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Studie zum SicherheitsempfindenGefahr im eigenen Haus

Nicole Opitz
Kommentar von Nicole Opitz

Mehr als die Hälfte aller Frauen fühlt sich nachts nicht sicher. Tatsächlich werden die meisten Gewaltverbrechen in den eigenen vier Wänden verübt.

Leere Straßen in der Dunkelheit: Frauen und Männer fühlen sich hier unterschiedlich sicher Foto: Kirchner-Media/imago

F rauen fühlen sich nachts in der Öffentlichkeit unsicherer als Männer. Das ist einer der Kernbefunde einer neuen Studie des Bundeskriminalamts (BKA), die am Dienstag gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium (BMI) vorgestellt wurde. Laut BMI ist die Umfrage mit 45.000 Teil­neh­me­r:in­nen die größte zum Thema Kriminalität, die je in Deutschland vorgenommen wurde.

Männer fühlen sich in der Öffentlichkeit weitestgehend sicher, während andere Geschlechter nachts den ÖPNV sowie bestimmte Plätze und Parks im Dunkeln meiden. Laut BKA sind es 58 Prozent der Frauen, andere Geschlechter wurden nicht berücksichtigt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will „nicht hinnehmen“, dass Frauen nachts nicht in öffentliche Verkehrsmittel steigen, weil sie sich unsicher fühlen: „Wir brauchen höhere Polizeipräsenz an manchen Orten und mehr Videoüberwachung.“

Doch Videoüberwachung und mehr Polizei führen nicht automatisch zu einem besseren Sicherheitsgefühl. Die Angst der Frauen, wenn sie nachts allein unterwegs sind, ist nicht neu. Was indes weitgehend untergeht, ist die Tatsache, dass Gewalt zumeist im näherem Umfeld stattfindet. So ergab die Umfrage auch, dass zwar Männer häufiger Opfer von Straftaten werden, aber Frauen deutlich häufiger von sexualisierter Gewalt und „Partnerschaftsgewalt“ betroffen sind.

Problematisch bei sexualisierter Gewalt ist, dass schätzungsweise nur ein Prozent der Fälle angezeigt wird. Opfern von häuslicher und sexualisierter Gewalt wird bis heute oft nicht geglaubt, bisweilen werden sie sogar diffamiert.

Eine Gesellschaft zu schaffen, die Überlebende sexualisierter Gewalt ernst nimmt und die aktiv dazu beigeträgt, dass es gar nicht erst zu sexualisierten Gewaltübergriffen kommt, muss das zentrale Ziel sein. Dazu gehören Aufklärung und Täterarbeit, eine grundlegend andere Sozialisierung der Geschlechter und nicht zuletzt rechtzeitige Hilfestellung für Frauen, die in ihrem unmittelbaren Umfeld bedroht werden.

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Nicole Opitz
Redakteurin
Seit 2019 bei der taz. Interessiert sich vor allem für Feminismus, Gesundheit & soziale Ungleichheit. BVHK-Journalismuspreis 2023. Derzeit in Schreibpause.
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20 Kommentare

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  • Der Artikel macht mich schon etwas stutzig. Es geht doch wohl in erster Linie darum, die Ängste von Menschen ernst zu nehmen.

    Welche Schlüsse man daraus zieht und ob nun Videoüberwachung dabei hilfreich ist, kann man sicher diskutieren.

    Aber wenn sich ein großer Teil der Frauen in bestimmten Bereichen des öffentlichen Raums nicht sicher fühlt, hat das schon Gründe.

    Ihnen da entgegen zu halten, "aber zu Hause isses doch laut Statistik gefährlicher", empfinde ich ziemlich vorbei an der Forderung

    "Eine Gesellschaft zu schaffen, die Überlebende sexualisierter Gewalt ernst nimmt und die aktiv dazu beigeträgt, dass es gar nicht erst zu sexualisierten Gewaltübergriffen kommt, muss das zentrale Ziel sein."

  • 'Problematisch bei sexualisierter Gewalt ist, dass schätzungsweise nur ein Prozent der Fälle angezeigt wird."

    Worauf basiert und von wem kommt diese Schätzung?

  • Auf Grund der Tatsache, dass die meisten Gewalttaten gegen Frauen im sozialen Nahbereich stattfinden, sollte man die Angst im Öffentlichen Raum nicht als Nebenschauplatz vernachlässigen. Diese schränkt nämlich ein freies Leben enorm ein. Und die Tatsache, dass im Öffentlichen Raum weniger passiert als im privaten kann auch mit der die Bewegungsfreiheit einschränkenden Vorsicht der Frauen zusammenhängen. (Für mich persönlich hat sich der ÖR als gefährlicher als der PR herausgestellt - wobei mir z.B. vorgeworfen wurde, dass ich nachts alleine unterwegs war.)

  • Die Moderation: Kommentar entfernt, bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    • @lutz thomas:

      Die allermeisten Angriffe auf Frauen werden von weißen Männern verübt, geht ganz klar aus allen Statistiken hervor.

  • Nachts im öffentlichen Raum fühlen Frauen sich deutlich stärker bedroht, als zu Hause und im engeren Umfeld. Das ist zuerst einmal eine Tatsache, der man begegnen muss. Dass Frauen in Wirklichkeit aber eben deutlich stärker durch den eigenen Partner oder Freunde gefährdet sind, ist eine andere Tatsache. Und übrigens ein Widerspruch. Beide Tatsachen erfordern jedenfalls andere Mittel. Wenn nur geschätzt ein Prozent häuslicher Gewalt angezeigt wird, dann ist das übrigens noch ein weitetes, ein eigenes Problem, das zuallererst die Frauen für sich selber angehen müssen. Das kann man nicht einfach durch "oft nicht geglaubt" abtun.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Dieses "stärker gefährdet" ist aber komplizierter, da sich Frauen im Öffentlichen Raum von vorneherein vorsichtiger als Männer verhalten; also sich auch weniger der "Chance" für einen Übergriff aussetzen.

  • Ja, Ja, zuhause ist es am gefährlichsten. Das hat mir der Fuzi von der Versicherung auch erzählt und versucht mir eine Unfallversicherung anzudrehen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es für Frauen Gebiete und Einrichtungen gibt, die du besser nicht betritts. Frau Faeser bewegt sich bestimmt nur mit Fahrer und Dienstwagen und kennt das Gefühl der Angst in einer U-Bahn nicht.

    • @V M:

      Echt?



      Also ich bin eine Frau. 33 Jahre alt sehe nicht schlecht aus und es gibt keine Gebiete oder so wo ich mich unsicher fühlen würde.



      Auch nachts im dunklen Park fühle ich mich sicher.

      Ich habe die Erfahrung gemacht, seitdem ich selbstbewusster bin und meine Grenzen im Zweifelsfall lautstark verteidige, das Männer sich verziehen wenn man laut wird und klar kommuniziert das man gefälligst in ruhe gelassen werden will.

      Ich weiß allerdings auch wie es ist, wenn man ein Kind (10/11/12) ist und sich nicht traut etwas zu sagen und der Typ der neben einem sitzt nicht aufhört das Bein zu streicheln und die anderen Fahrgäste plötzlich alle feststellen das sie Schuhe haben.



      Da würde mehr Zivilcourage wahrscheinlich deutlich mehr helfen als Polizisten die regelmäßig in der Bahn fahren.

      • @Badmonstercat:

        ECHT

        Ich bin 22 sehr sportlich und randvoll mit Selbstvertrauen. Ich habe es auch nicht nötig laut zu werden. Im Wald habe selbstverständlich keine Angst. Aber nachts über den Alex zur U-Bahn gehen, tue ich mir nicht an. Ich bin es so leid ständig dumm angemacht zu werden. Auf Zivilcourage der anderen zu setzen, können Sie echt vergessen, da ist es schon besser einen kleinen Sprint einzulegen.

      • @Badmonstercat:

        Sie haben beide Recht. Ich gebe zu bedenken, dass Selbstvertrauen nicht immer hilft; es kommt auf die Situation, die Konstitution des "Gegners" und vor allem auch auf dessen Anzahl an.

    • @V M:

      ???

      Frau Faeser hat doch Verständnis dafür und möchte es ändern.

      Frau Opitz ist diejenige, die sagt, die Angst gehe in die falsche Richtung, die Probleme würden woanders liegen:

      "Was indes weitgehend untergeht, ist die Tatsache, dass Gewalt zumeist im näherem Umfeld stattfindet."

  • Ich bin für verpflichtende Selbstverteidigungskurse - Kostenübernahme durch die jeweiligen Bundesländer , für Frauen und Männer ab dem 10. Lebensjahr.

  • ich bin auch nicht gerade für mehr Überwachung, aber gerade in Bahnhofsgegenden wären Kameras schon hilfreich, auch um den betroffenen Fraauen möglichst viel Befragungen zu ersparen.

  • Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will „nicht hinnehmen“, dass Frauen nachts nicht in öffentliche Verkehrsmittel steigen, weil sie sich unsicher fühlen: „Wir brauchen höhere Polizeipräsenz an manchen Orten und mehr Videoüberwachung.“

    Ich glaube die unangenehmste Situation hatte ich mit 18 Jahren abends im Düsseldorfer Hbf. Ein Jungensellenabschied stand mit ca 12/15 Personen im Kreis um mich herum und wollte das ich meine Brüste zeige.



    Es war hell, es gab Kameras und Polizisten und andere Sicherheitsdienste die durch den Bahnhof Streifen.

    Klar ich beschreibe einen Einzelfall, es würde wahrscheinlich mehr helfen wenn man offener bauen würde. So das niemand durch schlecht einsehbare Plätze und Gassen gehen muss.

    Ich bin absolut nicht davon überzeugt das mehr Überwachung da hilft.

    Viel effektiver wäre es wenn solche Vergehen öfter bestraft würden und Opfer sexualisierter Gewalt durch den Strafverfolgungsprozess nicht zusätzlich traumatisiert werden.

    • @Badmonstercat:

      versteh ich aber um zu bestrafen wären (wenigstens in Bahnhofgegenden) Kameras schon hilfreich , dass würde der Betroffenen auch viele Verhöre ersparen...

      • @beck jürgen:

        Die sind doch in Städten schon alle Video überwacht. Zumindest hier in nrw zusätzlich noch viele andere öffentliche Plätze und Stellen. Alle Busse und Bahnen etc.

  • Das ist alles sehr ernüchternd. Die meisten von uns Männern haben nicht einmal eine Vorstellung davon, wie sich das anfühlen mag.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Wenn ich die Forderung von Frau Fraeser lese, zeigt das mal wieder die Unkenntnis der Politik zu dem, was draussen passiert.



    Mehr Videoüberwachung schützt die Frauen? Haut die Kamera den Täter um? Sicherlich!



    Das ist so unfassbar zynisch und weltfremd.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Vollkommen richtig.



      Wo bietet Videoüberwachung Schutz? Zumal es schlussendlich bei Sexualdelikten zumeist nur "saftige Bewährungsstrafen gibt" (zynisch).



      Traumata halten dagegen ein Leben lang.