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AKWs, Kitas und Disstracks gegen PrechtEs knallt

Der Kanzler haut auf den Tisch im Streit um die AKW-Verlängerung. Johnson möchte zurück auf seinen Thron. Und ein Weg zum bundesweiten Bällchenparadies.

Lindner und Habeck rammen den Tisch mit Schmackes unter Scholz’ Faust Foto: Kay Nietfeld/dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Chinas großer Führer lässt seinen Vorgänger vor aller Augen abführen.

Und was wird besser in dieser?

Friedrich Merz schon ein bisschen neidisch.

Papa Scholz hat im Atomstreit der Kleinen auf den Tisch gehauen und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. War das einmal nötig?

Scholz demonstriert Führung, Lindner irgendwas mit mehr Atom und die Grünen behaupten ihr Alleinstellungsmerkmal: „Wir verlängern am kürzesten!“ Das ist auch sprachlich handlicher als: Rot-Grün stieg aus, woraus Merkel ausstieg, um nach Fukushima aus ihrem Ausstieg vom Ausstieg auszusteigen, woraus die Ampel nun aussteigt. Hoch vier. Da im AKW Lingen / Emsland schon im November die Brennstäbe ausdieseln, wirkt Olafs Ukas auf der Sachebene eher anmutig esoterisch. Fürs Image mögen sich alle drei freudig erregt verrumpelstilzen. Um im Bild zu bleiben: Lindner und Habeck rammen den Tisch mit Schmackes unter Scholz’ Faust. Knallt doch auch.

Laut einer Studie der Bertelsmannstiftung fehlen nächstes Jahr 384.000 Kitaplätze. Wohin dann mit den Kindern?

Allein in NRW fehlen gut 100.000 Kita-Plätze, man könnte den Bertelsmann-Sitz Gütersloh komplett mit Kindern bevölkern und gespannt sein, was für Studien demnächst von dort kommen. Dagegen fehlen in Ostdeutschland weniger Plätze – um den Preis höherer Selbstausbeutung des Personals. Dieses Gefälle 32 Jahre nach der Vereinigung beleuchtet ein erheblich unterwummstes Politikfeld: Mit 4,3 Milliarden Euro, so die Studie weiter, wären wir ein bundesweites Bällchenparadies. Schnelle Linderung brächte der Verzicht auf viel Formularkram – das kann man die Kinder nun wirklich selber machen lassen. Bunt.

Die britische Premierministerin Truss tritt zurück. Ihre Amtszeit dauerte kürzer als ein Praktikum in der taz. Wo würden Sie gerne mal ein Praktikum machen?

Hallo taz? 1981? Ich so: bewerb, beweb, Ihr so: nö.

Im Eiltempo wird in Großbritannien jetzt versucht, die Nachfolge zu regeln. Ex-Premier Boris Johnson ist auch im Gespräch. Reichen sechs Wochen, um seine Eskapaden vergessen zu machen?

Es läuft auf Rishi Sunak zu, der Johnsons Brutus war und dafür mit einer milden Dosis Liz Truss abgestraft wurde. Sunak ist Brexiteer, privat sehr vermögend, hat als Finanzminister erhebliches zum Ruin der britischen Staatsfinanzen beigetragen oder wie man im Vereinigten Königreich sagt: affärenfrei. Johnson hat das wunderliche Talent, jedes Habitat in einen zerdepperten Porzellanladen zu verwandeln. So gesehen eine Mutprobe für die Tories: Nach einem Irren und einer losen Kanone mal ein Migrationshintergrund. Man scheut den Satz: „It can’t get worse.“

Der ehemalige österreichische Staatssekretär Schmid sagte aus, Ex-Kanzler Kurz habe ihn beauftragt, geschönte Umfragen in Umlauf zu bringen. Wen lassen Sie für sich hochstapeln?

Der Skandal setzt eine Stufe früher an: Die österreichische Presselandschaft ist komplett abhängig von der staatlichen „Presseförderung“. Sie gliedert sich in „allgemeine“, „besondere“ und einfach geradeaus korrupte: 2020 schalteten öffentliche Stellen für 67 Millionen Euro Anzeigen in Tageszeitungen. Kurz verband dieses in sich höfische Gunstsystem mit der Forderung, gefällige Umfragen zu veröffentlichen. So gesehen erfreulich, dass die heillos zerfurchten deutschen Zeitungsverleger das Angebot, 200 Millionen vom Staat zu kassieren, bisher nicht umsetzen konnten. Ich staple tief, Gratiszeitungen zwei Meter vom Briefkasten zur Altpapiertonne.

Carolin Kebekus hat ein spottendes Rap-Musikvideo über Richard David Precht veröffentlicht. Ist Rap das beste Kritikformat und wer hätte noch einen Disstrack verdient?

Redaktionssitzung im WDR: „Die neue Staffel beginnt, wir brauchen einen BÄNG!“ – „Ok, wen könnten wir dissen?“ – „Na ja, Kirche, Corona, Ausländerfeinde, haben wir alles durch.“ – „Nehmen wir doch irgendeinen Hampel, der ständig bei Lanz rumsitzt, das gibt awareness.“ – „Hey, Precht und Welzer haben die Medien angegriffen, da ist uns billiger Applaus sicher!“ – „Okay, Kopf ist Precht, Zahl ist Welzer.“

Und was machen die Borussen?

Torwart Gregor Kobel hält unmögliche Bälle, um sie anschließend irrlichternd sonst wohin zu ballern. Er tut das, damit er nie so unsympathisch wird wie irgendwelche Perfektionisten. Doch, bestimmt.

Fragen: Alexandra Hilpert, Daniel Schütz

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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