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Corona-Ausbruch auf ErntefeldSie muss nicht zahlen

78.000 Euro sollte eine ukrainische Erntehelferin ohne Versicherung für ihre Coronabehandlung zahlen. Nun erlässt ihr die Krankenkasse die Rechnung.

Ein weites Feld: Trotz Corona wurden auf deutschen Äckern Helfende aus Osteuropa beschäftigt Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Berlin taz | Die Techniker Krankenkasse (TK) hat ihre Forderung an eine ukrainische Erntehelferin über fast 80.000 Euro für eine Coronabehandlung fallengelassen. „Die von uns wegen eines fehlenden Versicherungsschutzes zurück geforderten Behandlungskosten in Höhe von rund 78.000 Euro sind damit hinfällig“, teilte TK-Sprecher Michael Ihly der taz mit. Viktoria Szolomka war im Sommer 2020 lebensgefährlich erkrankt, als sie an der Gurkenernte in Bayern teilnahm.

Während sie in einem Krankenhaus in der Region lag, meldete ihr damaliger Arbeitgeber sie von der Versicherung ab, weshalb die TK die Behandlungskosten von ihr verlangte. Als die taz zu dem Fall recherchierte, bemühte sich die Kasse aktiv um eine einvernehmliche Lösung.

Nun sei es der TK gelungen, mit Szolomka zu telefonieren, ergänzte Ihly. Mit Hilfe einer ukrainisch-sprachigen Mitarbeiterin hätten alle offenen Versicherungsfragen geklärt werden können. „Wir konnten unsere Kundin informieren, dass sie aufgrund der im Telefonat geklärten Punkte nach dem Ende ihrer Beschäftigung Anspruch auf Krankengeld hatte.“ Sobald Szolomka der TK eine Bankverbindung mitteilt, werde sie diese Zahlung erhalten. Entscheidend ist aber vor allem: „Durch den Bezug von Krankengeld verlängert sich auch die TK-Mitgliedschaft.“ Damit war die Behandlung im Krankenhaus und einer Reha-Einrichtung von August bis Oktober 2020 abgedeckt. Szolomka schrieb der taz nun, sie freue sich sehr.

Erntehelfern, die fast alle aus Ländern wie Rumänien oder Polen kommen, steht meist nur der gesetzliche Mindestlohn von 9,82 Euro pro Stunde zu – oft abzüglich Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung. Gewerkschafter und Betroffene kritisieren, manche Landwirte würden sogar weniger zahlen als vorgeschrieben. Szolomka lebt von den Gelegenheitsjobs ihres Mannes und hätte die 80.000 Euro an die TK kaum bezahlen können.

Szolomka bekam nach eigenen Angaben nie einen Arbeitsvertrag von dem Großbauernhof im niederbayerischen Mamming, wo sie bei der Ernte half. Deshalb konnte der Landwirt ihr Arbeitsverhältnis auch leicht beenden und sie von der Sozialversicherung abmelden. Er war nicht erreichbar für eine Stellungnahme. Sein Betrieb geriet 2020 in die Schlagzeilen, als sich dort 250 MitarbeiterInnen vor allem aus Osteuropa mit Corona ansteckten. Szolomka musste sogar auf der Intensivstation behandelt werden.

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8 Kommentare

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  • @BUDZYLEIN:

    Ihr Verdrängungsvermögen ist beeindruckend.

  • Ich freue mich für Viktoria Szolomka. Alles Gute!

  • "Szolomka bekam nach eigenen Angaben nie einen Arbeitsvertrag von dem Großbauernhof im niederbayerischen Mamming, wo sie bei der Ernte half. Deshalb konnte der Landwirt ihr Arbeitsverhältnis auch leicht beenden und sie von der Sozialversicherung abmelden."

    Nein, ohne Arbeitsvertrag ist man nicht rechtlos. Im gegenteil. Dann gelten die gesetzlichen Regelungen, die arbeitnehmerfreundlicher sind. Das Problem ist nicht der fehlende Arbeitsvertrag, sondern dass der Arbeitgeber die rechtliche Unerfahrenheit seiner Mitarbeiterin ausgenutzt hat, um sie um Leistungen zu betrügen.

  • Das wurde Zeit. Aber den Arbeitgeber sollte man auch zur Verantwortung ziehen, so wie man alle Arbeitgeber im Saisonbereich endlich „festnageln“ sollte.



    Es gibt positive Beispiele. Diese Arbeitgeber (mit anderen Grundsätzen: jahrelang die selben Leute, angemessene Verträge und Unterkünfte) kommen sich auch „veralbert“ vor, wenn sie erleben, dass andere mit solchen Praktiken durchkommen.

  • Warum zahlen die 'vvermittler' dieser Wanderarbeiter*innen nicht den Krankenhausaufenthalt ? Für sie lohnt sich inzwischen ja auch die Sklavenverschickung per Charterflug...



    Es gab Zeiten, da hatten heimische Produzenten und ihre Helfer ein Auskommen bei der Ernte. Da müssen wir wieder hin, am Besten ohne LIDL, ALDI & Co.

  • Der Goldene Westen. Wir sind die Guten.

    (Nein, nein. Die "anderen" sind's auch nicht. Aber ein wenig mehr Bescheidenheit, mehr Bewusstheit darüber, was diese supergünstigen Spargel im Discounter wirklich kosten... das täte uns sicher gut. Vielleicht überhaupt den Discounter -- wenn möglich -- meiden).

    • @tomás zerolo:

      Die Höhe der Stundenlöhne ist für die Spargelpreise gar nicht so entscheidend, s. z. B. hier: ( taz.de/Widerstand-...pargel+l%C3%B6hne/ ). Und auch wenn man deutschen Spargel direkt vom Erzeuger zu relativ hohen Preisen kauft, was ich in der Saison regelmäßig mache, garantiert das leider nicht, dass die Löhne dem Mindestlohn entsprechen oder darüber liegen, keine Unterkunftskosten zu Mondpreisen abgezogen werden und das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß angemeldet ist und korrekt abgerechnet wird. Wer auf dem Markt für sein Kilo Spargel 15 oder gar 20 Euro bekommen kann, ist deswegen nicht unbedingt dazu bereit, seine Erntearbeiter daran teilhaben zu lassen. Insofern weiß ich nicht, ob Discountpreise wirklich zwingend aus niedrigeren Löhnen resultieren als hohe Preise. Bei vielen Produkten aus sog. Billiglohnländern machen die Lohnkosten jedenfalls nur einen verschwindend geringen Anteil am hiesigen Endverbraucherpreis aus, egal ob das Produkt hier Billigware ist oder zu Luxuspreisen verkauft wird.

  • Komisch, dass erst die Presse tätig werden muss ...

    Und BTW: Das Nachweisgesetz schreibt einen schriftlichen Arbeitsvertrag vor.

    Aber wie so häufig bei den modernen bundesdeutschen Gesetzen hat der Gesetzgeber vergessen Strafen oder Bußen bei Mißachtung vorzusehen ...