piwik no script img

Asyl für russische Kriegs­verweigererEU noch uneins

Deutschland ist offen für die Aufnahme russischer Deserteure. In der Europäischen Union wird noch diskutiert.

Ein russischer Asylanträger in Finnland Foto: Jussi Nukari/Lehtikuva/via reuters

Berlin taz | In Deutschland heißen Po­li­ti­ke­r:in­nen russische Kriegsdienstverweigerer willkommen – zumindest theoretisch. Praktisch ist die Reise von Russland nach Deutschland durch verschiedene Reisebeschränkungen der Grenzstaaten in den vergangenen Monaten stark erschwert worden. Am Montag beraten die 27 EU-Botschafter:innen über eine europäische Einheitslösung. Noch ist kein Ergebnis bekannt.

Deutschland und Frankreich fordern am lautesten eine Aufnahme russischer Deserteure. Andere EU-Staaten, darunter Finnland und das Baltikum, stellen sich dagegen. Sie sehen eine Gefahr, dass dadurch bewusst Spione nach Europa gebracht werden könnten. Auch in Deutschland warnt die Union davor.

Einzelfallprüfung bleibt

Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte zuletzt, dass bei Asylanträgen der Einzelfall überprüft werden müsse – niemand solle sich im Auftrag der russischen Regierung nach Europa bewegen können. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verweist darauf, dass Deserteure, die von schweren Repressionen bedroht sind, in der Regel internationalen Schutz in Deutschland erhielten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bestätigte dies.

Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin letzte Woche die Teilmobilmachung in seinem Land verkündete, sind Zehntausende russische Staats­bür­ge­r:in­nen ausgereist. Am Wochenende verschärfte Putin die Strafen für die Verweigerung des Kriegsdienstes auf bis zu 15 Jahre Gefängnisstrafe. Am Montag gab ein Sprecher des Auswärtigen Amtes an, dass seit Februar dieses Jahres international über 50.000 Visaanträge von russischen Staats­bür­ge­r:in­nen an Deutschland gestellt und bearbeitet wurden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Wie bei Panzern dann bitte auch hier keine deutschen Alleingänge, wenn schon den schon.

    • @Machiavelli:

      Kein anderes autopäisches Land würde aktuell in nennenswerter Zahl irgendwelche Geflüchteten egal woher und warum aufnehmen. Schon den Eindruck zu vermitteln es könne da eine europäische Lösung geben, ist doch nur eine Ausrede um Zeit zu gewinnen denn natürlich wird auch Deutschland nicht bis zu 45 Mio wehrtüchtigen Russen Aufnahmebereitschaft signalisieren. Da könnten wir die AfD sonst auch gleich zum nächsten Wahlsieger proklamieren.

  • Es muss alles getan werden um der russischen Armee Personal zu entziehen, ob es sich bei denen jetzt um die vermeintlich bessersituierten der russ. Gesellschaft handelt ist da erstmal egal. Ich würde sogar sagen, selbst wenn es sich um bisher systemtreue handelt, müssen wir die gerade aufnehmen (Ausnahme, sie haben Straftaten begangen). Politik muss hier pragmatisch vorgehen, aus strategischen Gründen. Auch aus wirtschaftlichen Gründen müssten wir doch dankbar sein wenn wir mehr Leute kriegen, haben wir nicht einen Mangel an Fachpersonal?

    Ich erinnere mich noch gut wie man hierzulande Leute, die nach allen Standards vollintegriert waren, die man zum großen Teil sogar hier ausgebildet hat, auch in hochqualifizierten Berufen, in die man also investiert hat, ohne Erbarmen abgeschoben hat, um sich bei der "konservativen" Wählerschaft oder den eigenen Parteifreunden zu profilieren. Damit muss Schluss sein. Gerade "Konservativen" müsste doch bei derartiger Verschwendung das Herz bluten (wenn es sie schon aus rein humanistischen Gründen nicht schmerzt) Aber garantiert wird man auch diesmal, wenn man sie reinlässt, die Chance nicht verstreichen lassen, sie wieder abzuschieben (wir haben ja sogar nach Tschetschenien abgeschoben, machen wir das eigentlich immer noch?)

    • @ingrid werner:

      Ich weis nicht ob schlecht motivierte Soldaten nicht mehr Schaden anrichten wenn sie in der russischen Armee sind, ich habe mal gehört das eine Einheit nutzlos wird wenn nur 10% der Soldaten schlecht motiviert sind. Wenn nur 1% sabotiert kommt die ganze Armee in Teufelsküche.

      • @Machiavelli:

        mag sein. Aber Russland setzt, wie die Gerüchteküche geht auf Masse. Und die unmotivierten, so die Kalkulation werden entweder kämpfen, schon um ihre Haut zu retten oder untergehen. Russische Auslandsmedien dozhd/ Tvrain wollen wissen dass Putin im geheimen Teil seines Ukas 1Mio reingeschrieben hat, die eingezogen werden können/sollen. Und die, die nicht kämpfen wollen werden auf dem Schlachtfeld damit anfangen oder untergehen. Die ach so gewieften Kalkulationen der Militärstrategen sind oft recht einfach. Andererseits entwickelt man mit 1 Mio schon einen recht großen Druck, würde ich mal sagen. Für Russen, die jetzt abhauen ist es die letzte Chance.

        • @ingrid werner:

          1 Million Soldaten kann Russland niemals versorgen. Sollte das wirklich der Plan sein wird das zum Kollaps der russischen Armee führen.

          • @Machiavelli:

            so viel haben die Chinesen auch im Koreakrieg aufgeboten um die Amerikaner wieder hinter die Demarkationsline zu treiben. Ich denke auch, die Russen werden die nicht auf einmal losschicken. Die Ukrainer, hab ich neulich gelesen haben übrigens auch 900.000 Reservisten, wie schnell die einsatzbereit sind kann ich allerdings auch nicht sagen.

  • Dem Recht auf Verweigerung Gewicht verschaffen, dem Krieg der Russen die Ressourcen entziehen, das sollte unmissverständlich die klare, wertebasierte Haltung im demokratischen Europa sein. Völlig wumpe, wer da wieder im Störfeuer undiplomatisch hetzt. Menschenrechte haben Priorität./



    /



    www.humanrights.ch...dienstverweigerung



    /



    www.friedenskooper...ienstverweigerung/



    /



    Für das Gewissen gibt es hier keine Kompromisslinie, der Gewalt abzuschwören ist ein lobenswertes Signal für die verbliebenen Wankelmütigen in Russland. Die Haltung hier erzeugt sicher ein Echo.

  • Dieser unkontrollierte Schnellschuss im Alleingang wird uns schaden.

  • Eine Aufnahme in der EU käme besonders den innerhalb der russischen Gesellschaft privilegierten, denen mit genug finanziellen Mitteln, zugute. Das sind dann auch meistens noch die „Systemtreuen“ Den am stärksten Betroffenen in den südlichen und östlichen Privinzen Russlands hilft das Angebot einer Aufnahme in der EU wenig. Sie haben oft nicht einmal einen Reisepass der ihnen die Ausreise aus Russland erlauben würde.



    Ich halte es gar für besser, der Linie der Balten und Polen zu folgen und die Kriegsunwilligen nicht aufzunehmen. Sie könnten mit ihrem Unmut politisch gesehen in Russland mehr erreichen um das System Putin zum Wanken zu bringen und den Krieg auf diese Weise zu beenden.

    • @dahaddi :

      Das denke ich auch. Es sind die eher Privilegierten, die kommen werden. Die wirklich Armen haben keine Möglichkeit dazu (ist ähnlich, wie bei Ukraine-Flüchtlingen).

  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) behauptet auch seit Jahren, dass verfolgte Homosexuelle Schutz erhalten, obwohl es selbst seit Jahren alles tut, was es tun kann, um das Leben, die körperliche und psychische Unversehrtheit von Homosexuellen zu gefährden. Genau so handhabt es dieses Amt auch bei Deserteuren. Seine Statements sind reine Beruhigungspillen, die von seiner tatsächlichen menschenverachtenden Praxis ablenken.

  • Ich frag mich schon länger, warum man den Deserteuren nicht sogar eine Prämie bietet.

    • @KnorkeM:

      Sehr gute Idee! Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aller Kriegsparteien Asyl anbieten. - Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin. Kommt jetzt nicht mit : aber Putin - an diesem Krieg ist auch die USA beteiligt (z.B. Nuland)