piwik no script img

Gespräche im UkrainekonfliktDes Konflikts Kern

Russlands Außenminister Sergei Lawrow reagiert auf Brief aus den USA. Er fordert weiter, auf eine Erweiterung der Nato nach Osten zu verzichten.

Russische Soldaten in der südrussischen Region Rostow, 26. Januar 2022 Foto: Sergey Pivovarov/reuters

Moskau taz | Das russische Außenministerium hat am Donnerstag bestätigt, von den USA und der Nato eine schriftliche Antwort auf die russischen Vertragsentwürfe mit den Forderungen nach Sicherheitsgarantien erhalten zu haben. Genau das, was Russlands Außenminister Sergei Lawrow seit Wochen einforderte. Er erkenne darin die Bereitschaft der USA und der Nato zum Beginn eines ernsthaften Gesprächs, sagte Lawrow in Moskau. Aber: Die Kernfrage sei ausgelassen worden.

Moskau gehe es vor allem um die Zusage, dass die Nato auf eine weitere Erweiterung nach Osten verzichte. Russland fühle sich durch diese bedroht. „Wir haben eine klare Position zur Unzulässigkeit einer weiteren Erweiterung“, wiederholte der 71-Jährige einmal mehr. Eine positive Antwort diesbezüglich habe Russland nicht erhalten. Eine positive Antwort diesbezüglich kann die Nato auch nicht geben, pflegt das Bündnis doch die Kernprinzipien der „Politik der offenen Türen“.

„Wir sind bereit, uns die Sorgen Russlands anzuhören und eine echte Diskussion darüber zu führen, wie wir die fundamentalen Prinzipien der europäischen Sicherheit bewahren und stärken können“, hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem Überbringen des Briefes am Tag zuvor gesagt. Dazu gehöre aber auch das Recht aller Staaten, selbst über ihren Weg zu entscheiden. Lawrows US-amerikanischer Amtskollege Antony Blinken sagte, Verhandlungsspielraum mit Moskau gebe es etwa bei Manövern in Europa oder bei der Rüstungskontrolle.

Moskau sind die Positionen des Westens bekannt. Man testet allerdings die Grenzen dieser Positionen aus und sorgt mit dem massiven Truppenaufmarsch an der russisch-ukrainischen Grenze für ein Bedrohungsszenario, dem Washington und Brüssel nicht ausweichen können. Auf allen Kanälen, diplomatischen wie militärischen, ist Russland damit das Topthema. Moskau hat dadurch vor allem eines erreicht: Man wird wichtig genommen.

Die Mittel für die Verteidigung Moskauer Po­si­tio­nen erstaunen den Westen, sie stoßen die USA wie Europa vor den Kopf. Den Russen ist ihre militärische Kraft aber geradezu heilig. Sie sind auch bereit dazu, die Gewalt einzusetzen, mit der sie drohen. Das macht die Lage für und in der Ukraine gefährlich. Und der Schwebezustand mit all den Fragen nach dem möglichen Beginn einer Invasion der Russen hält weiter an.

„Es wird keinen Rückzug geben“, sagte der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew der russischen Nachrichtenagentur RIA am Donnerstag und wiederholte, eher ungelenk wirkend, die Position, die Putin vertritt. „Wir haben die Beziehungen zur Nato stets in guter Absicht gepflegt. Aber wir wurden nicht gehört“, sagte er. Es ist zum russischen Mythos geworden, dass Russland von der Nato gelinkt worden sei. Es gehe nicht um die Ukraine, meinte Medwedew – und dürfte damit wohl recht haben. Moskau geht es vor allem um einen Umbau der europäischen Sicherheitsarchitektur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die NATO ist eine sinnvolle und gute Einrichtung. Da es sich um ein Verteidigungsbündnis handelt, gewährleistet sie auch kleinen Staaten Schutz, den diese sich gegen einen übermächtigen Aggressor niemals leisten könnten. Gleichzeitig spart man sich eine Menge Rüstungsausgaben. Und ja, die NATO sorgt auch dafür, dass die Offensivfähigkeit ihrer Mitglieder abnimmt.



    Das erklärt auch warum Russland neuerdings so allergisch auf den Beitritt neuen Ländern reagiert. Im Falle eines Angriffs würde der Art. 5 des NATO-Vertrages wirksam. Für jemanden, der nicht die Absicht hegt seinen Nachbarn zu überfallen, ist der allerdings vollkommen unerheblich. Für jemanden, der sich einen Einmarsch beim Nachbarn vorbehalten will, ist die NATO jedoch ein echtes Ärgernis. Dafür mag ich sie.

  • Die NATO hält ihre heiligen Prinzipien der Ausdehnung ohne Rücksicht hoch aber die Folgen trägt die Ukraine - Wie sinnvoll. Ich habe den Eindruck, die USA hoffen auf einen Krieg um Russland zu schwächen.



    Ein Erweiterungsmoratorium im Gegenzug für Fortschritte in der Ostukraine wäre sinnvoll und machbar. Man verliert nichts dabei, Erweiterungen für 10 oder 20 Jahre auszuschließen.

  • NATO-Politik der offenen Türen... was kümmert uns unser Geschwätz von gestern (vor der deutschen Wiedervereinigung 1990)... damit war also die Kuba-Krise 1962 auch nur ein Missverständnis, die Russen dürfen ab sofort dort Atomraketen stationieren...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Frank Roger:

      Die Sovietunion hatte viele Militärstützpunkte auf Kuba, nur keine Nuklearraketen. Wenn Russland davor Angst hat kann man gerne einen Deal machen keine Land-gestützten Nuklearraketen in Europa im Gegenzug darf die Ukraine in die NATO.

      Die NATO hat derzeit null Land-gestützte Nuklearraketen in Europa. Die US Bomben sind Freifallbomben, die französischen und britischen U-Boot basiert. Die einzigen Nuklearraketen sind die Russlands.

    • @Frank Roger:

      Ich habe bisher noch nicht vernommen, dass die NATO Atomwaffen in den 'neuen' östlichen Mitgliedsstaaten stationiert hat...

  • "Die Mittel für die Verteidigung Moskauer Po­si­tio­nen erstaunen den Westen".

    Wie plump und diplomatisch ungeschickt Putin diesen vermeintlich tollen Schachzug angelegt hat, erstaunt wirklich. Die einzige vernünftige Erklärung scheint mir, dass seine eigene Aufklärung und Berater ihm ein arg geschöntes Bild davon vermittelt haben, wie toll weit die erwünschte Spaltung des Westens, auf die seit Jahren hingearbeitet wird, gediehen ist. Es ist ja typische Entwicklung in Diktaturen, dass der Autokrat irgendwann nur noch die Sachen erzählt kriegt, die er hören will.

    Scheinbar hat er tatsächlich einen Bruch in der NATO, oder der EU erwartet. Oder mit der gewünschten Zusage gerechnet. Hat nicht geklappt. Und nun ist kein Plan B da.

    Hoffentlich haben ihm wenigstens seine Militärs eine realistische Einschäzung der Ukrainischen Steitkräfte vermittelt.

    • @Barbara Falk:

      Na auf den letzten Satz würde ich eher nicht hoffen: Dann weiß er, dass das amerikanische Vorgehen im Irak das sinnvollste für einen schnellen Sieg ist.. Besatzung ist was anderes, aber die läßt sich auch im Regime Change Style regeln - Die Iraker, eh Ukrainer bewachen sich schon selbst.

      Und da sind wir auch schon: Warum darf Russland sich nicht genauso mies verhalten wie die USA (und Deutschland als logistischer Helfer braucht da auch keine Moralreden schwingen)

      Ich weiß, mein Kommentar ist zynisch, aber bei all der Verlogenheit und Doppelmoral, die heutzutage kalt lächeln im Namen der Menschenrechte ausgebreitet wird kann einem nur noch schlecht werden.



      Meine Argumentation ist auch kein Whataboutism - Wenn man die Invasion des Iraks mit der überall vermuteten Invasion der Ukraine vergleicht, dann müsste man beides für gut oder für schlecht gleichermaßen halten.

      Man kann der Meinung sein, dass man auf dem geopolitischen Schachbrett den Westen hochhalten und Russland zurückdrängen muss. Aber dann sollte man so ehrlich sein und sagen, dass einem die Moral dabei am Arsch vorbei geht.

      Meine Meinung wäre eher die, um Krieg und Leid zu verhindern den Russischen Vorschlag einer Finnlandisierung der Ukraine aufzugreifen und diesen so teuer wie möglich in Verhandlungen zu verkaufen. Da gäbe es vieles, was der Ukraine mehr nützt als Krieg: Rückgabe der Ostgebiete, ein günstiger Gaspreis für die wirtschaftliche Entwicklung, Marktzugang in beide Richtungen.

      Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass die NATO und die jetzige ukrainische Führungsschicht eher auf Kosten der Bevölkerung Machtpolitik betreiben, die nur den USA und einigen Oligarchen etwas nützt. Alle anderen verlieren.