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Nach dem Schulmassaker von TexasTrump will Lehrer bewaffnen

Der Ex-Präsident spricht bei der Jahrestagung der Waffenlobby NRA in Houston. Derweil kommen weitere Details des polizeilichen Versagens ans Licht.

Zu Besuch bei den Waffenfanatikern: Trump gießt mal wieder Öl ins Feuer Foto: Michael Wyke/ap

Washington/Uvalde/Los angeles dpa/epd | Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat nach dem tödlichen Massaker in der texanischen Kleinstadt Uvalde mehr Waffen an Schulen gefordert. „Die Existenz des Bösen ist einer der allerbesten Gründe, gesetzestreue Bürger zu bewaffnen“, sagte Trump am Freitagabend (Ortszeit) in Houston bei der Jahrestagung der mächtigen Waffenlobby NRA. Bewaffnete Sicherheitskräfte und Lehrkräfte könnten schreckliche Taten wie die in Uvalde verhindern, argumentierte Trump. Gleichzeitig herrscht in den USA Empörung über das zögerliche Verhalten der Polizei während des Amoklaufs. Immer mehr erschreckende Details über den Einsatz und die Tat werden bekannt.

Die Jahrestagung der NRA (National Rifle Association) fand in Houston nur drei Tage nach dem Massaker statt, das sich am Dienstag rund 450 Kilometer entfernt in einer Grundschule in Uvalde ereignet hatte. Der Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner, hatte die NRA vergeblich gebeten, die Versammlung aufzuschieben, um „Familien Zeit zu geben, ihre Kinder zu beerdigen“. Die NRA betonte in einer Erklärung, der Mörder sei ein „geistesgestörter Einzeltäter“. Man habe tiefes Mitgefühl mit den Opfern.

Einige Politiker sowie mehrere Country- und Western-Musiker sagten ihre Teilnahme an der Veranstaltung ab. „Im Gegensatz zu anderen habe ich euch nicht enttäuscht, indem ich nicht aufgetaucht bin“, sagte Trump – allerdings ohne Namen zu nennen. Vor dem Veranstaltungsgelände protestierten Medienberichten zufolge Tausende Menschen gegen Waffengewalt und die NRA.

Trump las zu Beginn seiner Rede die Namen der 19 Kinder und zwei Lehrerinnen vor, die der Schütze Salvador Ramos erschossen hatte. Er forderte für jede Schule in den USA Metalldetektoren und eine bewaffnete Sicherheitskraft. Mit „neuen Technologien“ solle sichergestellt werden, dass keine unbefugte Person die Schule mit einer Waffe betreten könne. Lehrkräften, die dafür ausgebildet worden seien, sollte das Tragen von Waffen erlaubt sein, sagte Trump. „Es gibt kein einladenderes Zeichen für einen Massenmörder als ein Schild, das eine waffenfreie Zone deklariert.“ Dies seien die „gefährlichsten Orte“.

Zahlreiche Expertinnen und Experten warnen davor, Lehrkräfte zu bewaffnen. Sie sagen, dies würde Schulen nicht zu sicheren Orten machen. „Die Bewaffnung von Lehrern ist eine rundum schlechte Idee, weil sie zu zahlreichen Katastrophen und Problemen einlädt“, zitierte der Sender NPR den Wissenschaftler Matthew Mayer, der an der Rutgers-Universität in New Jersey zu Gewalt an Schulen forscht. Die Chance, dass ein solches Vorgehen tatsächlich helfe, sei gering. Einer Umfrage des Instituts Gallup aus dem Jahr 2018 zufolge sprechen sich knapp drei Viertel der befragten Lehrerinnen und Lehrer gegen das Tragen von Waffen in Schulen aus.

Auch der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, erschien am Freitag nicht persönlich wie angekündigt bei der NRA-Tagung. Stattdessen schickte der Republikaner ein voraufgezeichnetes Videostatement und gab eine Pressekonferenz in Uvalde. Dort geriet er nach den neuen Erkenntnissen über den Ablauf des Polizeieinsatzes gehörig unter Druck und wurde von der anwesenden Presse zu einer Stellungnahme gedrängt. „Ich wurde in die Irre geführt“, sagte Abbott. Er habe der Öffentlichkeit die Informationen weitergeben, die ihm nach dem Massaker in der Grundschule geschildert worden seien. „Die Informationen, die mir gegeben wurden, erwiesen sich zum Teil als ungenau, und ich bin absolut wütend darüber.“

Polizei räumt schwere Fehler en

Kurz zuvor hatte die zuständige Sicherheitsbehörde schwere Fehler bei dem Einsatz eingeräumt. So wurde etwa bekannt, dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt 19 Polizisten im Flur vor den miteinander verbundenen Klassenräumen postiert gewesen waren, in denen der Schütze sich mit den Kindern verschanzt hatte. Diese unternahmen den Angaben nach mehr als 45 Minuten lang keine Versuche, in den Raum einzudringen und den Schützen zu stoppen. Der 18-Jährige tötete in dem Klassenzimmer am Dienstag die Kinder und Lehrerinnen.

Abbott hatte am Mittwoch mit der Aussage Aufsehen erregt, dass alles hätte noch viel schlimmer kommen können. „Der Grund, warum es nicht schlimmer war, ist, dass die Strafverfolgungsbehörden taten, was sie taten“, sagte er etwa. Eltern hatten in den vergangenen Tagen die Polizei für ihr Verhalten immer wieder heftig kritisiert. Nun wurde auch bekannt, dass mehrere Polizeinotrufe aus jenem Klassenraum abgesetzt wurden, in dem sich der Amokläufer mit Kindern und Lehrerinnen verschanzt hatte.

Eines der Kinder, das den Notruf gewählt hatte, ist eigenen Angaben nach die elfjährige Miah. Sie schilderte dem Sender CNN die schrecklichen Szenen, die sich in ihrer Klasse abspielten. Der Schütze sei in das Zimmer gekommen und habe zu einer Lehrerin „Gute Nacht“ gesagt und sie erschossen. Er habe dann auf die andere Lehrerin und die Kinder geschossen. Als der 18-jährige Angreifer in den Nachbarraum gegangen sei, habe sie mit einer Freundin das Telefon der getöteten Lehrerin holen können und den Notruf angerufen. Das Mädchen habe sich schließlich mit dem Blut eines toten Klassenkameraden beschmiert, um sich tot zu stellen, berichtete CNN. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass die Polizei bereits im Flur stand, sagte die Elfjährige.

Mit Blick auf mögliche Konsequenzen für den örtlichen Polizeichef sagte Gouverneur Abbott: „Was seinen Beschäftigungsstatus betrifft, so entzieht sich das meiner Kontrolle und ich habe keine Kenntnis davon.“ Er versprach Aufklärung, sah aber erneut das Problem nicht in den laxen Waffengesetzen in Texas. Ähnlich wie Trump nannte Abbott psychische Erkrankungen als eine Hauptursache für derartige Taten. Deshalb müsse man sich auf das Thema psychische Gesundheit konzentrieren. Texas zählt Untersuchungen zufolge zu den Bundesstaaten mit dem schlechtesten Zugang zu Kliniken oder Praxen für psychische Gesundheit.

Styles spendet Tourneeeinkünfte an Anti-Waffen-Organisation

Unterdessen hat der britische Popsänger Harry Styles (28) angekündigt, Einkünfte aus seiner Nordamerika-Tournee für eine Organisation spenden zu wollen, die sich für Waffenkontrolle und gegen Waffengewalt einsetzt. Die jüngsten Fälle von Schusswaffengewalt in den USA, die mit dem Massaker in der texanischen Gemeinde Uvalde an der Robb Elementary School gipfelten, hätten ihn „zutiefst bestürzt“, schrieb der Musiker am Freitag auf Twitter.

Er kündigte eine Partnerschaft mit der Non-Profit-Organisation „Everytown for Gun Safety“ an, die das Ziel verfolgt, Waffengewalt zu beenden. Styles und der Konzertveranstalter Live Nation stellten eine Spende von über einer Million Dollar in Aussicht. Von August bis November hat der Musiker über 40 Auftritte in Nordamerika geplant.

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15 Kommentare

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  • Das Witzigste an Trumps Auftritt bei der NRA war, dass während der Veranstaltung Waffen verboten waren. Das ist echt zum Schießen!!

  • Für das Kindertöten brauchen die Ukrainer immerhin noch die Russen. Die USA erledigen das selbst.

  • Und was ist mit all den anderen öffentlich zugänglichen Orten, wo in den USA regelmäßig Menschen über den Haufen geknallt werden?

    In den USA gibt es 101 Waffen pro 100 Einwohner (Statistik 2016). Vom Baby bis zum Greis ist praktisch für jeden eine da. Der Logik der NRA nach dürfte es solche Vorfälle eigentlich, abseits der Schulen, dann ja überhaupt nicht geben!

  • Klar, Herr Trump!

    *Sarkasmus ein*



    Warum bewaffnen Sie nicht gleich alle Schüler? Die müssen sich ja wehren können!

    Und die Waffenindustrie zahlt doch so gut, von dem Geld bauen wir den Kleinen dann gleich noch einen Waffenübungsstand, äh, ich meine Spielplatz....

    *Sarkasmus aus*

  • Der jugendliche Schütze ist ein Beispiel für viele wirtschaft. abgehängte Trumpwähler und Hillbillies: Gebt mir eine Waffe, damit ich mich ein bisschen weniger ohnmächtig fühle. Und die Wohlhabenden kaufen Waffen, um sich ggn. diese Leute zu schützen. So schlimm wie die NRA ist nicht mal der ADAC! Und der hat auch keine Kontakte nach Moskau ...

  • " ... Lehrkräften, die dafür ausgebildet worden seien ..."

    Genau! Die Lehrerausbildung in den Staaten wird um eine Einzelkämpferausbildung ergänzt!

    Und damit die Lehrer nicht einrosten veranstaltet die NRA für alle Lehrer Schiesslehrgänge angelehnt an die Schweizer Schiesspflicht (de.wikipedia.org/w...st#Schiesspflicht)

    Und selbstverständlich haben alle Lehrkräfte stets mit vollständiger Nahkampfausrüstung zu erscheinen !

  • In den USA muss so einiges reguliert werden, neben Waffen kann man dort auch Kaliumnitrat zum Baumstupfentfernen im Baumarkt kaufen.



    Man kann nur froh sein, dass die meisten Leute nicht so gebildet und bastlerisch begabt sind wie Ted Kaczynski.



    Aber all das doktort eigentlich nur an den Symtomen einer gesamtgesellschaftlichen Krankheit herum.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Dazu gibt es zweierlei zu sagen:



    1. Wenn Trump "gesetzestreue Bürger" bewaffnen will, dann bekommt er nicht mal ein Blasrohr mit Gummipfeilen.



    2. Waren die Türen des Saales mit den Männern in den weißen Kitteln besetzt und haben die ihn nach diesem grenzdebilen Auftritt geich wieder mitgenommen? eigentlich

  • Gott bewahre uns davor, dass dieser Mann jemals wieder ein politisches Amt bekommt.

    • @Rudi Hamm:

      Das ein oder andere Gebet wird in der Dreiviertelstunde wohl gesprochen worden sein. Gott bewahrt nicht mangels Existenz.

      • @Friedensgrenze:

        Solche "Bekehrungsversuche" haben hier aus meiner Sicht nichts zu suchen. Thema verfehlt und übergriffig empfinde ich das.

  • Nach der "Logik" Trumps und der NRA müsste man dann auch Grundschüler bewaffnen..

    Tja...wer Angst will sich verteidigen können..kauft man sich halt ne Waffe...aber je mehr Waffen im Umlauf sind, desto größer dann die Angst...also kauft man sich doch lieber ne Waffe...

    -> ein Teufelskreis... armes Amerika...

  • Der Mann ist Moralisch völlig verwahrlost

  • was wohl michael moore ...

    zu den trump'schen gedanken sagt ?

  • Der Vorschlag, Schulpersonal zu bewaffnen ist dumm: wie leicht kann die Waffe eines Mitarbeiters in andere Hände gelangen? Es könnten leicht Unfälle passieren..