Der Krieg droht sich auszuweiten: Der Spielball Russlands
Russland versucht sich anscheinend das prorussische Transnistrien zunutze zu machen. Der Geburtsort unserer Autorin wird damit zum Machtinstrument.
E s ist ein schmerzhafter Gedanke: Der Krieg droht sich auf ein anderes europäisches Land auszuweiten – die Republik Moldau und ihren abtrünnigen Landesteil im Osten Transnistrien. Dort gab es in den vergangenen Tagen angebliche „Terrorakte“, Explosionen und beschädigte Sendemasten. Wer dahinter steckt: unklar. Alles erinnert aber an das übliche Schauspiel, wie man es 2014 aus dem Donbass kennt. Unruhen werden von russischer Seite provoziert, Anschläge verübt, Lügen verbreitet.
Vor Wochen wurde davor gewarnt, dass Russland das prorussische Transnistrien benutzen könnte, um einen Landkorridor über den gesamten Süden der Ukraine zu schaffen, um als nächstes Moldau anzugreifen. Kürzlich verkündete der russische General Rustam Minnekajew die zweite Phase des Krieges in der Ukraine ganz offiziell: die vollständige Kontrolle über den Donbass und die Südukraine. In Transnistrien gebe es „ebenfalls Fakten der Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung“, sagte er und bediente sich damit einer altbekannten Lüge der politischen Führung vom russischen Befreier, der zur Hilfe eilt, um damit militärisches Eingreifen zu rechtfertigen.
Ich kann Ihnen versichern, dass in Transnistrien Russen nicht unterdrückt werden. Anfang der Neunzigerjahre herrschte in der Region ein kurzer, aber blutiger Bürgerkrieg. Daraus hervor ging Transnistrien – de facto ist es unabhängig, blieb völkerrechtlich bis heute Teil Moldaus.
Auch wenn Ukrainisch, Moldauisch und Russisch gleichwertige Landessprachen sind, wird Letzteres dort überwiegend gesprochen. Hauptinformationsquelle sind für viele Einwohner:innen des Landes russische Fernsehsender. Und die transnistrische Führung ersuchte mehrmals um den Anschluss an die russische Föderation – vergeblich.
Im Ukrainekrieg hat Transnistrien bisher vermieden, sich klar zu positionieren. Einerseits verzichten staatliche Medien darauf, den Krieg als solchen zu benennen – aus Angst, Russland zu verärgern. Von ihm wird es seit dreißig Jahren finanziert, hauptsächlich mit kostenlosen Gaslieferungen. Ukrainische Flüchtlinge, die seit dem 24. Februar zahlreich ins Land gekommen sind, stehen hingegen im Zentrum der Berichterstattung. Bis Anfang April sollen transnistrischen Angaben zufolge 21.000 Menschen aus der Ukraine eingereist sein.
Ein zerrissenes Land
Aktuell ist Transnistrien ein zerrissenes Land. Wohl auch wegen der eigenen Kriegserfahrung von 1992 und weil rund ein Drittel der Bevölkerung Ukrainer:innen sind, viele Bewohner:innen also Verwandte im Krieg haben, ist der Wunsch nach Frieden bei einigen groß. Eine junge Frau sagte moldauischen Reportern vor Kurzem: „1992 flohen wir noch zu unseren Verwandten in die Ukraine, jetzt fliehen sie zu uns.“
An den Grenzübergängen zwischen Transnistrien und Moldau haben sich in den vergangenen Tagen lange Schlangen gebildet. Aus Angst verlassen bereits viele das Land. Andere wiederum warten seit dreißig Jahren darauf, endlich Teil Russlands zu werden und hoffen, der Krieg wird ihren Wunsch in Erfüllung gehen lassen. Dabei begreifen sie nicht, dass sie für Putin ein Spielball sind. Für seine imperialen Machtansprüche ist er bereit, alles zu opfern, auch die Russischsprachigen.
Empfohlener externer Inhalt
Während man sich in Deutschland nach einer peinlichen Ewigkeit durchringen konnte, schwere Waffen an die Ukraine liefern zu lassen, droht sich der Krieg dramatisch auszuweiten. Die Allianz gegen Putin muss nun Stärke und Geschlossenheit beweisen und versichern, dass es an der Seite Moldaus steht. Putin wird weitermachen, bis man ihn stoppt.
Niemals hätte ich gedacht, dass Transnistrien, mein Geburtsort, so prominent in den Nachrichten landet. Ich bin froh, wenn es daraus wieder verschwindet.
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