Batteriefabrik mit 3.000 Arbeitsplätzen: Windkraft trägt jetzt Früchte

Die schwedische Firma Northvolt könnte in Heide eine Gigafabrik für Auto­batterien bauen. Schleswig-Holstein will Industrieland werden.

Ein Schaf auf einer flachen Landschaft in Schleswig-Holstein, im Hintergrund Stromleitungen und Windkraftwerke

Dort, wo heute Schafe grasen, soll dank Windenergie eine Gigafabrik für Autobatterien entstehen Foto: Christian Charisius/dpa

BREMEN taz | Die Ortschaft Heide, 20.000 Einwohner*innen, Teil der strukturschwachen Westküste Schleswig Holsteins, bekannt oder auch nicht für seinen Wasserturm und den größten Marktplatz Deutschlands, Heide also wird zur „Hoffnungsregion“ für ganz Schleswig-Holstein, so nennt das Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP).

Von Heide aus nämlich soll die Elektrifizierung deutscher Autos vorangetrieben werden: Northvolt, schwedischer Produzent von Autobatterien, plant hier seine dritte große Fabrik. 3.000 Arbeitsplätze sollen dort bis Ende 2025 entstehen, allein in der Fabrik selbst. „Vom Staplerfahrer hin zur Prozessingenieurin lauter spannende Berufsfelder“, schwärmt Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).

Zum Vergleich: Bei Tesla in Brandenburg entstehen insgesamt 14.000 Arbeitsplätze, davon aber nur 2.000 im Bereich der Batterieproduktion. Die Landesregierung rechnet außerdem mit einer großen Sogwirkung: Zuliefererbetriebe werden sich ansiedeln und andere Industrien, die durch Northvolt die Region rund um Heide erst auf die Landkarte bekommen.

Der Markt für Autobatterien wächst rasant: Aktuell baut North­volt noch an seinem neuesten Werk in Nordschweden, doch schon jetzt steht fest, dass die Nachfrage dort ab 2025 nicht mehr gedeckt werden kann. Für Deutschland entschied sich die Firma wegen der vielen Kunden, sprich Autokonzerne, die hier sitzen.

Windenergie ist die neue Kohle

Für Heide spricht die Lage und die Verbindung nach Skandinavien, aber auch der Überfluss an nachhaltig produziertem Strom. Schließlich will Northvolt die grünsten Batterien überhaupt produzieren. Peter Carlsson spricht von der Region rund um Heide als „Clean Energy Valley“ – ein Kompliment, das gut ankommt: „Wir nennen das hier seit gestern nur noch so“, sagt Dirk Burmeister, Vorstand der Entwicklungsagentur Region Heide.

Auf diesen Effekt der Windenergie im Land hatte man in Schleswig Holstein lange gehofft. Bisher wurde der Strom im Land nur produziert und weitergeleitet in die Industrieregionen im Westen und Süden. „Es fehlte die echte Wertschöpfung, die Veredelung“, sagt Jannick Schwender von der Entwicklungsagentur. Für seinen Kollegen Burmeister war der Erfolg nur eine Frage der Zeit. „Da, wo die Kohle war, im Ruhrpott, hat sich früher die Industrie angesiedelt. Das wird jetzt wieder so sein. Nur dass die Kohle eben die Windkraft ist.“

Erfolg über interkommunale Zusammenarbeit

Die Entwicklungsagentur für die sie arbeiten, ist ein interkommunale Institution. 2012 hatten Heide und elf Umlandgemeinden gegründet, um Industrieansiedlungen wieder möglich zu machen: Die Stadt hatte Geld und Planungsressourcen, die Kommunen drumherum noch freie Flächen.

Für Deutschland entschied sich Northvolt wegen der vielen Autokonzerne als Kunden

Mit einem Erfolg wie dem mit Northvolt hatte man wohl selber kaum gerechnet: „Heute, in einer Phase der Stagnation und des allmählichen Rückgangs der Einwohnerzahlen, müssen neue Entwicklungsstrategien gefunden werden“, schreibt die Agentur auf ihrer Webseite. „Nicht mehr das Wachstum, sondern die Qualität der Lebensverhältnisse muss im Zentrum stehen.“

Dass es jetzt offenbar trotzdem mit dem Wachstum klappt, liegt auch an der Zusammenarbeit, daran, dass man bereits vor Jahren alle Planungen zusammengeführt hat – so sieht man das in Schleswig-Holstein, so bestätigt das aber auch CEO Carlsson. „Eine Fabrik dieser Größe“, sagt er auf Englisch, „ist eine große Aufgabe, es berührt das gesamte Ökosystem einer Region.“ Zuliefererbetriebe müssen dazuziehen, Verkehrswege ausgebaut werden, Menschen umziehen. „Ohne ein starkes Bekenntnis auf allen Ebenen geht das nicht.“

Engagement heißt auch: Northvolt will Fördergeld

Tatsächlich müssen Land und Region einiges in Bewegung setzen: Schulen müssen vergrößert, Straßen ausgebaut werden. Allein für die Werksfläche werden dem Unternehmen 155 Hektar direkt an der Autobahn bereitgestellt – eine Fläche, die bisher auf Bebauungsplänen noch gar nicht als Gewerbegebiet ausgeschrieben war.

Für Zulieferbetriebe könnte es rund um Heide knapp werden: Nur noch kleinere Flächen stehen in den zwölf Gemeinden der Entwicklungsregion selbst zur Verfügung. „Es wird eben Ausstrahlung auf die gesamte Westküste, das ganze Bundesland geben“, glaubt Burmeister

Das Engagement, das Carlsson so lobt und fordert, heißt auch: finanzielles Engagement, sprich Fördergelder. Eine fixe Zusage für eine bestimmte Summe gibt es noch nicht vom Bund; dass eine Förderung kommt, gilt aber als sicher.

Tesla hatte vor einigen Monaten für sein Batteriewerk in Brandenburg über eine Milliarde Euro bewilligt bekommen. Das Unternehmen schlug die Fördersumme aus. Das Geld, so hieß es im November aus dem Bundeswirtschaftsministerium, stehe „nun für andere Vorhaben zur Verfügung“. Die Landesregierung in Schleswig Holstein will selbst mit 50 Millionen Euro fördern; nach dem Muster im Fall Tesla könnten vom Bund noch etwa 500 Millionen Euro obendrauf kommen.

Dass überhaupt gefördert werden darf, liegt an einer Entscheidung der EU von 2018. Die Kommission stellte damals fest, dass Europa die profitabelsten Bereiche des Autobaus der Zukunft aus der Hand gegeben hatte: Zu dem Zeitpunkt gab es auf dem Kontinent keine einzige größere Batterieproduktion, angewiesen war man damit ganz auf Asien und Amerika. Nun dürfen die Mitgliedsstaaten Batteriewerke subventionieren – aufgrund der Gefahr von Wettbewerbsverzerrung gibt es dafür sonst enge Grenzen.

Es gibt noch Hürden

Freilich: Ein „Memorandum of Understanding“ gibt es seit Februar zwischen Land, Region und Unternehmen. Ein fester Vertrag aber ist das nicht. Die Ansiedlung „ist noch kein Selbstläufer“, mahnt Wirtschaftsminister Bernd Buchholz. „Noch ist viel zu tun, insbesondere bei der Infrastruktur.“

Fachkräfte in die Region zu holen, ist eine dieser Herausforderungen. Die Fachhochschule in Heide soll neue Studiengänge einrichten, so die Pläne von Land und Region, das Berufsbildungszentrum neue Ausbildungsberufe anbieten. Und Hoffnung setzt man auf das bereits existierende Batterieforschungszentrum „Fraunhofer ISIT“ in Itzehoe – einige junge Forschende aus der Branche sind so bereits in der Region.

Northvolt ist optimistisch: Als nachhaltig orientiertes Unternehmen seien sie ein begehrter Arbeitgeber, sagt CEO Carlsson in der gemeinsamen Pressekonferenz. 2021 habe es auf 1.700 freie Stellen über 100.000 Bewerbungen gegeben. Und dass, obwohl das neue Werk in Nordschweden ebenfalls in einer dünn besiedelten Region liegt.

Das Unternehmen macht aber auch klar, dass nicht alle Arbeitskräfte aus in Schleswig-Holstein kommen oder hier leben werden: Man rechnet damit, dass gerade internationale Fachkräfte aus Hamburg pendeln werden. „Northvolt denkt da vielleicht etwas großräumiger, als wir es vielleicht manchmal gewohnt sind“, sagt Buchholz.

Schon jetzt fährt ein paar mal am Tag ein IC direkt von Hamburg-Harburg bis nach Heide; 1:45 Stunde dauert die Strecke. Die Verbindung muss schneller werden: Eine Fahrtzeit von unter einer Stunde stellt sich Northvolt vor – für viele Pend­le­r*in­nen das, was gerade noch akzeptiert wird. Beim Bund hat Schleswig-Holstein deshalb bereits höhere Regionalisierungsmittel beantragt, um die Strecke elektrifizieren zu können. Wenn alles glatt läuft, rückt Heide in den nächsten Jahren damit näher an die Metropole.

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