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Autorinnen über Hass und Bedrohungen„Das Ziel ist, Zeit zu rauben“

Die Autorinnen Katharina Nocun und Pia Lamberty beschäftigen sich mit der verschwörungs­gläubigen Szene. Angefeindet werden beide fast täglich.

Katharina Nocun (rechts) und Pia Lamberty (links) sind Drohungen ausgesetzt Foto: Gordon Welters
Carolina Schwarz
Interview von Carolina Schwarz

taz: Frau Nocun und Frau Lamberty, wie sah die Bedrohungslage vor der Pandemie bei Ihnen aus?

Katharina Nocun: Ein Grundrauschen war bei mir schon immer da, einen ersten Höhepunkt gab es 2016, als ich auf meinem Blog das Wahlprogramm der AfD Baden-Württemberg analysiert hatte. Daraufhin wurde ich aus der rechtsextremen Szene bedroht und landete auf einer Todesliste. Doch allein, wer sich bei Twitter feministisch äußert, kann schnell in verschiedene Verteiler kommen – und dann wird es schnell hässlich. Beleidigt und bedroht zu werden, ist leider Alltag für uns beide und seit der Pandemie hat sich die Lage noch einmal verschärft.

Taucht der Hass auch in Ihrer analogen Welt auf?

Es passiert, dass wir auf der Straße erkannt und angepöbelt werden. An Tagen, an denen ich viel im Fernsehen zu sehen bin oder einschlägige Demos stattfinden, gehe ich entweder kaum raus oder trage überall Maske, damit ich nicht erkannt werde. Einmal war ich mit Pia essen, da ist ein Typ ganz nah an unseren Tisch gekommen und hat zu ihr gesagt: „Du bist doch der Corona-Engel“.

Im Interview: 

Katharina Nocun ist Autorin und Podcasterin. Pia Lamberty ist Wissenschaftlerin und Autorin. Gemeinsam haben sie zwei Bücher geschrieben: „Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“, Quadria, Berlin 2020, und „True Facts: Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft“, Quadria, Berlin 2021

Pia Lamberty: Das war sehr unangenehm. Wir wussten nicht, was wir machen sollen. Aufstehen und gehen? Können wir sitzen bleiben? Postet er das jetzt irgendwo? Wird es gleich gefährlich? Wir selbst posten eigentlich nie etwas Privates oder wo wir uns gerade aufhalten. Diese Bedrohungslage macht etwas mit einem, lässt einen deutlich vorsichtiger werden. Ich hatte einen digitalen Stalker, der mir jeden Tag in der Pandemie Mails geschrieben hat, inklusive Bilder von Toten.

Gruselig. Gewöhnt man sich daran?

PL: Nein, ich finde nicht. Seit wir im Mai 2020 unser Buch zu Verschwörungserzählungen veröffentlicht haben, ist die Lage wirklich krass. Der Hass, den wir abbekommen, verläuft meiner Wahrnehmung nach in Wellen – und bislang gab es vier Hauptwellen: Die erste Demonstrationsphase, im Sommer wurden wir viel aus der QAnon-Ecke bedroht, dann kam die Aktion #AllesDichtMachen und aktuell ist es wieder sehr aggressiv. E-Mails mit mehrfachen Todesdrohungen, Sexismus, Antisemitismus und körperlichen Herabsetzungen sind das neue Normal. Und zwar auf allen Plattformen: Bei Facebook, Instagram, Twitter oder Telegram. Überall da, wo Menschen sind, ist auch der Hass.

Warum ist es jetzt gerade so schlimm?

KN: Immer wenn diese Gruppen das Gefühl haben, gesellschaftlichen Rückenwind zu haben, wird es schlimm. Wenn sich die Gesellschaft also nicht von Verschwörungserzählungen distanziert, sondern ihnen Raum gibt.

PL: Und die Leute haben keine Hemmungen, teilweise bekomme ich Drohnachrichten inklusive Absender, mit Adresse und Handynummer.

Gehen Sie dann juristisch dagegen vor?

PL: Ich zeige Bedrohungen selten selbst an, damit meine Adresse nicht aufgeführt wird. Es gibt zwar die Möglichkeit eines Antrags auf Schwärzung, aber dem wird nicht immer gefolgt. Bei erfolgreicher Klage bekomme ich dann vielleicht 50 Euro, aber dafür bekommt andererseits ein Hater meine Privatadresse. Das ist es mir nicht wert. Ich muss also einen Umweg über einen Anwalt oder eine Opferberatungsstelle gehen. Doch wenn ich alles anzeigen würde, was in meinem Fall strafrechtlich relevant ist, müsste die Beratungsstelle eine eigene Person nur für meine Belange anstellen. Hass macht viel Arbeit, Hass kostet Zeit und Geld. Und ich glaube, das verstehen viele nicht.

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KN: Alles unter expliziten Vergewaltigungs- und Morddrohungen versuchen wir mittlerweile zu ignorieren – es wäre sonst zu viel. Und sich nur um all den härteren Kram zu kümmern, ist schon wahnsinnig viel Arbeit. Genau das ist das Ziel der Hater: Die Leute hoffen, dass sie einem mindestens einen Tag, eine Woche oder vielleicht sogar einen ganzen Monat im Jahr rauben, in dem man sich sonst intensiver mit der Arbeit beschäftigt hätte.

Nimmt der Hass immer weiter zu?

KN: Was in letzter Zeit auf jeden Fall zugenommen hat, sind die unsäglichen NS-Vergleiche, die überall auftauchen.

PL: In Zeiten großer Shitstorms habe ich schon das Gefühl, dass der digitale Raum sich immer mehr vergiftet. Ich habe schon mit einigen Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­r:in­nen gesprochen, die sich aus Angst vor den Konsequenzen nicht öffentlich äußern wollen. Und das ist wirklich gefährlich. Marginalisierte Menschen haben sich mit sozialen Medien einen Raum erkämpft, das hat zu mehr Diversität geführt. Aber wenn wir nichts gegen den Hass und die Hetze tun, dann werden wir das wieder verlieren.

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12 Kommentare

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  • Besten Dank und großen Respekt für diese gute und wichtige Arbeit. Werde mich gleich inhaltlich damit beschäftigen.



    Es ist erbärmlich zu sehen, wie Menschen, die einen wichtigen Beitrag für Demokratie sowie faktenbasierte Lebens- und Denkweise leisten, von einer kleinen aber lauten Gruppe angefeindet werden.



    Hier müssen Gesellschaft und Staat aktiver werden.

  • Also da haben wir doch schon ein ganz klares Problem, das die Politik in Zusammenarbeit mit der Justiz lösen muß: Wenn eine Anzeige zur Folge hat, dass die Anschrift des Opfers dem Täter bekannt wird, so muß man das unterbinden. Auf diese Weise kehrt sich das "Spiel" um. Der Täter wird bekannt und juristisch belangt und die Opfer genießen den Schutz der Anonymität.

    • @shitstormcowboy:

      Erstmal geht's hier um Kläger nd Beklagten, nicht um "Täter" und "Opfer". So viel Zeit muss sein, selbst wenn mal wieder ein Hobby-Jurist den Rechtsstaat seinem moralischen Empfinden anpassen möchte.

  • Respekt! Und danke für die Veröffentlichung. Die breite Masse erfährt ja eher selten vom Ausmaß dieser Internet-Pest und den persönlichen Opfern derjenigen, die sich für die freie Gesellschaft und funktionierende Demokratie engagieren.

  • Hoffentlich kriegen diese mutigen Frauen wenigstens von Onkel Ditt...äh Steinmeier das BVK erster Klasse angepinnt, das wäre wohl das mindeste.



    Davon abgesehen ist es schlicht erschütternd, wieviele kaputte Typen unsere Gesellschaft inzwischen hervorbringt.

  • Dem schließe ich mich an.

    • @Beate Homann:

      Ich nicht.

  • Ich habe den höchsten Respekt vor diesen beiden Frauen, die so eine wichtige Arbeit machen und sich dabei diesem ganzen Hass, dieser Hetze, diesem ganzen Dreck aussetzen müssen.

    Ein Problem scheint mir dabei darin zu liegen, dass sie keine Anzeigen erstatten können, ohne ihre Daten preis zu geben. Das ist ein Unding.

    • @Jim Hawkins:

      Ja, das darf einfach nicht passieren. Es lässt Menschen, die sich engagieren, quasi schutzlos zurück...

    • @Jim Hawkins:

      Das Problem scheint mir eher darin zu liegen, dass Polizei und Justiz nicht Willens sind diese Daten ausreichend zu schützen, was vorallem an mangelnden persönlichen(!) Konsequenzen für die Personen liegt, die diese zu schützen haben.

      Für solche eindeutigen Vergehen erntet man als Bürger bei Anzeige stets nur ein "gähn", "haben wir hier nicht", "wenn wir das(!) alles verfolgen sollten", "Rechtsbruch? nie gesehen".

      Vielleicht auch ein "Diese Daten sind rechtswidrig weitergegeben worden. Der Rechtsstaat siegt! Wie? Nein, die Beamten sind natürlich immer noch im Dienst!"

      Die Krähen und das Auge. Die Hände und das Waschwasser...

      • @nanymouso:

        Es ist schon merkwürdig: Wir haben eine DSGVO, die das Recht auf Datenschutz beinhaltet und staatliche Behörden sind nicht willens, technisch organisatorisch nicht in der Lage sich an dieser Gesetzeslage dran zu halten. Damit machen sie sich (die Behörden) faktisch strafbar, oder sehe ich das falsch?

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      +1