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„Querdenker“-Proteste auf TelegramAußer Kontrolle

In anderen Ländern nutzen demokratische Oppositionelle die App. Hierzulande radikalisieren sich dort „Querdenker“. Alles über Telegram.

Demonstration am 1. Mai 2018 in St. Petersburg. Auf der Holztafel: Telegram-Gründer Pawel Durow Foto: Imago

Telegram verkauft sich gerne als die bessere und unabhängige Alternative zu Whatsapp. Schon länger hetzen Rechte auf dem Netzwerk. Aktuell radikalisieren sich hier die Proteste gegen die Coronamaßnahmen. Mittlerweile werden nicht nur Verschwörungstheorien verbreitet, sondern auch Morddrohungen abgesetzt. Die wichtigsten Fragen und die dazugehörigen Antworten zum Messengerdienst.

Wie funktioniert Telegram?

Telegram ist ein Messengerdienst. Ähnlich wie Whatsapp und Signal läuft er über eine Smartphone-App, lässt sich aber auch über einen Computer benutzen. Für die Nutzung wird eine Mobilfunknummer benötigt. Dann stehen Nut­ze­r:in­nen verschiedene Funktionen zur Verfügung: Es gibt die Chat-Funktion direkt mit einer Person oder innerhalb einer öffentlichen oder privaten, also geschlossenen Gruppe. Auch Videoanrufe und Sprachnachrichten sind möglich. Außerdem gibt es verschiedene Kanäle, innerhalb dieser nur die Ka­nal­her­stel­le­r:in­nen Beiträge posten können – je nach Einstellung können die Beitrage aber öffentlich kommentiert werden.

Laut dem Unternehmen knackte die App Anfang des Jahres die Marke von 500 Millionen Nut­ze­r:in­nen weltweit. Zum Vergleich: Whatsapp hat rund vier Mal so viele Nutzer:innen. Gegründet wurde Telegram vom Russen Pawel Durow, der 2006 auch die russische Facebook-Konkurrenz VKontakte aufbaute. Doch weil Durow sich weigerte, dem russischen Staat Zugriff auf seine Onlinedienste zu geben, lebt er mittlerweile in Dubai. Seitdem versteht er sich als unabhängig und entzieht seinen Messengerdienst aller staatlichen Regulierung.

Warum ist das Netzwerk bei Rechten so beliebt?

Telegram hat sich selber den Ruf verliehen, nicht mit staatlichen Stellen zusammenzuarbeiten und jegliche Meinung zu akzeptieren. Durow selbst sagt: „Telegram gibt seinen Nutzern mehr Freiheit als jede andere App.“ Das bedeutet, es werden keine Inhalte gelöscht oder zensiert. Einzige Ausnahme: Islamistische Gruppen werden laut Angaben des Unternehmens seit ein paar Jahren gelöscht. In Ländern wie Iran, Belarus oder Syrien wird Telegram daher vor allem auch von Oppositionellen und Regimekritikern genutzt und gilt oftmals als unverzichtbar für sichere, anonyme Kommunikation.

In Deutschland erleben wir momentan die Kehrseite der Medaille: Morddrohungen, Verschwörungstheorien, Radikalisierung, Anleitungen zum Waffenbau, Verkauf von Drogen und gefälschten Impfpässen. Dabei nutzen Rechte und Querdenker den großen Vorteil von Telegram aus: öffentliche Gruppen und Kanäle, die nicht kontrolliert oder moderiert werden. Diese sind sehr praktisch, wenn man in kurzer Zeit viele Menschen mobilisieren möchte, wie beispielsweise zu Demonstrationen oder Fackelaufmärschen. Telegram-Gruppen können bis zu 200.000 Accounts beitreten, Kanäle können unbegrenzt viele Abonnenten haben.

Es gibt reichlich kostenlosen Speicherplatz, um Videos und Audio-Dateien zu teilen. Es gibt keine Klarnamenpflicht. Für Nut­ze­r:in­nen ist zunächst nur der Spitzname der anderen sichtbar, außer die Person hat die jeweilige Telefonnummer gespeichert. Recherchen des Spiegel im Sommer dieses Jahres haben ergeben, dass bei Telegram offenbar nur rund vierzig Personen arbeiten. Scheinbar kümmern sich Freiwillige ehrenamtlich darum, die Inhalte bei Telegram zu „moderieren“. Zum Vergleich: Facebook oder Youtube beschäftigen dafür mehrere tausend Mitarbeiter:innen.

Was unternimmt die Politik?

Als ein Warnen und Warten könnte man die politischen Maßnahmen der letzten Monate bezüglich Telegram zusammenfassen. Im April verschickte das Bundesamt für Justiz zwei Mahnschreiben an den Firmensitz in Dubai. Denn die Bonner Behörde ist davon überzeugt, dass Telegram auch dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) unterliegt. Dieses verpflichtet Unternehmen dazu, verbotene Inhalte innerhalb kurzer Zeit zu entfernen.

Bisher umfasst das Gesetz keine Messengerdienste, allerdings sah die Behörde bei Telegram schon Ende 2020 eine Ausnahme: Telegram diene eben nicht nur dem Austausch zwischen einzelnen Personen, sondern biete Mediendienstleistungen an. Auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Stuttgart verabschiedeten die Innenminister von Bund und Ländern auch eine Erklärung, in der es heißt, dass das NetzDG dringend ergänzt werden muss, um auch „Messengerdienste wie etwa Telegram“ zu erfassen.

Im April setzte das Bundesamt für Justiz eine zweiwöchige Frist für eine Rückmeldung, drohte zudem mit einem Bußgeld von bis zu 55 Millionen Euro. Bis heute kam von Telegram keine Antwort. Daraufhin versuchte das Bundesamt den Weg über die Behörden in Dubai zu gehen. In einem Schreiben werden die Vereinigten Arabischen Emirate um Rechtshilfe geben: „Nach internationalen Grundsätzen der Höflichkeit und Gegenseitigkeit“, heißt es darin.

Die neue Innenministerin Nancy Faeser gibt der Behörde recht und sieht Telegram in der Pflicht, Inhalte zu löschen und dem Bundeskriminalamt zu melden. Wie Faeser Telegram dazu bringen will, mit dem deutschen Staat zusammenzuarbeiten, bleibt allerdings offen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius wiederum hat konkrete Forderungen: Er möchte, dass Google und Apple Telegram aus ihren App-Stores werfen: „Was in den Telegram-Gruppen und Kanälen passiert, widerspricht in jeder Hinsicht den Compliance-Regeln von Apple und Google, die diese App in ihren Stores anbieten“, sagte der SPD Politiker.

Mit dieser Anmerkung hat er tatsächlich recht. Dieser Schritt würde allerdings nur dafür sorgen, dass neue Nut­ze­r:in­nen die App nicht mehr auf ihrem Smartphone installieren können. Wenn die App bereits installiert ist, kann sie allerdings problemlos weiter genutzt werden. Erst bei erforderlichen Updates könnte es schwierig werden.

Noch mehr Probleme

Aber Telegram duldet nicht nur Hass und Hetze, auch in Sachen Datenschutz nimmt es das Netzwerk nicht so genau. Der Messengerdienst bietet beispielsweise eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht als Grundeinstellung an. Diese muss für jeden einzelnen Kontakt aktiviert werden. Das unverschlüsselte Chatten nennt Telegram „cloud chat“. Was nett klingt, bedeutet, dass private Gespräche auf den Telegram-Severn abgespeichert werden.

Auch verzichtet Telegramm nicht komplett darauf, Metadaten zu sammeln. Laut ihren Datenschutzbestimmungen wird die IP-Adresse erfasst, wodurch Nut­ze­r:in­nen geortet werden können. Konkret heißt das in der App: „Wir erfassen deine IP-Adresse, welches Gerät du nutzt etc.“ Was genau hinter „etc.“ steckt, erklärt Telegram nicht.

Außerdem ist der Servercode nicht öffentlich zugänglich, wodurch Nut­ze­r:in­nen nicht wissen können, was genau auf den Servern des Dienstes passiert und wozu ihre Daten verwendet werden.

Und was passiert jetzt?

Es bleibt abzuwarten, was nächstes Jahr mit und um Telegram passieren wird. Klar ist: Die Politik hat das Unternehmen berechtigterweise in den Fokus genommen. Leider viel zu spät, denn das Problem existiert nicht erst seit gestern. Der Vorwurf an die ehemalige Bundesregierung, nicht nur zu wenig, sondern auch viel zu spät gehandelt zu haben, ist gerechtfertigt. Denn dass Gewaltfantasien nicht ausschließlich im virtuellen Raum stattfinden, sondern ihren Weg in die Realität finden, hat uns die Vergangenheit gezeigt.

Daher ist es nicht verkehrt, über ein Telegram-Verbot zu diskutieren, das beschlossen werden kann, wenn nichts anderes mehr hilft. Schließlich verweigert Telegram weiterhin jegliche Zusammenarbeit mit den Behörden. Das Netzwerk weigert sich, relevante Inhalte zu löschen oder zu melden, und verstößt so gegen deutsches Recht.

Für alle Nutzer:innen, die sich nun fragen, wie sie mit der Debatte umgehen sollen, sei gesagt: Natürlich muss man sich jetzt nicht sofort von Telegram abmelden. Aber auch jenseits der aktuellen Probleme gibt es weitaus empfehlenswertere Messengerdienste wie Signal, die nicht nur der deutschen Regierung, sondern auch Nut­ze­r:in­nen gegenüber auskunftsfreudiger sind als Telegram.

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35 Kommentare

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  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das Argument, dass Telegram von irgendwelchen Oppositionellen genutzt würde, ist mir eigentlich relativ egal.

    Es geht hier vor allem darum, dass der Staat - wie bei Facebook oder Youtube - Regeln für unzulässige Kommunkation von Dritten durchsetzen lassen kann - damit er selbst die Arbeit damit nicht hat.

    Es gibt da einen Trend, Straftaten möglichst früh in der Planung mit möglichst geringem Aufwand zu verhindern, wobei man sich mit der Abgrenzung zu Gesinnungsstrafrecht recht wenig Mühe gibt.

    Aber das war nicht die Errungenschaft des Grundgesetzes (im Übrigen auch nicht der Weimarer Verfassung), dass der Staat mit möglichst geringen Aufwand eine selbst definierte Sicherheit bereits in der Planungsphase herstellt.

    Und weil das Strafrecht auf dieses Ansinnen erst mal kaum Regelungen hatte und darauf bestand, die Straf_tat_ zu bestrafen, nicht den Vorsatz, werden seitdem Straftatbestände konstruiert und die PAGs verschärft, um die Straftäter vor Begehung der Straftat aus dem Verkehr zu ziehen.

    Der Abstand zu Stasi und Gestapo ist heute schon viel geringer, als die Verantwortlichen eingestehen wollen.

    Vor dem Hintergrund kann ich nicht dagegen sein, dass Bürger zunächst mal ohne Aufsicht kommunizieren können.

    Wenn das Kind dann in den Brunnen gefallen ist, wäre die Zeit, Verantwortung und Beteiligung festzustellen - aber wir erleben eigentlich dauernd, dass ausgerechnet dann Justiz und Exekutive Mut und Ambition verlassen.

    Das stellt den Rechtsstaat auf den Kopf - aber die Verdreher sind nicht bei Telegram... also auch... aber im Großen und Ganzen sind das da wirkungslose Spinner.

    Deswegen halte ich die Telegram-Diskussion für ein Phantom - wie es letztendlich auch das NetzDG ist.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Sie wollen ernsthaft Mordaufrufe und Anstiftungs- und Begünstigungstatsbestände streichen und erst dann Eingreifen "das Kind dann in den Brunnen gefallen ist" also das Opfer derartiger Aufrufe dann tatsächlich tot ist?

  • Immer noch nichts verstanden in Punkto Internetdienste? Kinox.to würde verboten und es gibt keine Platform mehr auf der illegal Filme gestreamt werden? Ein Verbot schafft nur Alternativen.



    Telegram die Schuld an der Kommunikation von einzelnen Nutzern zu geben, ist, wie die Post anzuklagen weil mit ihrer Hilfe Drogen oder Drohbriefe verschickt werden!



    Und das die Taz hier nach Überwachung privater Kommunikation ruft, finde ich skandalös.



    Unsere Strafverfolgung muss sich doch nur in die offenen Gruppen einklinken und Gesetzesverstöße verfolgen. Aber das wäre ja arbeit. Das ganze Netzwerk verbieten ist ja viel einfacher. Augen zu und das Problem ist weg.

    • @George Dorn:

      "Telegram die Schuld an der Kommunikation von einzelnen Nutzern zu geben, ist, wie die Post anzuklagen"



      Eine öffentliche Kommunikation an bis zu 200.000 Rezipient*innen mit dem Briefgeheimnis zu vergleichen ist schon arg schief. Passender wäre hier Werbezeit auf einem TV-Sender und da würde man ja auch erwarten, dass der Sender den Auftraggeber benennt wenn sich herausstellt, dass dieser auf dem Werbeslot Mordaufrufe oder Nazi-Propaganda ausgestrahlt hat.



      "Unsere Strafverfolgung muss sich doch nur in die offenen Gruppen einklinken und Gesetzesverstöße verfolgen. [...] Das ganze Netzwerk verbieten ist ja viel einfacher. "



      An die Urheber*innen dieser Gesetzesverstöße kommt man aber eben nur wenn die Plattform kooperiert und nichts anderes wird eingefordert. All die Überlegungen die zu bezüglich technischer Hürden und Blockaden im Raum stehen tun dies nur deshalb weil Telegram die Unterstützung bei der Strafverfolgung verweigert.

  • Ich bin auch unbedingt dafür, nur solche Kanäle und Medien zu nutzen, die gegenüber der deutschen Regierung auskunftsfreudiger sind.

  • Wenn Sie telegram verbieten, wird das ein Schlag gegen Linke sein.



    In der BRD nutzen doch auch viele grass roots aktivisten diese software, oder auch signal, das erlaubt die Kommunikation zu verschlüsseln.



    Da gibt es einen Ende Gelände-Kanal, eine Partei DiEM25, und viele andere, lokale Gruppen, die nutzen natürlich telegram.



    Dabei kann jede Person selbst verstehen wie sie Botschaften einordnet und ob sie zu einem Termin hingeht oder nicht.



    Auf dem Solidarity4Rojava-Kanal gibt es keine Hetze, und keine irrationale Wahnaggression.



    Warum sollte also telegram daran schuld sein, dass ein Faschist einen jungen Jobber in Idar-Oberstein erschossen hat?



    Sie könnten ja auch umgekehrt vorschlagen, dass die demokratischen Parteien und die Amadeo Antonio-Stiftung die Portale bitchute entert und übernimmt.



    Das wäre die Methode Critical Mass - bekannt als Fahrradaktionsform.

    • @nzuli sana:

      "Warum sollte also telegram daran schuld sein, dass ein Faschist einen jungen Jobber in Idar-Oberstein erschossen hat?"



      Wenn auf Telegram de-facto öffentlich Aufrufe gepostet werden Menschen zu erschießen - jüngst und konkret etwa MP Kretschmer - dann ist Telegram nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch, in der Pflicht das zu entfernen und die Urheberschaft solcher Posts offenzulegen. Jedenfalls dann wenn man sich darauf einigen kann, dass das Erschießen von Menschen nicht mehr unter Meinungsfreiheit fällt.

  • Ich denke bei der Nutzung sozialer Netzwerke geht es nicht nur um Telegramm, sondern um ein Phänomen, was es gerade mal seit etwa 15 Jahren gibt..da müssen wir alle noch ne Menge lernen und teilweise sogar erst noch heraus finden wie man deren Möglichkeiten richtig nutzt.

    Im Moment läuft da so einiges ziemlich schief..sowohl beim privaten Gebrauch, wie bei der öffentlichen Nutzung..

    Es gab mal eine Zeit, in der waren Gerüchte und Vorurteiteile zu recht verpönt. Mit den neuen Medien feiern diese nun ihre Auferstehung als Gerüchte 2.0.

    Bei der privaten Nutzung, sollten wir nach m.E. die Anonymität unbedingt schützen (analog zum Briefgeheimnis).

    Bei der öffentlichen Nutzung, also z.B. bei Gruppen ab einer Größe von vielleicht 50 Teilnehmern, gibt es aber ganz offensichtlich auch ein berechtigtes Interesse der Gesamtöffentlichkeit..

    Daher glaube ich, die Gesellschaft würde gut daran tun, in diesem Fall Transparenz und Rückverfolgbarkeit der NutzerInnen einzufordern.. (so wie es ja z.B. auch in diesem Forum der Fall ist)..

    Ohne eine solche Einsicht (man beachte die Doppeldeutigkeit) haben große soziale Netzwerke nämlich eine Eigendynamik, die sehr sehr schädlich sein kann...

    • @Wunderwelt:

      Gut dargestellt! Das Problem ergibt sich aus der früher nicht existierenden Vermischung privater und geschützter "Post"funktionen mit der stärkeren Auflagen (siehe zB Artikel 18 GG) unterliegenden Funktion als öffentliches Medium.

  • Vielleicht liege ich hier falsch aber aller Telegram-Verteufelung sollte man nicht vergessen, dass es auch von Oppositionellen in Ländern mit repressiven Regimes benutzt werden kann. Breitflächige Nutzung von Verschlüssung erlaubt denen, die sie wirklich brauchen "Deniability".

    Im Übrigen frage ich mich, ob man als "engagierter Bürger" nicht einfach den rechten Gruppen beitreten sollte, um dort etwas zu mäßigen, schließlich kann man sich ja auch mit reinen Online-Accounts ohne Telefonnummer anmelden. Im Grunde leben die doch davon, dass sie alle anderen verscheuchen und innerhalb der Gruppen in der Mehrheit sind.

    Persönlich bezweifle ich, dass die Politik da einen großen Hebel hat, weil mindestens die bisherige Regierung 20 Jahren in der Digitalisierung hinterherhinkt und es eigentlich ein gesellschaftliches Problem ist.

    • @hey87654676:

      Was die tatsächliche Sicherheit von Telegram angeht ist vor Allem viel Marketing im Spiel und die App in der allgemeinen Wahrnehmung mE stark überbewertet. [1] Wenn ich wegen demokratischer Bestrebungen um Freiheit und Leben fürchten müsste würde ich definitiv nicht auf einen Messenger setzen der mit proprietärem Servercode von einem kommerziellen Anbieter betrieben wird und die Inhalte auf dem Endgerät unverschlüsselt ablegt.



      Umgekehrt wäre zu klären inwiefern es die - hoffentlich privaten - Chats demokratischer Aktivist*innen in autoritären Drittstaaten beeinträchtigt wenn der Plattformbetreiber zB Mordaufrufe in öffentlichen Kanälen entfernen und deren Urheberschaft gegenüber den Behörden offenlegen.



      "rechten Gruppen beitreten sollte, um dort etwas zu mäßigen"



      Mit Faschos reden bringt nichts. Wie wollen sie Leuten die nicht nur "Merkel muss weg!" grölen sondern auch schon konkret planen sie und andere dann auch 'wegzumachen' mit Argumenten noch mäßigen? Über Positionen die klar außerhalb des demokratischen Spektrums stehen in einen Diskurs einzusteigen führt zu einer Legitimierung dieser weil man damit signalisiert, dass man bereit ist über sie zu verhandeln.



      [1] www.heise.de/hinte...entar-4965774.html

      • @Ingo Bernable:

        Wenn die Server in zB Island stehen würden, könnte man ja noch drüber nachdenken.

        Tun sie aber nicht.

        Stattdessen stehen sie in einem Land, dessen Regierung mit dem Putin-Regime eng zusammenarbeitet, seit einiger Zeit ein treuer Kunde der russischen Rüstungsindustrie ist, im libyschen Bürgerkrieg mit den russischen Vagner-Söldnern zusammengearbeitet hat, und gegen Onlineplattformen, die einem unüberwachten Meinungsaustausch dienen (uaehewar.net), rigoros vorgeht.

        Mit anderen Worten: dass der ultrakapitalistische Straight-Edge[*]-Unternehmer Durow etwas anderes ist als ein FSB-Agent oder -Zuarbeiter, und Telegram nicht von zumindest russischen und emiratischen Geheimdiensten abgeschöpft und für Desinformationskampagnen verwendet wird, ist eine Annahme, die zu beweisen wäre.

        Zur Verschlüsselung ist nur zu sagen: gegen netzwerkbasierte und Metadaten-Analysen hilft die auch nicht wirklich. Man kann die technische Sicherheit zwar fast beliebig hochsetzen, aber damit verschiebt man lediglich die Sollbruchstelle auf den Faktor Mensch.

        [*] Diese Kombination aus entfesselter Profitgier und ostentativer persönlicher Frugalität ist ein Schlüssel- wenn nicht sogar Alleinstellungsmerkmal der putinistischen Ideologie. Das muss zwar nichts heißen, aber dass Durow dem Putinismus ideologisch nähersteht als, sagen wir mal, Pussy Riot, ist eine Tatsache. Sein angeblicher Rücktritt aufgrund des Putins Versuch, Telegrams Daten über die ukrainische Demokratiebewegung zu erlangen, war ja auch - wie Durow im Nachhinein zugab - ein PR-Stunt.

        Jedenfalls zeigt Durows Jetsetter-Lebensstil im "selbstgewählten Exil" keine Spur von Befürchtungen, vergiftet, beim Joggen erschossen oder in ein karelisches Arbeitslager verschleppt zu werden, aber alle Merkmale eines gut connecteten, leutseligen Mittelsmanns oder Agenten. (Man vergleiche nur mal mit dem Lebensstil von Snowden.)

  • Zitat aus dem Artikel:



    "Mit dieser Anmerkung hat er tatsächlich recht. Dieser Schritt würde allerdings nur dafür sorgen, dass neue Nut­ze­r:in­nen die App nicht mehr auf ihrem Smartphone installieren können."



    Das ist falsch.



    Sie können entspannt Apps wie Telegram auch aus anderen Quellen auf dem Smartphone installieren.

    Die Strafverfolgungsbehörden können sich im übrigen auch einfach die offenen Kanäle auf Telegram ansehen und mit etwas legalen Geschick, wenn sie denn wollten, bei den meisten die Identitäten feststellen. Macht halt Arbeit .

  • Ich hoffe fast schon dass Deutschland versucht Telegram zu blockieren und sich damit blamiert.



    Denn damit ist bereits Russland gescheitert. Nach 2 Jahren mit erheblichen Kollateralschäden haben sie es kleinlaut aufgegeben.

    Vielleicht würden sich unsere Politiker dann mal ernsthaft mit dem Internet auseinander setzen. Die neue Innenministerin und der Justizminister haben sich was Kompetenz in der Richtung angeht nun schon mal disqualifiziert.

    • @CrushedIce:

      Das IP-Hopping mit dem Telegram seinerzeit den russischen Blockadeversuchen in Folge bzw. unter dem Vorwand des Terroranschlags auf die St. Petersburger U-Bahn im April 2017 entging war aber nur deshalb möglich weil es von Google, Amazon, Apple und Microsoft geduldet und teils wohl auch unterstüzt wurde. Wofür sich Pawel Durow dann auch später artig bei diesen Konzernen bedankte. Schon bei diesem Versuch war allerdings absehbar, dass diese Unterstützung der Tech-Konzerne eben in Folge der massiven Kollateralschäden nicht endlos sein würde. Ob sie erneut zu einer solchen Unterstützung bereit wären um Telegram bei der Verweigerung der Hilfe bei der Aufklärung von eindeutig strafbaren Inhalten in einem demokratischen Rechtsstaat behilflich zu sein scheint mir eher fraglich.

  • Es ist ganz einfach:

    Wer sich in einem Land befindet, in der Zensur gibt, wie es bei Demokraten in diktatorischen Staaten der Fall ist, nutzt Telegram.



    Wer sich in einem demokratischen Land befindet, wo Rechtstextreme frei ihre Meinung äußern dürfen, der boykottiert diese App.

    Aufruf an Deutschland: Cancelt Telegram!

    • @Troll Eulenspiegel:

      Man soll also die Möglichkeiten zur sicheren Kommunikation einschränken, weil einige wenige sie mißbrauchen? Das halte ich für einen Fehler. Damit trifft man nämlich im Zweifel alle.



      Und eine Einschränkung auf „für die Richtigen“ liegt immer im Auge des Entscheiders.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Man soll also den Extremisten ein geschlossenes Soziotop überlassen?

    • @Troll Eulenspiegel:

      sehe Ich genauso. Telegram sollte in West-Europa und den USA der Stecker gezogen werden. So wie es die Chinesen und Russen machen. Auch Tor und darknet benötigt man in einer Demokratie wie bei uns in DE nicht.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Die Sätze könnte man doch gleich auf "Internet" ausweiten.

      • @Rudolf Fissner:

        Ich höre die Ironie heraus, implizierend, dass das Internet zensiert werden darf. Canceln ist aber eine Initiative des Individuums, in diesem Fall, weil man es nicht ertragen kann, wenn rechte Deppen dieselbe App für ihre Schandtaten nutzen.

        Zensur ist eine Initiative eines Regierungsapparates oder eines Konzerns, welcher das Individuum unterdrücken soll. Das ist anders zu bewerten.

  • Das einzige, was bei Telegram im Vergleich zu anderen Messengerdiensten wie Signal, WhatsApp und Threema anders ist, ist eben, dass es überhaupt die theoretische Möglichkeit gibt, Gruppenchats zu moderieren. Bei den anderen 3 Diensten gibt es die Möglichkeiten nicht, da diese Ende-zu-Ende verschlüsselt und damit nicht einsehbar sind.

    Dass Telegram so groß wurde, liegt hauptsächlich am Totalversagen der politischen Institutionen, die Formierung des marktschädigenden Monopols Facebook/WhatsApp zu verhindern. Da niemand mit etwas Überblick in der Materie das gutheißen konnte, sind zu diesem Zeitpunkt erstmals Unmengen an Nutzern zu Telegram geströmt, da es damals der funktional mit Abstand beste Messenger war und in vielerlei Hinsicht imer noch ist. Die wichtige Funktion der unabhängigen Desktop-App gibt es z.B. in WhatsApp immer noch nicht. D.h. wenn das Smartphone mal nicht geht, ist man abgeschnitten. Signal kann das aber mittlerweile und wird daher im Fall eines Verbots von Telegram die Alternative der Wahl für bisherige Telegram-Nutzer sein. Das bedeutet, dass es generell keine Möglichkeit der Einflussnahme bzw. Einsichtnahme gibt.

    Vielleicht geht man bei Telegram auch den Schritt, springt für die gesellschaftlich schwierige Pandemie-Zeit über den Schatten und löscht klare Gewaltaufrufe, wenn diese bekanntgemacht werden. Das ist durchaus denkbar. Das eigentlich Problem von Telegram ist - neben den Channels - aber wie schon angedeutet die fehlende E2E-Verschlüsselung, die die App-Hersteller hier überhaupt theoretisch in die Möglichkeit versetzen, solche Kommunikation aktiv zu unterbinden.

    • @Co-Bold:

      "dass es überhaupt die theoretische Möglichkeit gibt, Gruppenchats zu moderieren"



      Gleichzeitig sind aber bei Threema und WhatsApp wohl nur Gruppengrößen bis maximal 256 Teilnehmer*innen möglich, was das Potential diese Gruppen als Massenmedium zur Verbreitung von Hass, Hetze und Mordaufrufen zu missbrauchen doch erheblich einschränkt. Das Problem bei Telegram ist eben nicht die verschlüsselte, private Kommunikation, selbst wenn sich dabei ein paar Faschos darüber austauschen wie geil sie Adolf finden, sondern, dass es Leuten mit fragwürdigen Ideen eine immense Reichweite für ihre Propaganda ermöglicht ohne eine Möglichkeit vorzusehen diese für ihre de-facto öffentlichen Äußerungen verantwortlich und haftbar machen zu können.

      • @Ingo Bernable:

        Ja, da haben Sie wohl recht. Dass die Begrenzung bei WhatsApp schon bei 256 Teilnehmern greift, war mir nicht bewusst, scheint aber so zu sein. Das ist natürlich ein deutlicher Unterschied.

        Erklärt aber auch, warum so gut wie alle größeren technischen Projekte, die einen Instant Messenger-Kanal oder -Gruppe haben, als einzige Plattform Telegram benutzen. Die aktuellen Corona-Regeln der hessischen Regierung erhalte ich z.B. auch über Telegram, alternativ wird noch Threema angeboten. Ich hoffe ehrlicherweise, dass man bei Telegram da ein Einsehen hat und bei Hinweisen auf Gewaltaufrufe entsprechend reagiert und Nutzer sowie bei wiederholtem Vorkommen auch ganze Kanäle mitsamt deren Betreibern sperrt.

        Die Funktionalität von Telegram ist derzeit einfach konkurrenzlos. Das Konglomerat WhatsApp/Facebook auf der anderen Seite ist und bleibt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Kommunikation und insbesondere Facebook hat bereits deutliche Gräben durch unsere Welt gerissen, man siehe nur die gezielte Einflussnahme, die es bei der Trump-Wahl und beim Brexit ermöglicht hat.



        Stichwort: Cambridge Analytica

      • @Ingo Bernable:

        "Gleichzeitig sind aber bei Threema und WhatsApp wohl nur Gruppengrößen bis maximal 256 Teilnehmer*innen möglich, was das Potential diese Gruppen als Massenmedium zur Verbreitung von Hass, Hetze und Mordaufrufen zu missbrauchen doch erheblich einschränkt."



        Genauso eingeschränkt werden damit aber die Möglichkeiten der demokratischen Opposition in Diktaturen wie Belarus, Iran oder Myanmar, oppositionelle Aktionen zu organisieren und zu koordinieren.



        Genau dasselbe gilt natürlich auch für diese Idee, Telegram aus den Appstores



        von Apple & Google zu verbannen. Sollte diese Idee geeignet sein, die Verbreitung von Telegram zu stoppen (Zweifel daran sind ja bereits geäußert worden), dann schadet das nicht nur Nazis in Deutschland, sondern genauso auch Demokraten in Diktaturen wie Belarus, Iran, Myanmar & Co.

        • @yohak yohak:

          Selbst wenn das funktionieren der demokratischen Opposition in diversen Diktaturen von Telegram abhängen sollte - was ich nicht glaube und mE mehr mit dem Marketing von Telegram zu tun hat, da sicherere Alternativen vorhanden wären - wäre diese Opposition in keinster Weise davon eingeschränkt wenn die Platform mit DE bei der Verfolgung klar illegaler Inhalte, wie Mordaufrufen, kooperieren würde.



          Soll man denn wirklich hier dem rechten Mob freien Lauf und Straflosigkeit gewähren weil man - mE fälschlicherweise - meint Ermittlungen gegen diese zunehmend enthemmteren Wüterichs könnten der Opposition in Myanmar Probleme bereiten?

        • @yohak yohak:

          Apps können auch nur für einzelne Länder in den AppStores geblockt sein. Das lässt sich zwar umgehen, aber das lässt sich der AppStore sowieso.

          Die deutlich eingeschränkte Einfachheit der Nutzung wäre ein schwerer Schlag für die Verbreitung und ich vermute, dass das zum Einlenken führt und man in Zukunft Hinweisen auf ungesetzliche Aktivitäten wie Gewaltaufrufen nachgehen würde.

  • 4G
    47288 (Profil gelöscht)

    Bei Google, TikTok, Whatsapp, Instagram, Facebook etc. sind meine Daten bestimmt viel besser aufgehoben lol

    Telegram kann man btw auch per Desktop-App nutzen, ein Rausschmeißen aus den Smartphone-Stores würden die Entwickler über kurz oder lang umschiffen können

    • @47288 (Profil gelöscht):

      genau.

      Verschlüsselung ist bei Telegram nur einen button entfernt, während die "komplett end-to-end verchlüsselte" Variante von Whatsapp verpufft, sobald die App cloud-backups der Chats macht. Was sie immer machen will, und wenn man sie nicht lässt, fragt sie jede Woche neu.

      Natürlich ist Telegram die sicherere Alternative. Wenn Verschlüsselung und Privatsphäre für Gruppen, die wir nicht mögen, nicht funktionieren, dann funktionieren sie nicht. Galt schon immer.

      Ich vertraue Telegram deutlich mehr als Whatsapp, Snapchat, etc. mit meinen Daten, gerade weil kein Konzern ansprechbar ist, der sich im Zweifel zum Gehilfen erpressen lässt. Und genau das ist der Grund, weshalb wir grade Moralpaniken über Telegram kriegen.

      • @biggerontheinside:

        Die Technik ist aber mittlerweile nunmal weiter. Man muss für Privatsphäre mittlerweile niemandem mehr Vertrauen.

        Signal ist mittlerweile die beste App zur generellen Kommunikation und unterstütt mittlerweile auch eine eigenständige Desktopp-App. Damit bleibt als einziger Vorteil von Telegram tatsächlich die Möglichkeit großer Gruppenchats und noch größerer Kanäle.

        Um mit dieser Funktionalität und der gegebenen Möglichkeit grob rechtswidrige Inhalte zu verhindern und damit längerfristig in den Stores von Google und Apple zu bleiben, müssen zumindest auf sachdienliche Hinweise hin, Nutzer und mehrfach betroffene Gruppen/Kanäle gesperrt werden. So ist das Gesetz.

        Ich wäre bereit, dafür 50€ pro Jahr springen zu lassen, wenn das nötig ist, um die notwendigen Leute einzustellen, die das tun, wie ich es auch für Wikipedia tue, aber das ist jedem selbst überlassen.

  • "Einzige Ausnahme: Islamistische Gruppen werden laut Angaben des Unternehmens seit ein paar Jahren gelöscht". Das ist nicht alles. Dringenden Wünschen des Kremls wird ebenfalls ohne Verzögerung nachgekommen - siehe die Blockade der Nawalny-Smart-Voting-App (darüber hat auch die taz berichtet). Daran ändert es auch nichts, dass dort weniger wichtige russische Oppositionelle weiterhin ein (wohl sorgfältig beobachtetes, Telegram verschlüsselt per Default nicht) Forum haben.

    • @TheBox:

      Sie verwechseln da etwas.



      Das was islamistische Gruppen in Telegram verbreiten wird von Telegram wohl recht schnell gelöscht.

      Die Blockierung der Smart-Voting-App erfolgten in den App-Stores von Apple und Google.

      JA , Telegram verschlüsselt nicht sofort End-to-End ist aber ein Leichtes das einzustellen.

      Wer wirklich sichere Kommunikation über Messenger nutzt eh andere Möglichkeiten.

    • @TheBox:

      Öhm...was hat Nawalny App mit Telegram zu tun?

      Ich warte noch auf den Tag wo die Politik feststellt, dass die Rechten und auch andere Kriminelle zu 100% für ihre Straftaten Straßen benutzen. Das geht mal gar nicht, sofort verbieten!

      • @Frank Fischer:

        Die App sendete lokalisierte Wahlempfehlungen über Telegram. Das wurde in Echtzeit geblockt.

        taz.de/Zweiter-Tag...entswahl/!5802328/

        Es geht hier nicht um die App selber, sondern die Blockade von deren Nachrichten.

        • @TheBox:

          Danke für die Erklärung.