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Autolobby attackiert KlimaaktivistInnenIm Prinzip gegen die Demokratie

KlimaaktivistInnen haben am Montag Autobahnen in Berlin blockiert. Die Chefin des Verbands der Autoindustrie findet dafür drastische Worte.

Demokratiefeinde, ernsthaft? Besetzung einer Autobahnzufahrt in Berlin-Steglitz am Montag Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Nach den punktuellen Autobahnbesetzungen am Montag greift die Autolobby KlimaaktivistInnen als Demokratiefeinde an: „Ich verfolge mit großer Sorge, dass wir auch einige Klimaaktivisten haben, die sagen, Demokratie bringt es im Prinzip nicht“, sagte die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, in einem Podcast des Berliner Tagesspiegels.

Begründet werde das unter anderem damit, so Müller, dass Entscheidungsprozesse zu langwierig seien. Es sei aber ein „gefährlicher Weg, die Mühen der Transformation zu unterschätzen und einfach nur Forderungen aufzustellen. Wir werden das nur gemeinsam und mit demokratischen Mitteln schaffen“, betonte die Autolobbyistin.

In Berlin hatten am Montag eine AktivistInnengruppe namens „Aufstand der letzten Generation“ zwei Zufahrten zu ­Autobahnen blockiert. Deren Mitglieder hatten im vergangenen Jahr bereits durch einen Hungerstreik Schlag­zeilen gemacht, mit dem sie die drei Kanz­ler­kan­di­da­t:in­nen zu öffentlichen Gesprächen über die Klimakrise bewegen wollten.

Im Ortsteil Steglitz nahmen nach Angaben der Polizei 30 Personen an der Blockade teil, von denen die meisten die Straße nach Aufforderung der Einsatzkräfte freiwillig räumten. Im Pankow verließen laut Polizei alle 20 Ak­ti­vis­tIn­nen die blockierte Straße freiwillig.

Um die Verkehrsprobleme zu lösen und die Klimaziele zu erreichen, dürfe man, „nicht mehr die ideologischen Schlachten der Vergangenheit schlagen“, sagte Müller. Dann „werden wir mehr erreichen“. Vor allem der Klimaschutz sei ein „gemeinsames Projekt“, nicht nur eine Aufgabe der Automobilindustrie.

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13 Kommentare

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  • "Ich verfolge mit großer Sorge, dass wir auch einige Klimaaktivisten haben, die sagen, Demokratie bringt es im Prinzip nicht"

    Feinste Sahne. Sagt die, deren Lobby sich schon seit Jahrzehnten im Verkehrsministerium eingenistet hat und somit effektiv die demokratischen Prozesse kurschliesst.

    Bäääh.

    • @tomás zerolo:

      Genau, ansonsten uneffizient lange Verfahren werden mit guten Argumenten und ein paar Groschen für die Parteikassen einfach abgekürzt. Ist doch nett von der Industrie, dass sie auf diese Weise einen Beitrag zum demokratischen System leistet. :D

      Dagegen kämpfen die "Aktivisten", die Hans Meier von nebenan daran hindern seinen Kollegen von der Schicht abzulösen und die von der Straße gehen wenn die Polizei fragt, Kasperletheater perfekt.

  • Ich habe für die meisten Formen des Protests für die Umwelt unglaublich viel Respekt. Vor allem die Aktionen zum Erhalt von Dörfern und Wäldern. Diese Aktion finde ich aber wirklich blöd und auch etwas albern. Trifft sie doch sicherlich fast nur Leute, die einfach dringend zur Arbeit müssen. Keine gute Idee imho...

  • Aus irgendeinem Grund, ist es in D-Land sehr weit verbreitet sich mit seinem Kraftfahrzeug zu identifizieren..



    Das klingt vielleicht banal ist aber bei genauerer Betrachtung von fundamentaler Bedeutung,wenn es um die Neugestaltung des Verkehrsektors geht.

    Andere Länder tun sich da deutlich weniger schwer, aus dem einfachen Grund, dass sie Autos,etc. mehr als Fortbewegungsmittel verstehen, denn als Mittel zur Vergrößerung ihres Selbstbewusstseins.



    .



    Da dies in D-Land aber leider!! anders ist, sind alle Debatten zu dem Thema mit einer Asynchronzität vorbelastet. Anders ausgedrückt: viele Auto-Identifizierte fühlen sich dank ihrer 350PS und ihren 2t Gewicht so stark und überlegen, dass man mit ihnen kaum mehr auf Augenhöhe diskutieren kann.



    .



    Und dieses Muster setzt sich dann über gesellschaftliche Wertemuster bis hinein in die Politik fort.



    .



    Nur ein Beispiel: im Vorfeld der angekündigten Blockaden wurde u.a. überlegt ob man diese als "gefährlichen Eingriff in den Strassenverkehr" einstuft, was ich ziemlich lächerlich finde, wohingegen das Parken auf Radwegen tatsächlich ein gefährlicher Eingriff ist.!!.. Das ist aber in der StVO nicht vorgesehen.



    .



    In D-Land HERRSCHT also eine ganz üble Form von Doppelmoral, die aus der Automobilen Identifikation hervor geht. Dieses Schema führt im Weiteren auch zu einer Ignoranz anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber..so dass es oft kaum noch möglich ist auf mit einander zu diskutieren.. Demokratie hin oder her.



    .



    Daher ist nur folgerichtig andere Formen der Auseinandersetzung zu suchen...



    .



    Ich kann die Protestler jedenfalls gut verstehen..

  • Die freie Autobahn als Inbegriff der Demokratie. Der VDI zeigt mal wieder seine völlige Verachtung der Zivilgesellschaft.

    Ziviler Ungehorsam ist Teil der demokratischen Kultur.

    Meine Unterstützung haben die Aktivist*innen auf jeden fall

    • @syle x:

      "Ziviler Ungehorsam ist Teil der demokratischen Kultur."



      Ziviler Ungehorsam richtet sich gegen die Obrigkeit. Das kann ich bei einer Blockierung des privaten Autoverkehrs nur bedingt erkennen.

      Zudem ist eine Blockierung des Autoverkehrs bei Forderung nach Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung (NICHT Reduzierung des Autoverkehrs, was bei Klimaschutz sogar angemessen wäre!) komplett am Thema vorbei. Aktivismus ohne Ziel sozusagen.

      "Meine Unterstützung haben die Aktivist*innen auf jeden Fall."



      Grundsätzlich schon, allerdings mit den obigen Einschränkungen.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Ich sehe nicht, das die Verkehrspolitik der vergangenen Jahre in dem Sinne demokratisch legitimiert war.



    Die wesentlichen Entscheidungen wurden doch intransparent in Hinterzimmern von Lobbygruppen vorbereitet und dann bestenfalls durch demokratisch legimierte Personen verkündet.



    Der Umgang Branche mit den Abgas-Betrügereien zeigt das ganz deutlich.

    Nach diesem Offenbarungseid würde man sich mehr & echte Demut von der Branche wünschen.



    Und nicht ein Bashing derer, die sich für notwendige Veränderungen einsetzen.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    "nicht nur eine Aufgabe der Automobilindustrie"

    Als ob die deutsche Automobilindustrie bisher Teil der Lösung gewesen wäre.

    Die lassen sich eher zum Jagen tragen. Und wenn selbst Angela Merkel vor Jahren den fehlenden Innovationswillen dieser Branche kritisiert hat, will das schon etwas heißen.



    Meine volle Unterstützung für diese mutigen Leute, die sich auf deutsche Strassen setzen.



    Hatte die Automobilindustrie sich eigentlich auch genauso vehement gegen die wochenlangen Treckerblockaden durch radike Bauernverbände gewandt?

  • Ein "Demokratiefeind" ist jemand der die Demokratie bekämpft, hier liegt der Fall vor dass sich Leute über demokratische Strukturen hinwegsetzen weil sie (berechtigt oder unberechtigt) der Meinung sind dass sie das moralische Recht dazu haben. Von daher ist die Formulierung durch die taz eine sehr unglückliche Zusammenfassung der Position

    In der Sache stimmt die Aussage, wenn man sich dem Zivilen Ungehorsam zuwendet weil die demokratischen Organe nicht die Ergebnisse bringen die man sich wünscht, dann sind die Prioritäten klar gesetzt und die Demokratie hat das Nachsehen

  • Dass den Autolobbyisten Aktionen von Klimaaktivisten nicht gefallen, ist klar. Aber in dem Fall haben sie natürlich Recht, Entscheidungen müssen auf demokratischen Wege fallen, nicht durch irgendwelche Blockaden.

    Ich frage mich, ob solche Aktivisten eigentlich wirklich überlegen, was sie mit ihren Aktionen erreichen wollen und können. Es ist ja nicht so, dass es keine Aufmerksamkeit für Klimathemen gibt, die Frage, die sich in 2022 den meisten Menschen stellt, ist ja längst nicht mehr "Müssen wir was gegen den Klimawandel tun?", sondern "Was können wir gegen den Klimawandel tun?" Das ist eine Frage, mit der sich Politik und Öffentlichkeit beschäftigen müssen, vor allem aber Wissenschaftler und Ingenieure - und eben nicht selbst ernannte Aktivisten, die gar keine Lösungen anbieten.

    Natürlich muss sich auch jeder einzelne überlegen, wie sein eigener Lebensstil klimagerechter sein kann. Das ist übrigens auch viel wichtiger und konstruktiver, als auf andere zu zeigen. Wenn man aber andere überzeugen will, dann ist Krawall und Blockade sicher der falsche Weg, das führt eher zu einer Verhärtung der Debatte und nicht dazu, dass Menschen hier Verhalten ändern.

    Zum Teil entsteht schon der Eindruck, dass solche Aktivisten einfach nur Gelegenheiten suchen, Krawall zu machen, dass es ihnen letztlich genauso wenig um das Klima geht, wie schlägernden Ultras und Hooligans um Fußball

    • @Ruediger:

      Blockaden, zumindest die ohne körperliche Gewalt, sind in meinen Augen durchaus Teil der öffentlichen Meinungsäusserung, die eine Demokratie aushalten muss und kann. Und "irgendwelche" kann ich hier nicht erkennen: das schien doch alles gut geplant zu sein. Und was meinen Sie mit "Krawall"??? War das Megaphon zu laut?

      Wir haben mindestens eine Generation lang Zeit verschenkt, in der wir um die Problematik wussten, uns aber zu keinen zielführenden Lösungen durchringen konnten. Wir haben nun aber keine weitere Generation Zeit mehr. Jetzt helfen nur Lösungen, die von Gesellschaft und Einzelnem schmerzhaften Verzicht erfordern. Das wird nicht nur über Konsens möglich sein, und dazu gehören auch unabdingbar öffentliche Aktionen wie diese.

      • @Flachköpper:

        "Wir haben mindestens eine Generation lang Zeit verschenkt, in der wir um die Problematik wussten, uns aber zu keinen zielführenden Lösungen durchringen konnten."

        Mehr noch, eine ganze Industriebranche hat durch intensive Lobbyarbeit eine rechtzeitige Richtungsänderung verhindert. Hinzu kommt der vorsätzliche Betrug, wie er im Abgasskandal offensichtich wurde.

        All das ist ein aus Sicht der Demokratie höchst unerfreuliches Verhalten, das von der Autoindustrie ausgeht.

    • @Ruediger:

      Warum "Krawall"? Sie Eskalieren mit ihrer Wortwahl und suggerieren fälschlich, das es sich um einen Vandalierenden Mob handelt. Auch der Vergleich zu Hooligans hinkt, da der Zusammenhang zwischen Autos behindern und Klimaschutz klar gegeben.

      Die Aufmerksamkeit hat bisher auch nicht zu irgendwelchen Maßnahmen geführt, die effektiv den CO2 Ausstoß vermindern. Die Wissenschaft hat hat klare Ergebnisse vorzuzeigen, die die Politik tapfer ignoriert.