Betrug in Corona-Testzentren in Berlin: An der Notlage bereichert

26 Millionen Euro Schaden sind durch Testbetrug entstanden. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, so die FDP. Nun sollen Kontrollen verbessert werden.

Corona-Test liegen auf einem Tisch, einer ist positiv

Der bekannteste Test der Republik Foto: dpa

Berlin taz | Für viele Gast­ronom*in­nen und La­den­be­sit­ze­r*in­nen waren sie die finanzielle Rettung in der Pandemie: Statt Bier auszuschenken, Shishas zu entzünden oder T-Shirts zu verkaufen, boten sie seit Frühjahr 2021 in ihren Räumen Coronatests an. Parallel zur zäh anlaufenden Impfkampagne wollte der Bund Menschen so die Möglichkeit geben, schnell eine Erkrankung zu erkennen. An manchen Berliner Hauptstraßen drängten sich bald die Testzentren: Einige waren kaum von Arztpraxen zu unterscheiden, andere wirkten eher improvisiert. Da fragte man sich schon, wie genau deren Ergebnisse angesichts dieser Umstände waren.

Letztere hatte der FDP-Abgeordnete Florian Kluckert im Blick, als er mit einer Kleinen Anfrage an die Gesundheitsverwaltung von Senatorin Ulrike Gote (Grüne) nach einer ersten Bilanz fragte. Deren Antwort wurde am Montag veröffentlicht: Zu Hochzeiten Anfang Juni 2021 standen den Ber­li­ne­r*in­nen fast 1.600 Teststellen zur Verfügung, sie führten zu dieser Zeit fast 1,7 Millionen Test pro Woche durch. Im Schnitt je­de*r zweite Ber­li­ne­r*in hat sich also damals einen Nasenabstrich machen lassen. Ende Januar 2022 wurde dieser Wert fast noch einmal erreicht.

Wenig verwunderlich steigt und sinkt die Zahl der Tests seit März 2021 entsprechend der Pandemielage. Die Zahl der Testzentren pendelte sich 2021 schnell auf rund 1.350 ein, 2022 lag sie meist zwischen 1.100 und 1.200. Allerdings gibt es teils starke Rückgänge – was stutzig machen kann.

Kluckert jedenfalls geht davon aus, dass es Be­trü­ge­r*in­nen mit den Testzentren allzu leicht gemacht wurde. Der Senat habe geradezu laienhaft agiert beim Aufbau der Testinfrastruktur; viel zu spät habe man sich darüber Gedanken gemacht, kritisiert der FDP-Politiker gegenüber der taz. „Jeder konnte ein Testcenter aufmachen, wo er Lust hatte.“ Die Verteilung zwischen Innen- und Außenstadt sei daher ungleich gewesen.

Ermittlungen in 381 Fällen

Schlimmer noch: Es hätten Kontrollen gefehlt, ob die abgerechneten Tests überhaupt durchgeführt wurden; auch seien die Be­trei­be­r*in­nen nicht auf Vorstrafen überprüft worden, sagt Kluckert. Tatsächlich sind durch Testbetrug laut Landeskriminalamt (LKA) in Berlin Schäden in Höhe von aktuell 26 Millionen Euro entstanden, in 381 Fällen wurde oder wird ermittelt.

Das sei nur die „Spitze des Eisbergs“, vermutet Kluckert. Er hätte sich mehr bürokratische Hürden vor einer Genehmigung für den Betrieb eines Testzentrums gewünscht – eine interessante Position für den Politiker einer Partei, die solche Vorgaben sonst möglichst klein halten will.

In der Gesundheitsverwaltung, die zur Einführung der Tests noch unter Leitung von Dilek Kalayci (SPD) stand, ist man sich der Problematik bewusst. „Die Einrichtung der Teststellen musste schnell umgesetzt werden“, sagt Gotes Sprecherin, Laura Hofmann. Vom Bund sei wohl bewusst „auf mehr Bürokratie – die mehr Kontrolle ermöglicht hätte – verzichtet worden“. Dass sich Menschen dennoch an der Notlage bereichert hätten, nannte sie „schäbig“.

Seit 1. Juli gilt eine neue Testverordnung des Bundes. Gote konnte sich dabei mit der Forderung, dass die Bürgertests fortan nur in Apotheken und von medizinischem Personal durchgeführt werden dürften, nicht durchsetzen. Um Betrügereien zu entdecken und die Kontrollen zu verbessern, arbeite die Verwaltung mit der Kassenärztlichen Vereinigung und dem LKA zusammen. Insgesamt geht die Gesundheitsverwaltung von einem sinkenden Bedarf an Testzentren aus. Wer Symptome habe, solle bei einem Arzt einen PCR-Test machen lassen, rät Sprecherin Hofmann. Massentests aber seien in der aktuellen Pandemielage nicht mehr sinnvoll.

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