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Blick der EU auf BundestagswahlWorst Case Finanzminister Lindner

Rechtsstaatsklausel, Klimakrise, Afghanistan – die EU hat nach Merkels Abgang viele Herausforderungen. Wie blickt Brüssel auf die deutsche Wahl?

Am 1. januar 2022 übernimmt Frankreich den EU-Vorsitz Foto: Daniel Pier/NurPhoto/imago-images

Brüssel taz | In der Europäischen Union reden alle über Deutschland – doch in Deutschland spricht keiner über die EU. So hat der Satiriker und Europaabgeordnete Martin Sonneborn die Lage vor der Bundestagswahl zusammengefasst. Diesmal ist es kein Witz.

Während Brüssel nur widerwillig von Kanzlerin Angela Merkel Abschied nimmt – viele EU-Politiker sehen sie immer noch als ungekrönte Königin von Europa –, kümmert man sich in Berlin kaum um ihr europapolitisches Erbe.

Dabei hat Merkel gleich mehrere Großbaustellen hinterlassen. Der Corona-Aufbaufonds wurde mit 750 Milliarden Euro neuer EU-Schulden finanziert, die zurückgezahlt werden müssen. Doch wann und wie, ist umstritten. Der Stabilitätspakt für den Euro wurde ausgesetzt, sein Schicksal ist ungewiss. Merkel brachte auch eine Rechtsstaatsklausel auf den Weg, die das EU-Budget schützen soll. Doch ob sie in Polen oder Ungarn wirkt, muss sich erst noch zeigen. Im Herbst droht ein Eklat.

Und dann wären da noch die Klimakrise, Afghanistan, der Streit mit den USA über China und die U-Boote – jede Menge lose Enden und unerledigte Geschäfte, bei denen es auf Deutschland ankommt. Doch die Kanzlerkandidaten schweigen.

Man kennt sich, man schätzt sich

Je nach Temperament wird dies von den EU-Politikern und Institutionen ganz unterschiedlich aufgenommen. Kein Problem, wir haben alles im Griff, heißt es im Ministerrat, der Vertretung der 27 Mitgliedstaaten.

Schließlich haben Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine ordentliche Übergabe vereinbart. Am 1. Januar 2022 übernimmt Frankreich den EU-Vorsitz – die Agenda haben Merkel und Macron schon festgezurrt.

Wir können mit jedem Wahlsieger, heißt es in der EU-Kommission. Behördenchefin Ursula von der Leyen verweist darauf, dass sie mit CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet das Parteibuch teile – und mit SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz schon gemeinsam in einer Regierung gesessen habe.

Man kennt sich, man schätzt sich, und beide sind „überzeugte Europäer“ – genau wie die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock. Anders als Laschet, der von 1999 bis 2005 Europaabgeordneter war, kennt Baerbock Brüssel zwar nur von einer Assistentenstelle im Europaparlament, die kaum Spuren hinterlassen hat. Doch auch sie bekennt sich zur EU.

Angst vor einem Jamaika-Bündnis

Und was ist mit der Linkspartei, die mit Scholz an die Macht kommen könnte? In Brüssel ist sie kein großes Thema. Eine rot-grün-rote Koalition wird in der Schaltzentrale der EU für wenig wahrscheinlich gehalten.

Mehr Sorgen macht man sich schon um die FDP – und einen möglichen Finanzminister Christian Lindner. Er könnte die EU-Finanzierung über Schulden infrage stellen und mit eiserner Budgetdisziplin für Turbulenzen sorgen. Vor allem für Südeuropa wäre das ein Problem. In Griechenland, Italien und Frankreich haben die Schulden schwindelerregende Höchststände erreicht, selbst Deutschland hält den Stabilitätspakt nicht mehr ein. Ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen wäre für viele das Worst-Case-Szenario.

Im Europaparlament tobt schon der Streit über den künftigen deutschen Kurs. Nicola Beer von der FDP wehrt sich: „Gerade auf europäischer Ebene zeigen wir, dass eine Koalition zwischen der Partei Macrons und den Freien Demokraten möglich ist“, sagt die Vizepräsidentin der Straßburger Kammer. Auf die Liberalen sei Verlass.

Auch Udo Bullmann von der SPD wiegelt ab. „Das größte Thema für die Europäer ist, wer diese Wahl gewinnt. Ob die FDP dabei mitmacht, ob die Linke beteiligt sein wird, ist von vergleichsweise geringerem Interesse.“ Der Co-Fraktionschef der Linken, Martin Schirdewan, verspürt sogar Rückenwind: „Vor allem in Südeuropa gibt es große Hoffnung auf eine andere deutsche Europapolitik.“

Auch die Grünen im Europaparlament setzen auf einen Neustart. „Mit dem bevorstehenden Wechsel an der Spitze der deutschen Bundesregierung muss endlich ein neuer Impuls – eine neue Vision für Europa einhergehen“, sagt der Finanzexperte Sven Giegold. 17 Jahre nach der Osterweiterung dürfe man in der EU nicht mehr nur den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen – wie so oft unter Merkel.

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11 Kommentare

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  • Ist das wirklich so, das dieEU nun auf Lindner blickt?

  • "schwindelerregende Höchststände", ernsthaft? Liegen alle noch unter Japan und die Zinsen sind auch niedrig. Starren wir immer noch auf die aus der Luft gegriffenen Maastrichkriterien?

    • @BigRed:

      Japan ist das schlechtmöglichste Vorbild. Das Land ist komplett erstarrt, die enorme Verschuldung hemmt alle Innovation und Veränderung, also genau das, was Deutschland und die EU bräuchten.

  • Natürlich sind alternativen besser, nur findet sich keine.



    Tatsache ist doch sämtlichen Ministern sitzen dich Berater zur Seite und egal ob links oder rechts, die werden schon den für sie richtigen Rat geben.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenztein

    “ Li La Le -



    Lindner, Laschet, Leder (andrerleuts)



    Wie geht der Spruch aus Volkers Mund? "Aus andrer Leut's Leder ist gut Riemen schneiden..."







    Noch'n Link: de.wikipedia.org/wiki/KfW "Die Rechtsaufsicht hat das Bundesministerium der Finanzen."



    Das muss frauman sich mal vorstellen...







    and btw: taz.de/FDP-Chef-wi...rin-raus/!5702614/ ("Mann, Mann, Mann")“

    kurz - Ja. Frauman darf gespannt sein.



    Was fällt jetzo Au 🥅 Superhyperpiper PU ein?



    Keine eine eine Frage - Lüttche Lage 🤯



    Peterles 🌑fahrt - distanziert sich - zart!



    Erst ging ihm Schwatz-Immergriins ganz lose - in die Hüse - Hüse? - Hose!



    Und er jetzt ooch Abschied nehme muß!



    Von sei sojet ganz besonders taube Nuß!

    kurz - Selbst 🍇Nuß con 🍫 - Gell.



    Wärn zu schade & Moje - wermer sehn!



    A 📺 redet Lindie sich dat allet 🤩 🧹😳

  • Klar - keine eine eine Frage “der alte Blödmann“!



    Superhyperpiper Peter Unfried sei Perle!



    Kerle Kerle!



    & Däh



    KDVer & führt - höher noch als Özdemir - den Dienstgrad Major der Reserve.



    “ Von 1997 bis 1999 und 2002 bis 2004 war Lindner als freiberuflicher Unternehmensberater[18] und im Stromhandel tätig.[19][20] Diese Tätigkeit ließ er im Zuge seiner Wahl zum nordrhein-westfälischen FDP-Generalsekretär auslaufen.

    Im Mai 2000 gründete Lindner zusammen mit drei weiteren Partnern die Internetfirma Moomax GmbH. An dieser Firma beteiligte sich der Risikokapitalfonds Enjoyventure. Lindner war von 2000 bis 2001 Geschäftsführer und verließ dann das Unternehmen. Im Zuge des Niedergangs des neuen Marktes meldete Moomax später Insolvenz an!“ - Ach was! © Loriot -

    kurz - „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren!“



    Wermelskirchner Jung - Wo de recht häst - häste recht! - 😳 -



    & Däh! mea culpa maxima culpa - kann er ooch - wa!



    “ Er hatte die Aufstellung Thomas Kemmerichs als Kandidat für das Amt des Thüringer Ministerpräsidenten unterstützt und nach dessen Wahl, die nur mit den Stimmen der AfD möglich gewesen war, zunächst geäußert, die FDP könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wer sie wähle.“



    => Braune Sprotzflecken - 👹 -



    & näher dazu - einst Tucho -



    “ Was wäre, wenn ...



    Schlagzeile der ›B. Z.‹. Kommt die Prügelstrafe? – …“ - 🧐 -



    www.textlog.de/tuc...pruegelstrafe.html



    “… 8. März 1956. » ... auf die arbeitsreiche Zeit von 25 Jahren zurückblicken. Wenn das Reichserzüchtigungsamt bis heute nur Erfolge gehabt hat, so dankt es das in erster Linie seinem treuen Stab der im Dienst erhauten Beamten, der vollen Unterstützung aller Reichsbehörden sowie dem Reichsverband der Reichserzüchtigungsbeamten. Die bewährte Strafe ist heute nicht mehr wegzudenken. Sie ist eine politische Realität;…



    Das deutsche Volk und seine Prügelstrafe – sie sind untrennbar und ohne einander nicht zu denken!



    Das walte Gott!« (dort näher zu den Liberalen 🤬

  • Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum alle so kategorisch RGR ausschließen. Für Rot-Grün wäre es die beste Option. Mit 5-8% hat Die Linke wenig Gewicht in der Koalition, und programmatisch im Bereich Wirtschaft und Umwelt ist man sich eigentlich auch ganz nah.



    Wenn es um Außenpolitik geht, wäre der einzige problematische Posten die NATO, was aber über Verträge geregelt ist. Die "regierungsfähigen" Parteien sollten sich mal nicht täuschen und denken, dass für Auslandseinsätze d. Bundeswehr in d. Bevölkerung Mehrheiten existieren.

    Da dann lieber den Träumer Lindner zu nehmen...macht für mich SPD und Grüne eigentlich nur unglaubhafter.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Worst Case Finanzminister Lindner"

    In der Tat, der Mann hat eine absurde Theorie und würde Deutschland einen riesigen Schaden zufügen.



    Außerdem steht er ja seit Jahren felsenfest auf der Seite der Unternehmer.

  • Lindner ist so ziemlich für alles eine Katastrophe. Keine Ahnung von nix, aber eine grosse Klappe. Alle 11 Minuten.

    Und Beer... Beer? Ist das nicht diese Klimawandelleugnerin?

    FDP. Ist eine Werbeagentur. Besser ohne.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Fürwahr, das wäre falsch regieren …. Eine Partei die nach einer satten Abwahl wieder in den Bundestag kommt, sich auf eigene Haltung beruft und deshalb keinen Kompromiss für Regierung eingehen will, die sollte doch bitte auch vier Jahre später an sein Haltungsethos erinnert werden. Kein falsch regieren