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Die Linke nach Debakel in NRWAuf Tierschutzpartei-Niveau

Die Linkspartei ist in NRW untergegangen. Die Vorsitzende Wissler gibt nun die Parole aus: Alle sollen nur noch positiv über die eigene Partei sprechen.

Gerade alles andere als ein Traumjob: Janine Wissler, Vorsitzende der Linken Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Berlin taz | Die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, wirkt geschafft, als sie am Montag in die Berliner Bundespressekonferenz kommt. Eigentlich wollte sie über Ostern verreisen, doch dann kamen Sexismusvorwürfe aus ihrem Landesverband, ihre Co-Kapitänin Susanne Hennig-Wellsow ging von Bord und bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und nun in Nordrhein-Westfalen schrumpfte die Linke auf das Niveau der Tierschutzpartei. „Wir sind in einer existenzbedrohenden Situation“, konstatierte die nun alleinige Linken-Chefin Wissler. Das ist nicht von der Hand zu weisen.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland wählten am Sonntag nur 2,1 der Wäh­le­r:in­nen die Linke. Im Vergleich zu 2017, als der Linken nur 8.600 Stimmen für den Einzug in den Landtag fehlten, büßte sie nunmehr die Hälfte ihrer Wäh­le­r:in­nen ein – und zwar über alle Milieus verteilt. Unter den Ar­bei­te­r:in­nen wählten sogar nur noch 1 Prozent Linkspartei.

„Die Linke hat ihren dramatischen Verfallsprozess fortgesetzt“, konstatiert Thomas Falkner von der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die selbstzerstörerischen Vorgänge und die inhaltlichen Blockaden in der Partei hätten voll durchgeschlagen.

„Klare Botschaften senden“

In der Tat belauern sich Partei- und Fraktionsvorstand der Linken seit Jahren mit gegenseitigem Misstrauen. Dieser Stellungskrieg führt dazu, dass die Linke zu keiner gesellschaftlich relevanten Frage – ob es um Corona, den Krieg in der Ukraine oder den Klimawandel geht – eine schlüssige Antwort hat. Das Problem ist nicht, dass es der Partei nicht gelingt, gemeinsame Positionen zu entwickeln, sondern dass diese von prominenten Mitgliedern aus der Bundestagsfraktion sofort wieder kassiert werden.

So verurteilt die Linkspartei etwa den russischen Überfall auf die Ukraine und fordert auch Wirtschaftssanktionen. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst aber kritisiert das Ölembargo als Bumerang, die Ex-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht gibt den USA sogar eine erhebliche Mitschuld am Krieg und behauptete im NRW-Wahlkampf, der Westen blockiere einen Waffenstillstand.

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Der Spitzenkandidat der Linken in Nordrhein-Westfalen, Jules El-Khatib, bezeichnete diese „Vielstimmigkeit“ zwar am Montag in Berlin als „nicht hilfreich“ – bedankte sich aber gleichzeitig für die Unterstützung auch von Wagenknecht im Wahlkampf. Ihr Auftritt sei völlig okay gewesen. Wissler sieht das nicht ganz so locker und fordert: „Wir müssen wieder klare Botschaften senden.“ Vor allem aber gelte nun für alle: „Jetzt nur noch positiv über die eigene Partei zu sprechen.“

Als wenn das so einfach wäre. Für den Parteitag Ende Juni hoffen viele auf einen Neuanfang. In Erfurt wird der gesamte Parteivorstand einschließlich der Parteispitze neu gewählt. Die Attraktivität des Amtes hält sich in Grenzen, bislang gibt es nur fünf offizielle Kandidaturen für den Vorstand, darunter eine für den Parteivorsitz. Immer wieder fällt der Name Sören Pellmann, der unter anderem von Wagenknecht unterstützt wird. Als Gegenkandidat wird Jan van Aken ins Spiel gebracht. Wissler selbst lässt offen, ob sie wieder antritt.

Die Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert hält aber als Konsequenz aus den jüngsten Wahlniederlagen auch Veränderungen in der Bundestagsfraktion für notwendig. „Ich erwarte dringend, dass auch die Fraktion Verantwortung übernimmt, die derzeit einer Ansammlung von Ich-AGs gleicht, in der jeder sein eigenes Ding macht“, sagte sie der taz. Das zeige sich etwa am Ukraine­krieg, wo Wagenknecht, aber auch die abrüstungspolitische Sprecherin Sevim Dağdelen, eine völlig andere Linie als der Parteivorstand verträten. „Das muss aufhören.“

Schubert fordert, dass die Fraktion verstärkt Lösungsvorschläge für die tägliche reale Politik entwickelt. Ein Sofortprogramm für Energiesicherheit, Energiesouveränität und ökologische Transformation, wie es die Fraktionsvorsitzenden der Länder jetzt vorgeschlagen haben, hätte sie eigentlich von der Bundestagsfraktion erwartet. „Das ist ihr Job.“ Wäre also auch ein Wechsel an der Fraktionsspitze, wo derzeit Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali die Geschäfte führen, nötig? „Die Fraktionsführung muss sich diese Frage selbst stellen“, meint Schubert. Fakt sei: „Wenn die Partei implodiert ist jeder der 39 Abgeordneten-Arbeitsplätze und der gesamten Mit­ar­bei­te­r:in­nen gefährdet.“

Und nicht nur dort.

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23 Kommentare

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  • "Wissler sieht das nicht ganz so locker und fordert: „Wir müssen wieder klare Botschaften senden.“ Vor allem aber gelte nun für alle: „Jetzt nur noch positiv über die eigene Partei zu sprechen.“"

    Das wird nicht einfach in einer Partei, in der die Mitglieder in der Regel noch selbst denken und nicht einfach nach dem Parteibuch reden. Da gibt es eben abweichende Meinungen.

    Aber für so etwas ist die deutsche Bevölkerung leider nicht oder nicht mehr gemacht. Differenzierung weicht Schwarz-Weiß-Denken allerorten. Wie man im Fall Afghanistan und jetzt der Ukraine gesehen hat.

  • Naja...Tierschutzpartei-Niveau stimmt ja nicht ganz. Die Tierschutzpartei setzt sich ja tatsächlich aktiv für die Belange von Lebewesen ein. Dabei unterscheidet sie nicht und grenzt schon gar nicht aus. Außerdem dient sie sich nicht überzeugten Tierquälern an, weil sie industrielle Viehzucht nicht mag.

  • Es ist wie immer bei der Linken. Sobald es „Spalter, Spalter“ tönt, zerlegt sie sich selbst.

    Der größte politische Gegner der extremen Linken ist immer noch sie selbst.

    Die Linke scheitert immer an der Hybris ihrer Personen und mit diesen am Weltenbrand. Unter dem machen die es einfach nicht - und liegen damit immer falsch – gelle, Frau Wagenknecht.

  • Wer sich eine Sahra Wagenknecht leistet, hat den Absturz verdient!

    • @Jürgen aus Nürnberg:

      Mit Palmer leben heißt Siegen lernen :-)

  • Die "Linke" wird sich solange nicht erholen wie sie der Rußland- und Putinnostalgie nachhängt. Putins Russland hat mit Sozialismus oder gar Kommunismus so wenig zu tun wie die Koch-Brüder. In Russland herrscht der reine Rauptierkapitalismus, der nur einer kleinen KGB-Gang zugute kommt, sowie dem Anti-Christen Kyrill. Und sie wird nicht auf die Beine kommen, solange einige die Parolen des Schwurbler-Milieus verbreiten. Aber vor allem hängen noch zu viele Männer der "Linken" der Vorstellung nach, dass Männer "Eier" haben müssen und diese Eier ihnen diktieren, wie sie sich Frauen gegenüber verhalten, nämlich sexistisch. Also "Linke" es gibt viel zu lernen, packt es an.

  • Vielleicht sollte sich Die Linke von Elke Kahr, der kommunistischen Bürgermeisterin von Graz, coachen lassen, wie der Weg zurück an die Macht tatsächlich funktionieren könnte.

    • @martinf:

      Das funktioniert ja nicht. So wie ich die ganze Agenda von Frau Kahr verstehe, entschied die KPÖ Graz (auch unter ihrer Ägide), die großen weltpolitischen Fragen des Lebens außer Acht zu lassen und kleinteilig das Leben der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern.

      Die Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort ist aber exakt das, wofür die deutsche Linke nicht steht. Bei der Linke verhandeln lieber zwei ideologisch abgeschlossene Lager die großen Fragen der Welt und interessiert doch bei der Linken (fast) niemanden mehr.

      Sämtliche Personen, denen es um die Arbeit für die Menschen geht und ging haben sich doch bereits aus der Arbeit verabschiedet (Fabio di Masi) oder verabschieden sich gerade (Henning-Wellsow).

      Die durchidiologisierte (Rest-)Linke kann in beiden Geschmacksrichtungen (Wagenknecht, Dagdelen, Wissler, Modrow auf der einen und Bartsch, Kipping, 2x Lederer auf der anderen Seite) weg. Um die ist es nicht schade.

  • ....uuund tschüß !

  • "Alle sollen nur noch positiv über die eigene Partei sprechen."



    Erinnert mich irgendwie an DDR und SED.

    • @Rudi Hamm:

      „Die Partei die Partei die hat immer Recht …“

      Und

      Der Beste Rat des Therapeuten: Jeder hat das Recht auf sein eigenes Unglück.

    • @Rudi Hamm:

      DIesen Mühlstein ist die Rechtsnachfolgerin in 30 Jahren nie wirklich losgeworden. Man hätte die SED 1990/91 schlicht verbieten sollen. Zum einen sowieso absolut verdient, zum anderen wäre nur so ein echter Neuanfang möglich gewesen.

      • @Matthias:

        Das war aus Sicht von Kohl nicht möglich, denn die restlichen "Blockparteien" sollten (was dann ja auch passiert ist) von CDU bzw. FDP "assimiliert" werden. Und wenn man die SED verboten hätte, wäre die Beteiligung der Blockparteien am DDR-Unrecht ganz schnell Thema geworden.

      • @Matthias:

        Stimmt!



        Noch mal zum nachlesen.



        Die Protagonisten sind im Zeichen des -Märchenauges- gut durch die Zeiten gekommen.



        (Modrow und Gysi halten den Laden zusammen.)



        www.n-tv.de/politi...ticle21425888.html

      • @Matthias:

        Dann hätte man auch allen Funktionären ein politisches Betätigungsverbot für 20 Jahre auflegen müssen, das passte nicht zum Geist der Zeit.

        • @Machiavelli:

          Warum hätte man das zusätzlich tun müssen? Es wäre vor allem wichtig gewesen, die Struktur der SED vollständig zu beseitigen inklusive Vermögen. In den ersten Jahren ging es den Rest-Genossen ja vor am darum, möglichst viel davon zu retten.

  • ...Vertrauen mit klarer Botschaft zurückgewinnen..



    Botschaft Nr.1:



    !AUFLÖSEN! (Erinnerung- Haus am Köllnischen Park...)



    Botschaft Nr.2:



    Die Wagenknecht's, Lötsch's, Dagdelen's (Modrow's).... einbinden in den Spruch:



    -Dann mögen sie jetzt NICHT(mehr) sprechen oder(UND) für IMMER schweigen-



    .....Der typische West-Linke pflegt, im Gegensatz zum im realen, ostdeutschen Sozialismus aufgewachsenen Aktivisten, sein Jakobinertum. Die Linkspartei, Nachfolgeorganisation der SED, hat er damit an den Rand des Abgrunds geführt....



    Ich wußte es! Sie sind für irgendwas gut....



    www.welt.de/politi...nd-intolerant.html



    Ich gebe zu, hier hat mich auch das Bild von Henryk M. Broder 1968 in Köln begeistert.

    • @Ringelnatz1:

      Danke für den Link!

  • Nur noch positiv über die linke reden?



    Super wann startet das Parteiausschlussverfahren gegen Frau Wagenknecht?

    • @Sascha:

      das Ding ist ja, dass viele bei der Bundestagswahl die Linke nicht gewählt haben, weil Wagenknecht noch in der Partei ist, und zugleich viele die Linke nicht gewählt haben, weil die Partei Wagenknecht so gedemütigt hat. Beide Lager haben die Linke bestraft.

  • Die Linke betreibt seit Jahren Selbstsabotage und hat zudem nie wirklich den Strukturwandel von einer starken Regional-Partei Ost zu einer gesamtdeutschen Instanz gerissen. Im Osten hat die AfD geräubert, jetzt rücken vor dem Hintergrund von Krieg und Krisen auch noch immer mehr Wähler zurück zur politischen Mitte. Ich denke, die Partei ist bis auf Weiteres erledigt. Vielleicht gibt es in zehn Jahren wieder einen Boden, auf dem eine besser aufgestellte linke Partei blühen kann, mit mehr VOLT und weniger Wagenknecht.

    • @hessebub:

      Ohne Wagenknecht kann sich der Haufen auch als "Partei der allgemeinen Gleichheit für alle Menschen auf der Welt" bezeichnen, und in die zahllosen skurilen Splitter einsortieren.



      Was fehlt, ist dagegen eine Linke, die die Besitzverhältnisse kritisiert, die auf Umverteilung zulasten der Vermögenden setzt, und die Armut als Systemversagen geißelt.



      Eine solche linke Partei ist als Korrektiv und Ansporn der Sozialdemokratie wichtig.



      Um diese Kernbotschaften zu platzieren darf allerdings nicht beständig über benachteiligte Randgruppen gestritten werden, und die unendlichen Tiefen des potentiellen Rassismus in jeder Nuance ausgelotet werden - mit dem Ergebnis, dass sich die Akteure dermaßen in abwegige Details zerstreiten, dass gar keine Botschaft mehr ankommt...

      • @mensch meier:

        Wer die Internationale singt kann halt nicht wie Wagenknecht vom Gastrecht faseln oder AfD Slogans „Deutschland. Aber normal“ kopieren. Ferner für Maduro und Putin Sympathien kultivieren. Das schreckt jeden für die Menschenrechte engagierten linken Wähler ab. Da bleiben dann nur noch Grüne und SPD als bittere Wahlalternative, obwohl die Hartz 4 verbrochen haben und die Besitzverhältnisse nicht wirklich ändern wollen!