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Russlands Zündelei in TransnistrienEskalation mit Ansage

Kommentar von Barbara Oertel

Durch Anschläge im russlandfreundlichen Transnistrien will Moskau die Republik Moldau destabilisieren. Europa sollte vorbereitet sein.

Natalia Gavrilita ist die Premierministerin der Republik Moldau Foto: dpa

W ährend in einigen EU-Staaten die erhitzten Debatten über Waffenlieferungen an Kiew kein Ende nehmen wollen, werden im Ukraine-Krieg neue Fakten geschaffen, nach dem Motto: Nächster Halt Transnistrien. In dem von der Republik Moldau abtrünnigen und von Russland kontrollierten Landstrich am linken Dnjestr-Ufer herrscht seit einer Serie von Explosionen in dieser Woche die Terrorwarnstufe „Rot“.

Diese Eskalation, die ein Ausgreifen des russischen Vernichtungskrieges auf ein weiteres Land in Europa ankündigen könnte, ist eine mit Ansage, und zwar aus Moskau. Unlängst umriss ein russischer General kurz und knapp die nächste Phase der „Spezialoperation“: Nach dem gesamten Donbass ist die Südukraine an der Reihe und schließlich Transnistrien. Schließlich müsse auch dort die bedrohte russischsprachige Bevölkerung geschützt werden. Das Moskauer Außenministerium ließ verlauten, es gelte ein Szenario zu verhindern, das Russland dazu zwinge, zu intervenieren.

Noch Fragen? Eben. Da ist es wieder, das Gespenst des angeblichen Genozids an den „Rus*innen im nahen Ausland“, in dessen Namen zehntausende Zi­vi­lis­t*in­nen in der Ukraine gequält, entführt oder einfach abgeschlachtet werden.

Warum Moskau jetzt auch Transnistrien ins grausame Spiel bringt, liegt auf der Hand. Immerhin sind dort rund 2.000 russische Soldaten stationiert, die in dem aktuellen verlustreichen Ukraine-Feldzug als Kanonenfutter höchst willkommen sind. Doch mindestens genauso wichtig ist eine politische Destabilisierung der Republik Moldau, die, ob einer dezidiert westlich ausgerichteten Führung, dem Kreml immer mehr zu entgleiten droht. Ohnehin ist das ärmste Land Europas, das mit der Aufnahme tausender ukrainischer Geflüchteter Unglaubliches geleistet hat, schon jetzt in einer prekären Position. Warum nicht also auch unter der bislang Russland freundlich gesinnten Bevölkerung zündeln, wenn es denn der Wahrheitsfindung über den wirklichen Aggressor in diesem Krieg dient?

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Um es gleich vorwegzunehmen: Sollte der Ernstfall eintreten, hat Chisinau Russland militärisch nicht das Geringste entgegenzusetzen. Ergo: Europa sollte vorbereitet sein. Doch dafür werden blumige Soldaritätsbekundungen und das Prinzip Hoffnung wohl kaum reichen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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13 Kommentare

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  • Tiraspol hat die Generalmonilmachung aller Männer zwischen 18 und 55 angeordnet...

    "The Defence Ministry of the breakaway region of Transnistria in Moldova has ordered the mobilisation of all men between 18 and 55, “at a special meeting to replenish the peacekeeping contingent,” a statement issued to the heads of local administrations in Transnistria said."

    balkaninsight.com/...eral-mobilisation/

  • Die Republik Moldau ist neutral. Falls Russland ein neutrales Land überfällt (und das scheint der Plan zu sein), steht einem Atomkrieg nicht mehr im Weg. Gut gemacht, Menschheit.

  • Um es auf den Punkt zu bringen, Russland darf den Krieg nicht gewinnen. Denn dann geht es weiter nach Westen. Und Russland darf/kann nicht das Gesicht verlieren. Daher kann es nur einen Waffenstillstand geben, der von Russland aus geht. Dazu muss verhandelt werden.

  • Ich finde es nicht sehr appetitlich, dass die Deutschen nun schon wieder versuchen, die ekligen Verbrechen ihrer verkommenen Vorfahren zu relativieren. "Vernichtungskrieg" ist ebenso wie "Holocaust-Verharmlosung" & "Anisemtitismus" kein Wort, dass vor allem dafür gemacht wurde, damit Deutsche mit Nazihintegrund mit dem Finger auf andere zeigen.

  • Meiner Meinung nach ist es die Verantwortung Deutschlands eine internationale Allianz zu fordern, zu schaffen und zu führen um den expandierenden Nationalismus eines Alleinherrschers einer systematisch manipulierten Bevölkerung frühzeitig zu brechen und aufzuhalten.



    Die Westalliieren sollten mit deutscher Beteiligung die Grenze zwischen Belarus und der Ukraine militärisch schließen, eine Flugverbotszone durchsetzen, in Moldau und der Westukraine Truppen stationieren, Kaliningrad und Transnistrien angreifen und Frontex an die Ostgrenzen verlegen.

  • Russland zündelt weiter, der Ukrainekrieg hat Potential eine Kettenreaktion in Gang zu setzen....

  • Im letzten Jahrhundert hat das Hütchenspiel auch ein anderer betrieben.



    Ein Land nach dem anderen.



    Bis die ganze Welt involviert war.



    Wir sollten uns für den nächsten Winter warm anziehen.

  • Oder die Ukraine um militärischen Beistand bitten.

    "Unlängst umriss ein russischer General kurz und knapp die nächste Phase der „Spezialoperation“: Nach dem gesamten Donbass ist die Südukraine an der Reihe und schließlich Transnistrien."

    Da die verbleibenden militärischen Möglichkeiten Russlands, nach aktueller Lage der Dinge, noch nicht mal "für den gesamten Donbass" reichen werden, wird es aber hoffentlich glimpflich für Moldau enden, und vor alle damit, dass das Land die Kontrolle über Transnistrien zurückerlangt. Frau Sando fordert ja von Russland, die seit Jahrzehnten völkerrechtswidrig im Land stationierten russischen Truppen abzuziehen und strebt eine UNO-Mission in Transnistrien an. Wenn es soweit ist, das Russland zu Verhandlungen bereit (bzw. gezwungen ist), wird das hoffentlich auch ein Thema sein.

  • Russland hat in Transnistrien 2000 Soldaten stationiert und redet vom drohenden Genozid. Das klingt nicht nur absurd, sondern ist es auch, aber es dient ja wohl in erster Linie der Einstimmung des heimischen Publikums. Und man muss es leider, da hat Barbara Oertel völlig recht, fürchterlich ernst nehmen.

    Das Muster kennen wir schon von 2014 und man kann nur hoffen, dass die USA, vielleicht auch GB, diesmal nicht zögern, Truppen in der Republik Moldau zu stationieren. Mit Deutschland ist ja vermutlich eher nicht zu rechnen, denn wenn Olaf mit dem Nachdenken fertig ist, dürfte Chisinau schon unter russischem Beschuss stehen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Schließlich müsse auch dort die bedrohte russischsprachige Bevölkerung geschützt werden.""



    ==



    Und wann wird die nicht unbedeutende russisch-sprachige Bevölkerung in Berlin - Charlottenburg und in Hellersdorf endlich ""befreit""?

    Wer jetzt immer noch nicht kapiert hat was Putin und seine Nomenklatura betreiben - und nicht die Konsequenzen draus zieht, alles was an schweren Waffen irgendwo noch herumsteht noch heute in die Ukraine zu schicken dem ist 1. nicht mehr zu helfen und 2. er möge sich persönlich noch an diesem Wochenende unter den Schutz von Putler nach Moskau begeben.

  • Die Republik Moldau sollte sich für einen Zeitraum von 12 Monaten mit Rumänien vereinen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das wäre dauerhaft sinnvoll aber da bräuchte Rumänien finanzielle Unterstützung und außerdem müsste der Konflikt in Transnistrien gelöst werden weil Rumänien NATO Mitglied ist. Rumänische Truppen sind aber wohl in Moldawien um die Grenze zu sichern..

      • @Machiavelli:

        ob das so sinnvoll wäre? abgesehen, davon dass die EU dann automatisch Kriegspartei wäre.... nur auf Grund der Tatsache das auf beiden Seiten rumänisch gesprochen wird, ist eine Vereinigung nicht unbedingt sinnvoll. Das wirtschaftl. Gefälle von Rumänien zu Moldau dürfte doch erheblich sein, wahrscheinlich würde Moldau von Rumänien wirtschaftl. übernommen werden.