Korruptionsskandal im EU-Parlament: Kaili soll Steuern hinterzogen haben
Seit Sonntag sitzt die suspendierte Vizepräsidentin des EU-Parlaments im Gefängnis. Offenbar ermitteln auch griechische Behörden gegen sie.
Das berichtet die konservative Athener Zeitung Estia in ihrer Montagsausgabe. Demnach stehe die Europaabgeordnete im Visier der griechischen Finanzbehörde AADE, weil sie ihre Einkünfte als Europaabgeordnete nicht in Griechenland mit dem dafür fälligen Höchststeuersatz in Höhe von 45 Prozent versteuert haben soll.
Die Besteuerung in Griechenland hätte aber laut griechischem Gesetz erfolgen müssen. Denn zwischen Griechenland und Belgien gebe es kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkünften griechischer Staatsangehöriger.
Die überwiegende Mehrheit der insgesamt 21 griechischen Europaabgeordneten habe den in Athen zuständigen Vize-Minister Apostolos Vezyropoulos um Informationen darüber gebeten, was in Sachen Besteuerung ihrer Einkünfte als Europaabgeordnete gelte. Konkret wollten die Parlamentarier wissen, ob es ausreiche, ihr Einkommen in Belgien mit dem dort gültigen Steuersatz in Höhe von 20 Prozent zu versteuern oder ob sie ihre Einkünfte auch in Griechenland zu versteuern haben.
400.000 Euro an Steuern hinterzogen
Die Europaabgeordneten haben, berichtet Estia, die Antwort erhalten, sie müssen ihre Steuererklärung auch in Griechenland abgeben. Die griechische Steuerbehörde AADE ziehe die in Belgien entrichtete Einkommenssteuer in Höhe von 20 Prozent ab und besteuere anschließend das Einkommen mit weiteren 25 Prozent, um so auf den in Griechenland geltenden Höchststeuersatz in Höhe von 45 Prozent zu kommen, so die Auskunft.
Wie die Zeitung weiter berichtet, habe sich die Mehrheit der Abgeordneten an das griechische Recht gehalten. Nur ein kleiner Teil der 21 griechischen Europaabgeordneten, darunter auch Eva Kaili, haben offenbar die Auskunft der griechischen Regierung und der Steuerbehörde AADE entweder ignoriert oder nicht nachgefragt.
Estia zufolge hat die AADE im Fall Kaili, die seit 2014 Europaabgeordnete ist, für den Zeitraum von 2014 bis 2019 eine Steuerhinterziehung in Höhe von kumuliert 400.000 Euro festgestellt.
Mit den in Griechenland üblichen fetten Strafzinsen und Versäumniszuschlägen könne sich die offene Steuerzahlung an den griechischen Fiskus unterdessen womöglich auf bis zu einer Million Euro erhöht haben, falls Kaili ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen sei.
Kaili hat beträchtliches Vermögen
Unterdessen berichtet die Tageszeitung Kathimerini, dass alle beweglichen und unbeweglichen Vermögenswerte wie Bankguthaben, Aktienbeteiligungen und Immobilien von Eva Kaili sowie ihrer Angehörigen in Griechenland eingefroren worden seien.
Dies habe der Leiter der Athener Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Staatsanwalt Charalambos Vourliotis, angeordnet. Davon seien unterdessen alle Geschäftsbanken sowie Kataster- und Grundbuchämter in Griechenland unterrichtet worden.
Hintergrund für den Schritt der Athener Anti-Geldwäsche-Einheit ist, dass nach den spektakulären Entwicklungen in Brüssel Vermögenswerte von Kaili und Co. in Griechenland gesichert werden, die aus möglichen Geldwäscheaktivitäten erworben worden sein könnten.
In diesem Zusammenhang wurde in Athen am Montag auch bekannt, dass Kaili mit ihrem Partner, dem Italiener Francesco Giorgi, vor einem Monat eine Immoblieninvestmentfirma in Athen gegründet hatte. Die Firma hat ihren Sitz in der Skoufa-Straße im zentralen Athener Nobelviertel Kolonaki. Giorgi sitzt wie Kaili seit Sonntag in einem Brüsseler Gefängnis.
Kailis Vermögen in Griechenland ist beträchtlich. Wie aus ihrem Einkommens- und Vermögensverzeichnis hervorgeht, das sie Jahr für Jahr auch als Europaabgeordnete dem Athener Parlament gegenüber zu deklarieren hat, wuchsen ihre Spar- und Termineinlagen von 70.585,61 Euro (2013) auf 463.197,69 Euro (2020) – jüngere Daten liegen noch nicht vor. Darüber hinaus gehören ihr sechs Immobilien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?