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Pause bei den AutobahnblockadenAk­ti­vis­ten trauern um Polizisten

„Der Aufstand der letzten Generation“ blockiert seit Tagen Straßen. Nach dem gewaltsamen Tod von zwei Po­li­zei­be­am­t:in­nen in Kusel pausiert er.

Machen Pause aus Respekt. AktivistInnen vom „Aufstand der letzten Generation“ in Hamburg unterwegs Foto: J. Große/Adora Press

Berlin taz | Seit über einer Wochen blockieren sie bundesweit Straßen. Sie – das sind die Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen des „Aufstands der letzten Generation“. „Essen retten. Leben retten.“ So lautet die Forderung auf ihren Bannern. Die neue Bundesregierung soll ein Essen-Retten-Gesetz verabschieden und damit so schnell wie möglich gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen. Solange wollten die Ak­ti­vis­t:in­nen Autobahnen und Bundesstraßen blockieren. Nun haben sie die Aktionen unterbrochen. Aber das hat weder mit einem Erfolg noch mit einem Misserfolg ihres Protests zu tun. Es ist ein Zeichen des Respekts und der Solidarität nach den tödlichen Schüssen auf zwei Po­li­zis­t:in­nen in Kusel.

Zuletzt haben die Ak­ti­vis­t:in­nen fast täglich Autobahnzufahrten in Berlin, aber auch in Stuttgart und Hamburg blockiert. Auch am Montag setzten sich wieder um die 50 Menschen mit Transparenten auf die Fahrbahnen, verursachten Staus, bis die Polizei sie von der Straße zerrte. In Berlin wurden über 30 Menschen vorläufig festgenommen.

Die Blockaden sind friedlich, provozieren jedoch. Auf Twitter kursieren Videos, in denen Po­li­zis­t:in­nen versuchen, die Demonstrierenden von den Straßen zu zerren. Aufgebrachte Au­to­fah­re­r:in­nen steigen aus und schreien die Ak­ti­vis­t:in­nen an, reißen ihnen die Plakate aus den Händen. „Wenn Lifestyle-Linke auf die Arbeiterklasse treffen“, kommentiert ein User. Vor einigen Tagen schlug ein Autofahrer einer Aktivistin ins Gesicht.

Jetzt haben die Ak­ti­vis­t:in­nen eine Pause der Blockaden angekündigt. „Wir haben beschlossen, ab heute für ein paar Tage zu pausieren“, erklärte Pressesprecherin Carla Hinrichs am Dienstag. Der Grund: „Der Aufstand der letzten Generation“ trauert um die Polizeitoten von Montag. In der Nähe der pfälzischen Kleinstadt Kusel waren am Morgen zwei Po­li­zis­t:in­nen erschossen worden. Angesichts dieser Nachricht wollten sie erstmal ihre Solidarität mit allen Betroffenen und Angehörigen bekunden, so Hinrichs. Sie trauerten mit ihnen.

Ein Kampf gegen Gewalt

„Wir wollen Sicherheit für jede und jeden in unserem Land – ob sie Uniform tragen oder nicht“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Dienstag. Und weiter: „Wir respektieren die Notwendigkeit öffentlicher Ordnung. Die aktuelle fossile Ordnung ist jedoch keine Ordnung, sie ist Chaos. Das aktuelle Weiter-So führt uns in große soziale Unruhe.“

Ihr Kampf gegen Treibhausgasemissionen und gegen Zerstörung des Lebens sei ein Kampf gegen Gewalt. Die Ak­ti­vis­t:in­nen verweisen auf die 182 Menschen, die bei der Flutkatastophe im vergangenen Sommer in Rheinland-Pfalz und NRW ums Leben kamen. Dürren, Ernteverluste und Lebensmittelverschwendung würden auch weiterhin Gewalt und Konflikte erzeugen. „Diese Gewalt macht uns Angst“, schreiben sie.

Gerade weil sie weitere Gewalt und Konflikte verhindern möchten, setzten sich die Ak­ti­vis­t:in­nen mit Plakaten auf die Straße, sorgten täglich für Polizeieinsätze und Auseinandersetzungen mit Au­to­fah­re­r:in­nen auf dem Weg zur Arbeit.

Wie sie jetzt weitermachen, wollen sie in den nächsten Tagen bekannt geben. Es ist davon auszugehen, dass sie die Blockaden wieder aufnehmen.

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6 Kommentare

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  • taz: "Ak­ti­vis­ten trauern um Polizisten. „Der Aufstand der letzten Generation“ blockiert seit Tagen Straßen. Nach dem gewaltsamen Tod von zwei Po­li­zei­be­am­t:in­nen in Kusel pausiert er."

    Das ist ja auch richtig und menschlich, dass man den Mord an zwei jungen Polizisten nicht so einfach ad acta legt und zur Tagesordnung - wie immer die auch für Aktivisten ausschaut - übergeht. Hier sieht man aber, dass der Aktivist die Polizei nicht als Feind ansieht, sondern höchstens als Handlanger einer unfähigen Politik. Es geht hier auch nicht um einen "Kampf" Aktivist gegen Polizist, sondern um die Frage, ob die Menschheit überleben wird, oder sich mit der Gier nach immer mehr 'Wachstum" in absehbarer Zeit selbst zerstört. taz: "Ihr Kampf gegen Treibhausgasemissionen und gegen Zerstörung des Lebens sei ein Kampf gegen Gewalt. Die Aktivisten verweisen auf die 182 Menschen, die bei der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer in Rheinland-Pfalz und NRW ums Leben kamen. Dürren, Ernteverluste und Lebensmittelverschwendung würden auch weiterhin Gewalt und Konflikte erzeugen." Leider begreifen das wohl viele Menschen immer noch nicht, sei es nun aus Dummheit oder aus Desinteresse. taz: "Vor einigen Tagen schlug ein Autofahrer einer Aktivistin ins Gesicht." Was soll man dazu eigentlich noch sagen? Die Gewalt nimmt in der Welt immer mehr zu, aber das scheint wohl normal zu sein für den Homo sapiens, der sich auch noch einbildet "weise" und "klug" zu sein.

  • Es ist die reine Verzweiflung einer vom Autowahn vernebelten Gefolgschaft, die sich auf unseren Strassen und Parkplätzen aufgrund der Überkapazitäten nur noch im privaten Ellenbogenkampf durchsetzen will. Wenn dann noch Prestigedenken und Raserei als Volkssport dazu kommt, wird es die tödliche Mischung jedes geordneten Gemeinwesens. Runter vom Gas, keine inzwischen kaum noch bezahlbaren Neubauten und Reparaturen für den Individualverkehr und Verlagerung sämtlicher Investitionen in einen gut funktionierenden ÖPNV wäre dringend auf der Tagesordnung. Ich hoffen, 'wir' können uns das überhaupt noch leisten, bevor Klimazwangsmassnahmen für eine unfreiwillige Verschrottung aller Privatfahrzeuge sorgen.

  • Nichts für ungut, aber ich verstehe den Zusammenhang nicht, die Presseerklärung hilft da auch nicht weiter. Respekt zollen ist genauso möglich ohne die Aktionen zu stoppen?!

  • Gefällt mir. Erstens der Respekt vor den Opfern, ihren Angehörigen und Kollegen, zweitens die grundsätzliche Akzeptanz staatlicher Ordnung.

  • Eine wichtige Aktion in Zeiten wo ACAB Sprüche links gang und gäbe sind.

  • Finde ich gut, dass die Aktivistinnen und Aktivisten dieses menschliche Signal gesetzt haben. Nicht ist wichtiger als Menschenleben. Und nichts ist schlimmer, als Menschen das Leben zu nehmen.