Sebastian Kurz droht Strafverfahren: Österreichs Ex-Kanzler in Nöten

Ein früherer enger Vertrauter von Sebastian Kurz packt vor der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge aus. Das „Geständnis“ des Thomas Schmid hat es in sich.

Mann mit Schlips vor einer blauen Wand

Der Staatsanwaltschaft gegenüber extrem auskunftsfreudig: Thomas Schmid Foto: Hans Punz/picture alliance

WIEN taz | Thomas Schmid war schon lange eine politische Zeitbombe für die ÖVP. Jetzt ist sie explodiert. Wie am Dienstag bekannt wurde, hat Schmid Kronzeugenstatus beantragt und wohl offenherzig geplaudert. Für Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seine Seilschaft ist das eine schlechte Nachricht. Ein Strafverfahren wirkt unvermeidlich.

Der frühere Kurz-Vertraute, der mittlerweile in den Niederlanden lebt, kooperierte seit April mit der Staatsanwaltschaft. In 15 ganztägigen Befragungen habe er bisher unbekannte Details über parteipolitische Postenbesetzungen, gekaufte Umfragen und unlautere Methoden der Machtübernahme offenbart. Aus Gründen der Geheimhaltung befragte ihn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Graz.

Thomas Schmid ist ein ­Karrierist, der mit dem Aufstieg von Sebastian Kurz zu hoch bezahlten Ämtern gekommen ist. Seinen Charakter entblößte er in Chats, in denen er Menschen, die ohne VIP-Status reisen müssen, als „Pöbel“ abqualifizierte. Sein bei einer Hausdurchsuchung 2019 beschlagnahmtes Handy entpuppte sich als Fundgrube an Chats mit Kurz und dessen Vertrauten, über die der jugendliche Kanzler vor einem Jahr gestolpert ist. Als Angestellter des deutschstämmigen Silicon-Valley-Investors Peter Thiel verdient der junge Altkanzler jetzt viel Geld. Seine politische Vergangenheit holt ihn aber bereits ein.

Da geht es einmal um das sogenannte Beinschab-Österreich-Tool, das maßgeblich geholfen hat, Kurz an die Spitze der ÖVP, dann an selbige der Regierung und zuletzt in den politischen Orkus zu befördern. Bekannt ist, dass Schmid mit der Meinungsforscherin Sabine Beinschab und der Gratiszeitung Österreich der Gebrüder Wolfgang und Helmuth Fellner geschönte Umfragen veröffentlichen ließ, die die Popularität des politischen Shootingstars vergrößerten. Kurz hat hartnäckig behauptet, das habe sich hinter seinem Rücken abgespielt.

Filz, Steuerlügen und Korruption

Schmid gab jetzt vor der WKStA zu Protokoll, Kurz habe die Intrige sogar in Auftrag gegeben. Als die Affäre letztes Jahr aufflog, so Schmid gegenüber der WKStA, habe Kurz seinen ehemals bedingungslosen Erfüllungsgehilfen aufgefordert, alle Schuld auf sich zu nehmen und eidesstattlich zu erklären, Kurz habe von nichts gewusst. Für Schmid, so das 454 Seiten starke Protokoll, ein Anlass „einen Schlussstrich zu ziehen“, die „Sache aufzuarbeiten“. Denn: „Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren.“

Keine Freude an den Aussagen von Schmid, der zur fraglichen Zeit Generalsekretär im Finanzministerium war, hat auch Nationalsratspräsident Wolfgang Sobotka. Als er erfuhr, dass zwei ÖVP-Stiftungen, von denen er einer vorstand, eine Steuerprüfung drohe, soll er bei Schmid interveniert haben: Das sei zu erledigen. Es sei dann, so das Protokoll, „im Sinn von Mag. Sobotka erledigt worden.“

Hans-Jörg Schelling (ÖVP), der unter der rot-schwarzen Regierung vor 2017 Finanzminister war, soll dem Putin-freundlichen Unternehmer Siegfried Wolf eine drohende Steuernachzahlung in sechsstelliger Höhe erspart haben. Außerdem habe er Schmid für private Geschäfte missbraucht. Der Nebenerwerbswinzer beauftragte ihn, 1.000 Flaschen hochpreisigen Schelling-Weins an den Glücksspielkonzern Novomatic zu verkaufen.

Steuern sparen wollte auch der Tiroler Immobilientycoon René Benko. Bei Treffen auf Jachten und in Luxusrestaurants habe er Schmid eine Stelle in seinem Konzern Signa angeboten. Jahresgage: 300.000 Euro plus Boni in gleicher Höhe. Als Gegenleistung solle er Steuerschulden in Millionenhöhe verschwinden lassen. Schmid saß damals als Generalsekretär im Finanzministerium an der richtigen Stelle. Am Dienstag durchsuchte die Polizei Benkos Innsbrucker Büro.

Gewohnt aggressiv

Die ÖVP reagierte auf die Enthüllungen gewohnt aggressiv und stellte Schmid als gewissenlosen Lügner hin: „Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück“, erklärte Sobotka im Kurier vom Mittwoch. Jemandem, der sich als Kronzeuge retten wolle, sei jedes Mittel recht: „Mit dem Anschwärzen politischer Entscheidungsträger ist maximale mediale Aufmerksamkeit garantiert.“

Von Sebastian Kurz ist keine Stellungnahme überliefert. Noch letzte Woche gab er Serien-Interviews zu einem Buch, in dem er seine Zeit in der Politik in Interviewform abhandelt. Über die Korruptionsaffären geht er dabei nonchalant hinweg. Sein Anwalt Werner Suppan wies jetzt in Bezug auf Schmids Aussagen darauf hin, dass vor der Staatsanwaltschaft keine Wahrheitspflicht gelte. Das gilt auch für Beschuldigte vor Gericht, wo der nächste Akt des Dramas stattfinden wird.

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