption“ vorgeworfen.

Die Polizei hatte bei mehreren Razzien in Brüssel rund 1,5 Millionen Euro sichergestellt. In der Wohnung von Kaili fanden die Ermittler 150.000 Euro in bar. Die Griechin soll versucht haben, die Politik des Parlaments im Sinne des Emirats Katar beeinflusst zu haben. Panzeri soll Geld aus Marokko angenommen haben.

Aufklärung konzentriert sich auf EU-Parlament

Neben dem EU-Parlament sollen auch andere Institutionen den Einflussversuchen ausgesetzt worden sein. Die EU-Kommission hat eine interne Prüfung eingeleitet; ein Ex-Kommissar hatte Kontakt zu Panzeri und seiner Lobbygruppe.

Bisher konzentriert sich die Aufklärung jedoch auf das Europaparlament. Es hat Kaili aller Ämter enthoben. Bei der Plenarsitzung in der kommenden Woche in Straßburg wollen die Abgeordneten einen Nachfolger für die ehemalige Vizepräsidentin bestimmen. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der Luxemburger Marc Angel. Wie Kaili gehört er der sozialdemokratischen S&D-Fraktion an.

Ebenfalls in der kommenden Woche will das Parlament über schärfere Transparenz- und Lobbyregeln beraten. Die Vorschläge Metsolas, zu denen auch ein Verbot der sogenannten Freundschaftsgruppen gehört, reichen nicht allen aus. Der grüne Europaabgeordnete und Transparenzexperte Daniel Freund spricht zwar von einem „großen Schritt“. Das Reformpaket greife aber immer noch zu kurz.

„Eine Offenlegung des Vermögens von Abgeordneten zu Beginn und Ende der Legislatur ist der vielleicht stärkste Anreiz gegen die Annahme von Schmiergeld“, so Freund. Eine Reform der Ethikregeln müsse umfassend und öffentlich sein.

Eine weitere Abgeordnete tritt zurück

Einige Abgeordnete rufen sogar nach einem Untersuchungsausschuss. Nach den geltenden Regeln kann er aber erst nach dem Ende der Ermittlungen eingeleitet werden.

Nach den spektakulären Enthüllungen im Dezember kommt die belgische Justiz nun wohl nicht mehr so recht voran. Ermittlungsrichter Michel Claise soll eingeräumt haben, dass bisher nicht genügend Beweise gegen Kaili vorlägen.

Dennoch zieht der größte Bestechungsskandal der EU-Geschichte weitere Kreise. Am Mittwoch legte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament, die belgische Sozialistin Marie Arena, ihr Amt nieder. Zuvor war bekannt geworden, dass sie auf Kosten des Emirats eine Reise nach Katar angetreten hatte – ohne diese zu melden. Arena wies alle Vorwürfe zurück.

Allerdings stand sie Panzeri nahe, der früher ebenfalls den Menschenrechts-Ausschuss leitete. Dieser Ausschuss steht nun ebenso im Fokus wie die sozialdemokratische S&D, der fast alle verdächtigten Politiker angehörten. Die Genossen weisen jedoch jede Kollektivschuld von sich. Die bisherigen Erkenntnisse seien nur „die Spitze des Eisbergs“, heißt es in der S&D-Fraktion, auch andere Parteien seien nicht immun gegen Bestechung.

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