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Armee-Musiker*innen spielen „Layla“Die Bundeswehr schunkelt mit

Das Heeresmusikkorps Kassel spielt auf einem Fest den Hit „Layla“ – trotz sexistischem Text. Konsequenzen hat das für die Sol­da­t*in­nen wohl nicht.

Trommelwirbel: Musikkorps des Wachbataillons der Bundeswehr, Archivbild von 1998 Foto: Friedrich Stark/imago

Die Fest­be­su­che­r*in­nen auf dem Schützenplatz von Olpe hatten ihren Spaß, wie man in einem YouTube-Video sieht. Der frisch gekürte Schützenkönig und seine Frau tanzten auf dem Tisch. Das Publikum klatschte und johlte. Es lief ja auch gerade „Layla“, der Nummer-eins-Hit aus den Charts, der eine eingängige Melodie hat, aber wegen seines sexistischen Textes („Meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler“) umstritten ist.

Eigentlich nicht ungewöhnlich für ein Volksfest. Was die Szene im Sauerland dann aber doch speziell machte: Der Song kam nicht aus der Konserve, sondern wurde live gespielt – in einer Blasmusikversion von Sol­da­ten des Heeresmusikkorps Kassel, die das Fest begleiteten. Der Oberstleutnant, der die Kapelle leitet, dirigierte nicht nur seine Musiker, sondern heizte laut singend auch die Zu­schaue­r*in­nen an.

Die Debatte über das Lied sei für ihn völlig überzogen, sagte der 41-Jährige in dieser Woche der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen. „Wer sucht, wird in vielen Liedern Sexismus finden.“

Weniger begeistert als das Publikum in Olpe reagierten die Vorgesetzten des Oberstleutnants. „Selbstverständlich distanziert sich der Militärmusikdienst, wie auch die gesamte Bundeswehr von Diskriminierung, Benachteiligung oder sexistischer Darstellung“, sagte ein Sprecher des Zentrums Militärmusik der Bundeswehr der taz. „Der Leiter des Heeresmusikkorps Kassel wurde hinsichtlich der hier vorliegenden Thematik sensibilisiert.“

Nachsicht von den Vorgesetzten

Ein „Layla“-Verbot haben Bundeswehr und Verteidigungsministerium aber ihren Mu­si­ke­r*in­nen nicht erteilt. „Die Leiter der Musikeinheiten des Militärmusikdienstes der Bundeswehr sind in ihrer Programmauswahl grundsätzlich frei“, sagte der Sprecher. Disziplinarmaßnahmen hat der Oberstleutnant wohl nicht zu befürchten.

In einem anderen Fall, in dem eine Soldatin öffentlich sexuelle Präferenzen äußerte, griff die Bundeswehr härter durch: Ende Mai bestätigte das Bundesverwaltungsgericht einen Verweis für eine transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin. Auf ihrem Profil einer Dating-Plattform hatte sie geschrieben: „Offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“

Nach Auffassung des zuständigen Truppendienstgerichts hat sie damit den Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre Ge­schlechts­part­ne­r*in­nen zu reinen Sexobjekten reduziere. Damit habe sie dem Ruf der Bundeswehr geschadet. Anders als die Soldaten auf dem Olper Schützenfest trat sie ohne Uniform oder sonstigen Bundeswehrbezug auf.

Das Lied „Layla“ ist der erste Ballermann-Hit, der den ersten Platz der Charts erreicht hat. Die Debatte entspann sich, nachdem die Stadt Würzburg beschlossen hatte, dass der Song bei einem Volksfest auf einem städtischen Gelände nicht mehr gespielt werden soll. Einige Kommunen und Festveranstalter schlossen sich an. Der „ZDF-Fernsehgarten“ führte das Lied mit Originaltext auf. Auch in der Bläserversion dürfte es weiter zu hören sein: Im Fachhandel gibt es „Layla“-Noten für Blasorchester und für Big Bands.

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18 Kommentare

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  • Ein Grund warum der derzeitige Feminismus unbeliebt ist (in sämtlichen Umfragen überall in der westlichen Welt kann sich nur eine Minderheit mit dem Begriff Feminismus identifizieren): sie benutzen für Unterhaltung denselben Maßstabwie wie für die reale Welt.



    Erinnerung: Unterhaltung dient der Zerstreuung und damit der Ablenkung von der realen Welt. Etwas das zur Ablenkung von der realen Welt genutzt wird, sollte nicht nach den Maßstäben der realen Welt beurteilt werden.

  • Ich denke, mit dem Schmuddelschlager sind wir nochmal ganz gut davon gekommen.

    Es hätte auch "Preußens Gloria" sein können:

    "Die Fahne hoch, mit Schwur voran!



    Marschieren, wir Preußen nun Mann für Mann!



    Es gibt niemanden auf der Welt, der uns den Sieg nehmen kann!

    Solang ein Tropfen Blut noch glüht,



    so sind wir Preußen stets bemüht!



    Solang der deutsche Stolz noch steht,



    und niemand auf die Knie geht:

    Hoch Preußenland! Hoch Preußenland!



    Gott schütze es durch seine Hand!



    Stolz, mutig, ehrenvoll zugleich:



    Du Perle im heiligen Reich!"

    Oder der "Hohenfriedberger":

    "Hab’n Sie keine Angst,



    Herr Oberst von Schwerin,



    Ein preuß’scher Dragoner



    tut niemals nicht fliehn!



    Und stünd’n sie auch noch



    so dicht auf Friedbergs Höh',



    Wir reiten sie zusammen



    wie Frühlingsschnee."

    Helm ab zum Gebet.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Der Song von Clapton ist wohl nicht gemeint!

  • also umstritten ist der Song nur in woken Blasen, der Rest findet den witzig bis grottenschlecht. Aber sexistisch sind ganz andere Lieder, mal bei Zappa reinhören oder sich Hiphop zu Gemüte führen. Und vielleicht mal n Gang zurück schalten. Disziplinarmaßnahmen-wenn ich solch einen repressiven Scheiß höre krieg ich das Grausen

  • Schon besser. Hätte Scholz dazu einen würdigen Zapfenstreich hingelegt, wäre die Welt wieder im Reinen.

  • Hätten sie Reggae gespielt, hätte man ihnen Rassismus und kulturelle Aneignung vorgeworfen.

  • "Die Fest­be­su­che­r auf dem Schützenplatz von Olpe hatten ihren Spaß,"



    Und somit wäre doch alles gesagt. Warum sich darüber aufgeregt wird, verstehen wohl die Dauerempörten...

  • Der Text ist harmlos, leicht dümmlich, und wird von vielen Menschen aller Geschlechter gern mitgesungen. Sogar mit Vergnügen.



    Es gibt noch viel umzuerziehen und die taz ist dabei tantenhaft in der ersten Spießerreihe.



    Schämt Euch für diesen altjüngferliche Rigorismus. Am schlimmsten natürlich all die verlogenen Instanzen, die sich hier wieder besseres Empfinden am woken Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

  • Waren eigentlich wirklich weibliche Musiker bei dem Heeresmusikkorps dabei?

  • Sollte es laut taz-Geschmackspolizei tatsächlich "Konsequenzen" haben, wenn auf einem Volksfest ein harmloser Allerwelts-Schlager gespielt wird?



    Bedenkliche Ansichten...

  • Prima. Mit jeder Berichterstattung und gespielter od. tatsächlicher Empörung wird dieses platte Lied noch mehr Bekanntheit bekommen.

  • Ich frage mich warum bei diesem einen Lied so viel darüber debattiert wird, während das schon quasi immer bei Ballerman/Apres Ski Liedern das Thema ist. Saufen oder Sex manchmal etwas subtiler oft aber auch genau so offensichtlich.

    Also nicht falsch verstehen ich finde die Debatte an sich nicht schlecht, würde die aber dann auch bei allen anderen Songs genau so sehen wollen die in das gleiche Kerbholz schlagen.Die laufen schon seit Jahren und Jahrzehnten ohne dass es zu öffentlicher Aufregung kommt.

    • @esgibtnureinengott:

      Die ganzen sexistischen RAP-Texte haben Sie bei Ihrer Aufzählung vergessen.

  • 6G
    659133 (Profil gelöscht)

    Wat fürn Quark! Etliche Lieder, auch uralte immergrüne, sind nach aktueller Auffassung nicht gesellschaftsfähig. Was ansich voll normal ist. Wir entwickeln uns weiter, finden Erkenntis. Aber das scheinheilige Gezeter über die Ballerman-Ballade geht mir auf den Zeiger. Ich gehe nicht in den Puff, aber der Markt ist da. Im Lied wird nichts Verwerfliches erzählt, zumindest in aktuell deutscher Rechsprechung. Warum kein Gezeter über Beate die Harte oder deutschen HipHop, bei dem es nur um Bitsches und Bitcoins geht? Die Ärzte sind damals an jugendgefährdenden Schriften fast verreckt. Leute: Die 80er sind vorbei! Entweder nehmen wir alles mit derselben Messlatte, oder es soll uns liberal Latte sein. Ich würde jeden Bürgerentscheid für echte Gleichberechtigung unterschreiben, aber für diesen Artikel habe ich etwa 700 WPM gebraucht, eher weniger.

  • Der Musikredakteur des Berliner Radios Kiss FM, Bojan Milojevic, schätzt jedoch, dass bis zu zehn Prozent der Charts nachträglich entschärft werden.



    www.sueddeutsche.d...dustrie-f-1.893815

    Leider keine Sommerlochdebatte.

  • // Das Heeresmusikkorps Kassel spielt auf einem Fest den Hit „Layla“ – trotz sexistischem Text. //

    Klingt ja so, als hätten das Heeresmusikchor gesungen. Ist jetzt schon allein die Melodie sexistisch? Geht malin euch.

  • Welche Konsequenzen hätten Sie denn gerne? Ehrenlose Entlassung? Öffentliche Selbstkritik? Oder gleich an die Ostfront?

  • Freiheitliche Gesellschaften zeichnen sich eben dadurch aus, dass jeder Sch*** geht. Die freie, empörte Debatte darum gibt's dann inklusive.