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Russland, Nato und UkraineLasst uns miteinander reden

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Moskau und der Westen sollten miteinander verhandeln. Dabei muss aber auch die Ukraine einbezogen werden.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg und der ukrainische Präsident Selenskyj am 16. Dezember im Nato-Hauptquartier Foto: Olivier Matthys/ap

R ussland schlägt den USA Verhandlungen über eine neue Sicherheitsstruktur vor und die USA willigen ein. Eigentlich eine schöne Geste, sollte man meinen. Wäre da nicht dieser ultimative Unterton und die Drohung mit Krieg. Russland will nichts weniger als eine Garantie, die Ukraine und Georgien nicht in die Nato aufzunehmen. Dass die Nato diese russische Forderung nicht einfach so in ihre Programmatik übernehmen kann, dürfte auch der russischen Führung klar sein.

Russlands Vorstellungen von einer neuen Sicherheitsstruktur gehen indes über die Frage eines Nato-Beitritts der Ukraine und Georgiens hinaus. Man will auch keine militärischen Aktivitäten des Bündnisses in der Nähe seiner Grenzen, eine Absage an Kurz- und Mittelstreckenraketen und einen Dia­log zwischen Russland und der Nato auf ständiger Basis. Alles Forderungen, auf die sich die westlichen Staaten durchaus einlassen könnten, beruhten sie auf Gegenseitigkeit.

Verhandlungen haben zwei Vorteile: Sie zielen auf Kompromisse ab und sie ziehen sich lange hin. Die Kontrahenten bleiben also im Gespräch. Dass Gespräche mit Russland erfolgreich sein können, zeigt das kaum beachtete Ergebnis der jüngsten Sitzung der trilateralen Kontaktgruppe, bei der sich die Konfliktparteien erneut, zur großen Freude der OSZE, geeinigt haben, den Waffenstillstand in der Ostukraine einzuhalten und auch Feuer der anderen Seite nicht zu erwidern.

Es stellt sich jedoch die Frage, warum nur über die Sicherheitsbedürfnisse von Nato und Russland verhandelt werden soll. Die Ukraine hat schließlich ebenfalls sicherheitspolitische Bedürfnissen. Auch Selenski möchte mit Putin verhandeln.

Der Ukraine droht eine Energiekrise

Gefahr droht der Ukraine zudem von anderer Seite: Jüngst warnte der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU vor einer Energiekrise. Angesichts niedriger Kohlevorräte könnten in ganzen Regionen die Heizungen ausfallen, auch Stromausfälle drohen.

Sollte es so kommen, sind soziale Unruhen, aber auch technogene Katastrophen nicht mehr ausgeschlossen. Nicht auszumalen, welche Folgen Stromausfälle im großen Stil auf die hoch industrialisierte Ukraine hätten. Dann wäre das Land ohne einen einzigen Schuss destabilisiert.

Solidarität mit der Ukraine bedeutet also nicht nur, ihre Sicherheitsbedürfnisse in die Verhandlungen zwischen Nato und Russland einzubringen. Der Ukraine, die derzeit täglich Strom aus Belarus importiert, muss geholfen werden, energietechnisch von Russland und Belarus unabhängig zu werden, auch mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und einem Umstieg ins europäische Stromleitungsnetz.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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9 Kommentare

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  • Wie wäre es, wenn Russland in die Nato aufgenommen würde?

    Wie wäre es, wenn Russland als gleichberechtigter Partner mit dabei wäre?

    Wie wäre es, wenn wir Russland dabei helfen würden, ein demokratischer und erfolgreicher Staat zu werden? In dem auch Putin sein Gesicht wahren könnte?

    Vielleicht sollten wir solche "Gamechanger"-Visionen entwickeln, um unsere Welt zu verändern? Vielleicht sind das aber auch nur fromme Ideen zur Weihnachtszeit und ich sollte besser zum Arzt gehen. ;-)

    • @Black & White:

      . . . nein, Sie brauchen sicher nicht zum Arzt. Die Welt wäre sicher ein besserer Ort, würden alle Staaten Demokratien.



      Allein - was hindert Russland denn daran, eine funktionierende Demokratie zu werden ??? Die USA ????

      • @Isandlwana:

        Die NATO hat kein Problem mit der Aufnahme von disfunktionalen Demokratie, sonst wären die USA, Polen und die Türkei schon längst wieder draußen.

  • Es wäre naiv, die Äußerungen von Putin wörtlich zu nehmen. Die Behauptung Ukraine drohe Russland mit Krieg ist ein gutes Beispiel für skrupellose Rhetorik. ABER das macht nicht automatisch die Ukraine zu den „Guten“. Auf diesem Drahtseil gilt es zu jonglieren…

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    "Russland will nichts weniger als eine Garantie, die Ukraine und Georgien nicht in die Nato aufzunehmen. "

    Die Folge wäre eine Stationierung weiterer Raketen viel dichter an der russischen Grenze. Sollte man vielleicht mal erwähnen.

  • @OLDFRANK

    Und überhaupt: was gehen uns andere Menschen an?

    Was gehen Sie mich an?

    Frohes Fest und so.

  • Was geht uns denn die Ukraine an?

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @OldFrank:

      Was ging die Alliierten Polen an? Was ging die Westmächte Westberlin an? Was geht Russland die Ukraine an? Heute ist es die Ukraine morgen die Balten und Polen und dann sind wir dran.

    • @OldFrank:

      Im Rahmen der Entnuklearisierung haben die USA und Russland deren territoriale Integrität garantiert.



      Im Vertrauen darauf hat die Ukraine die sowjetischen Atomwaffen an Russland übergeben bzw. zerstört.



      Da sollten wir uns zumindest um den letzten Rest Selbstbestimmung der U. Kümmern