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Journalistin El-Hassan und der WDRDem Reflex standhalten

Gastkommentar von Elio Adler

Der Fall Nemi El-Hassan beflügelte Vorurteile im linken wie im rechten Politspektrum. Doch gerade hier gilt es, strikt die Sache zu diskutieren.

Wir können nur vorankommen, wenn wir in der Sache diskutieren: Fernsehjournalistin Nemi El-Hassan Foto: Tilman Schenk/WDR

D a sind sie wieder, die Reflexe. Die Journalistin Nemi El-Hassan sollte Moderatorin des WDR-Wissenschaftsmagazins „Quarks“ werden. Als Recherchen enthüllten, dass sie 2014 an dem antisemitischen Al-Quds-Marsch teilgenommen hatte, setzte der WDR ihre Berufung zunächst aus. El-Hassan dis­tanzierte sich und betonte, inzwischen ein anderer Mensch zu sein.

Recherchen aber zeigten, dass sie noch kürzlich problematische Postings in den sozialen Netzwerken likte und teilte. Politische Akteure unterschiedlicher Anschauungen reagieren auf den Fall reflexartig: Je weiter rechts, desto klarer bewies ihnen der Fall El-Hassan die vermeintliche Nichtintegrierbarkeit von Muslimen. Die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks feiern die Causa als „Systemversagen“.

Hunderte Verteidiger El-Hassans wiederum sahen sich veranlasst, den Diskurs massiv zu verschieben: weg von der Personalpolitik des WDR und der Prüfung von El-Hassan – hin in die Richtung, die Kritik an ihr pauschal als rassistisch zu labeln. Wir verurteilen, dass einerseits rassistische Akteure die Diskussion um Frau El-Hassan missbrauchen. Andererseits ist der Unterstützungsbrief weit mehr als eine antirassistische Solidaritätskampagne.

Elio Adler

ist Vorsitzender des Vereins „WerteInitiative – jüdisch-deutsche Positionen e. V.“, der sich zum Ziel setzt, durch Demokratiestärkung eine jüdische Zukunft in Deutschland zu sichern.

Dort finden sich BDS-Aktivisten, Antizionisten und Türöffner des Politischen Islams, die darauf abzielen, antiisraelische Agitation zu normalisieren. Kritik jüdischer Institutionen, auch vom Zentralrat der Juden, wird als „rechte Kampagne“ diskreditiert. Wir aus der jüdischen Community müssen anerkennen, wenn eine Frau mit palästinensisch-arabischen Wurzeln Narrative in sich trägt, die nicht die unseren sind. Dennoch gibt es Grenzen, die spätestens dort anfangen, wo die Sicherheit Israels infrage gestellt wird.

Zu aufrechtem Handeln, an dem sich El-Hassan messen lassen muss, gehört auch, sich von keinem Lager vereinnahmen zu lassen. Wir können als Gesellschaft nur vorankommen, wenn wir in der Sache diskutieren und nicht reflexartig politische Weltbilder wiederholen.

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24 Kommentare

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  • Überlegen wir, welchen persönlichen Bezug Frau El-Hassan zu Middle East hat.



    Die Vorfahren von Frau El Hassan stammen aus der Region.



    Überlegen wir, welchen persönlichen Bezug deutsche Christen zu Middle East haben. Keinen.



    Die meisten Vorfahren der wenigen Juden, die nach Middle East fliehen konnten sind in den deutschen Konzentrationslagern ermordet worden.



    Deutsche Muslime wachsen in einem christlich geprägten Milieu auf, das Tuvia Tenenbom hier beschreibt: Min 22:20 „because my findings were that germany today, it's sadly to say, has the same mindset as it had a century ago. In the thirties? Yeah.“ www.youtube.com/watch?v=ogoKPg3TYHk



    O.g. Denkweise, kann man bei der H.B. Stiftung finden. www.boell.de/de/de...inenser-13372.html



    Nur zwei Beispiele von unzähligen:



    Auf Seite 33 wird von der „Judaisierung“ von Gebieten gesprochen, um dann den Niedergang anderer Communities, angeblich verursacht durch die jüdische Community, zu polemisieren.



    Auf Seite 30 wird der Holocaust relativiert, Zitat:



    „Für das jeweils kollektive Narrativ und der nationalen Identität des israelisch-jüdischen und des palästinensisch-arabischen Volkes ist die Opferrolle quasi konstitutiv. Unabhängig von der historischen Unvergleichbarkeit stellt die Nakba im palästinensischen Bewusstsein das dar, was für Israelis der Holocaust bedeutet.“ Zitat Ende



    Es wird zunächst versucht Seriosität mit der Bemerkung der Unvergleichbarkeit darzustellen, um sich dann als -deutscher Autor- sicher zu sein, was für ein Bewusstsein Israelis, womöglich Israelis die Auschwitz überlebt haben, über den Holocausts haben, wobei die „Nakba“ im Bewustsein der Palästinenser das bedeute, was für Juden der Holocaust bedeute.



    Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind von der revisionistischen Denkweise etwa der o.g. Schrift der H.B. Stiftung beeinflusst. Im Gegensatz zu den Schreibern o.g. Schrift, traue ich Frau El Hassan ein Umdenken zu.

    • @Günter:

      Und was genau soll das jetzt zum Thema beitragen?

      • @flip flop:

        Sagte mein Lehrer auch immer: "Günter, du hast das Thema verfehlt!"

        • @Günter:

          nun, Sie haben. es sei denn, Sie wollten mit dem Ihrigen sagen, dass die fortdauernde existenz von palästinenserinnen++ die sicherheit israels in frage stellt - wogegen nur noch mehr nakba hülfe.

  • Wichtig ist, wie so oft, der Ablauf:

    Erst BILD, dazu dann das SPIEGEL-Interview mit El-Hassans Distanzierung von ihren Aktionen 2014.

    Dann dazu der Unterstützerbrief.

    Aber ERST DANACH wurden die Likes in Sozialen Medien zu palästinenischen Terroristen aus diesem Sommer (2021!) bekannt.

    Und erst die, weil ganz aktuell, bewogen den WDR zur Rücknahme des Moderationsangebots.

  • ja ich weiß, Vergleiche sind schwierig, aber von Konstantin Schreiber geht wegen seiner rechtslastigen Pamphlete auch keine Gefahr für die Demokratie aus, er sagt ja nur Texte auf. Gleiches sehe ich in diesem Fall, eine antiisraelische Indoktrination des Publikums wäre hier genauso wenig zu erwarten, wie das massenweise Überlaufen von Tagesschausehenden zur AFD.



    einmal davon abgesehen, dass die Diskussion in beiden Fällen nur vom HörenSagen bestimmt wird. Selbst gelesen und recherchiert hat kaum einer der Diskutanten.



    Menschen ihrer Arbeit zu berauben aufgrund von persönlich politischen Meinungen ist sehr schwierig und verschlimmert die Situation wohl eher.. Bei so einer Diskussion und Brandmarkung einer Person muß mindestens mit Originalzitaten und Quellenangaben argumentiert werden, anstatt die Öffentlichkeit mit Aussagen wie "noch vor kurzem hat sie noch...", " auf Instagram likte sie ..." Das sagt gar nichts, ist es doch bereits eine Interpretation der jeweiligen Autoren. Aufgrund von Interpretationen in den Medien ein Urteil bilden zu können, ist schlicht nicht möglich. Ich kenne die Posts nicht, ich kenne die Likes nicht, was ich weiß, weiß ich aus zweiter Hand und so wird es allen hier gehen.



    So lange nicht mit Originalzitaten argumentiert wird, können wir uns diese Phantomdiskussion ersparen...

  • wo+womit genau hätte der WDR mit einer moderatorin El-Hassan die sicherheit Israels in frage gestellt?

    • @christine rölke-sommer:

      Niemand schreibt, dass das der WDR tat. Die komplette Haltung der Dame ist grenzwertig, die Entscheidung des WDR richtig. Noch besser wäre gewesen, sie auch nicht hinter der Kamera arbeiten zu lassen. Warum auch, es gibt genug saubere gute Journalisten, die diesen Beruf ausüben könnten.

      • @AlexMasterP:

        dann hätte also El-Hassan ganz alleine die sicherheit Israels gefährdet? wow!

        • @christine rölke-sommer:

          Etwas in Frage stellen und gefärden hat für Sie also deckungsgleiche Bedeutung. Vielleicht mal an paar Beispielen durchdeklineren dann kommens drauf, oder auch nicht, passt ja hier schon nicht.

        • @christine rölke-sommer:

          Ich bitte Sie, selbst ein hypothetischer Neonazi-Moderator im WDR würde die Sicherheit von Israel praktisch nicht gefährden. Weg müsste der natürlich trotzdem.

          Aber Deutschland hat nun mal eine historische Verantwortung und eine quasi-staatliche Rundfunkanstalt kann selbstverständlich keine Personen in herausgehobener Position beschäftigen die das Existenzrecht Israels öffentlich in Frage gestellt haben!

          • @hderk:

            sicherheit+existenzrecht sind also ein+dasselbe?

        • @christine rölke-sommer:

          Genau dies hat sie getan und dafür muss sie auch nicht persönlich eine Waffe in die Hand nehmen. Dafür reicht es, wenn sie sich auf Demonstrationen solidarisch mit den Personen zeigt, die die Sicherheit von Israel ablehnen.

          • @Puky:

            wenn sich daran bemessen soll, zu welchen demos wir in sachen Israel-in-Palästina noch gehen dürfen, dann... wären dies nur noch pro-zionistische demos fundamentalistischer christen. - bevor ich dahin gehe, muß mann mich totschlagen.

            • @christine rölke-sommer:

              Mit dem Totschlagen halten es wohl eher die Sympathisanten der gescheiterten WDR Moderatorin

            • @christine rölke-sommer:

              Zu welcher Demo in Sachen Israel in Palästina dürfen Sie denn nicht gehen?

              Sicher zu verbotenen nicht.

              Der antisemitische Al-Quds-Marsch war ja nicht jedes Jahr verboten. Einmal wurde er von den Veranstaltern abgesagt, weil die Organisation ihrer Hisbollah-Freunde verboten wurde, zweimal wurde der Marsch wegen Corona verboten.

              Das war nicht die einzige Demo, der es so ging.

              Ansonsten können Sie fröhlich mit Nazis und Islamisten wofür auch immer demonstrieren.

              • @Jim Hawkins:

                ichsachmaso: zu welcher demo ich gehe, entscheide ich immer noch selbst. wenn Sie das herrn Adler für sich entscheiden lassen,dann müssen Sie das mit sich selbst ausmachen.



                im übrigen können Sie sich Ihre unterstellungen in die schamhaare schmieren.



                ich halte nur noch fest, dass Sie darüber, wie sinnvoll herrn Adlers kriterium *sicherheit israels nicht in frage stellen* ist, entweder nicht sachlich diskutieren wollen oder nicht können.

            • @christine rölke-sommer:

              Und inwiefern sind da fundamentalistische Muslime besser?

              Natürlich sollte in den ÖR niemand die Position vertreten Israel das Existenzrecht abzusprechen. Erschreckend, dass du das anders siehst...

            • @christine rölke-sommer:

              Sollte Al-Kuds in Deutschland verboten werden, werden neue ebenfalls definitiv nicht antisemitische Demos organisiert, an denen Sie, El-Hassan und andere Gleichgesinnten stattdessen werden teilnehmen dürfen.

            • @christine rölke-sommer:

              Nur auf "prozinistischen demos fundamentalistischer christen" sind also keine Personen, welche die Sicherheit Israels ablehnen. Das ist mal ein Filter^^

              • @BluesBrothers:

                der witz an den christlichen fundis ist, dass für die die existenz israels die voraussetzung für die mit der christwerdung der juden verbundene wiederkunft christi ist. so gesehen wäre die sicherheit israels vorbedingung für dessen verschwinden... is sich halt alles nich so einfach mit die religionen, wa.

  • Denkt der WDR bei seinen Personalentscheidungen an die vielen Menschen, die ihren letzten Atemzug in den KZs unseres Landes erleiden mussten? Mir ist unbegreiflich, wie ein ÖRR Frau El-Hassan auch nur in Erwägung gezogen hat, eine medial präsente Rolle auszufüllen. Wie geschichtsvergessen sind wir eigentlich?

  • Wenn man einmal vergegenwärtigt, dass Islamophobie in diesem Land eine ebenso konstante ideologische Größe dessen ist, was gemeinhin als gesellschaftliche „Mitte“ bezeichnet wird, nämlich Antisemitismus und Antikommunismus (ohne nennenswerte Existenz von Kommunisten), könnte man von linker Seite aus reflektierter und analytischer an die Sache herangehen … und man muss sich nicht in einen Diskurs hineinbegeben, wie jetzt im Fall El-Hassan, der letzten Endes nur Wasser auf die Mühlen rechter Demokratieverächter und Gegner diverser Gesellschaften lenkt.



    Wir reden hier ständig über linken und islamischen Antisemitismus - nicht, dass es diese nicht gäbe - , merken aber nicht, dass auf der anderen Seite des politischen Spektrums längst Fakten geschaffen werden … Fakten, in denen es dann keine Zukunft für Muslime, Juden sowie politisch und subkulturell Andersdenkende in diesem Land mehr gibt.

    • @Abdurchdiemitte:

      Das reflektiertere und analytischere Herangehen an die Sache von der linken Seite besteht darin, den Kritikern von El-Hassan Islamophobie, antipalästinensischen Rassismus zu unterstellen, und sonstigen Ablenkungen und Verharmlosungen.



      Wenn Sie ein Problem mit dem "Wasser auf den Mühlen rechter Demokratieverächter und Gegner diverser Gesellschaften" haben, sollten Sie sich über WDR und andere ÖR beschweren, welche eine Antisemitin einstell(t)en. Ist aber nicht der Fall. Und da wären wir wieder bei Verharmlosungen, Ablenkungen usw.