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Plakatkampagnen vor der WahlNichtssagend und austauschbar

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Die Parteien wollen mit inhaltsleeren Wohlfühlplakaten punkten. Dabei gäbe es einen simplen Weg, die Wahlkampf-Slogans gehaltvoller zu machen.

Klaus Lederer (Die Linke) mit leicht pathetischem Berlin-Dreiklang Foto: Stefan Boness/Ipon

E s gibt sie, die unentschiedenen Wähler, die noch immer nicht wissen, wem sie bei der anstehenden Bundestagswahl ihre Stimme geben wollen. Und das, obwohl ja eigentlich von allen im Parlament vertretenen Parteien seit Jahren oder Jahrzehnten bekannt ist, wofür sie politisch stehen. Aber vor allem die Generation derer, die zur Meinungsbildung nicht auf Twitter, Tiktok oder blauhaarige Youtuber zurückgreifen, können noch immer Wahlplakate ausschlaggebend sein.

Umso peinlicher ist die Inhaltsleere vieler Poster, die derzeit im ganzen Land Laternenpfähle und Verkehrsinseln zieren. Was genau will uns ein mild lächelnder Armin Laschet (CDU) mitteilen, wenn er „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ wirbt? Was stellt sich Olaf Scholz (SPD) unter „Respekt für dich“ vor? Wohl gemerkt ist Scholz Kanzlerkandidat der Partei, die mit der Einführung von Hartz IV die Entwürdigung von Millionen Armen und Arbeitslosen in einer „Grundsicherung“ forciert hat, die auf einem zynischen Gängelungs- und Überwachungssystem aufbaut.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es durchaus auch Wahlplakate mit konkreten Inhalten gibt. Die SPD wirbt etwa auch großflächig mit ihrer Forderung nach einer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro pro Stunde.

Dennoch lässt sich bei allen großen Parteien ein gewisser Hang zu großen, aber unbestimmten Worten wie „Zukunft“, „Kompetenz“ und „Respekt“ erkennen. Worte, die gut klingen, aber wenig bedeuten, wenn man sie nicht mit Inhalten auskleidet. Doch eben diese Unbestimmtheit dürfte der Grund für die nebulösen Formulierungen sein. Man überlässt den Wählern einfach die Interpretation – auch wenn die womöglich gar nicht zum Parteiprogramm passt. Ein „modernes Deutschland“ heißt für manche vielleicht Breitband-Internet und autonome Flugtaxis, für andere dagegen gesellschaftliche Vielfalt, gegenderte Sprache und Lastenräder.

Zumindest eine Partei ist originell

Apropos: Die Grünen haben mit ihrer Plakatkampagne besonders tief in die Phrasenkiste gegriffen. „Zukunft passiert nicht, wir machen sie“, heißt es da beispielsweise. Diese Vorstellung entspricht allerdings nicht den physikalischen Grundlagen des uns bekannten Universums. Die Zukunft passiert unabhängig von den Gestaltungswünschen der Grünen.

Das politische Bildungserlebnis der Plakatkampagnen könnte übrigens mit einer ganz simplen Faustregel verbessert werden. Die Parteien müssten sich nur vor der Publikation eines jeden schnöden Slogans fragen, ob ihn so auch eine andere Partei verwenden könnte. Bei vielen Sprüchen ist das der Fall. Beispiel Grüne: Auf ihren Plakaten heißt es: „Unser Land kann viel, wenn man es lässt“. Ein Spruch, den mit entsprechenden Untertiteln jede Partei verwenden könnte.

Für die FDP: „Deshalb Leistungsträger entlasten, Steuern runter, Bürokratie abbauen“. Die AfD könnte titeln: „Deshalb raus aus der EU, Masseneinwanderung stoppen“. Die SPD könnte schreiben: „Und Olaf packt das an“. Die Phrasendrescher können viel, wenn man sie nur lässt.

Zumindest bleiben die Nonsens-Sprüche nicht unpersi­fliert. Die politischen Satiriker der PARTEI machen sich seit Jahren über die Kampagnen der Konkurrenz lustig. Statt ernsthafter Botschaften punkten sie mit Gaga-Sprüchen („Die Erde ist eine Scheide“) oder trollen die einfallslosen Poster der Konkurrenz mit humorvollen Gegenplakaten. Unter ein AfD-Schild mit der Botschaft „Arbeit, Wohlstand, Freiheit, Sicherheit“ schrieb sie in Essen: „Geld, Freibier, Sex, Weltfrieden“. Doch die Satiriker um den EU-Abgeordneten Martin Sonneborn stellen auch eine Forderung auf, die angesichts der stumpfsinnigen Posterkampagnen bei frustrierten Wählern Anschluss finden könnten. „Wahlplakate verbieten!“

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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14 Kommentare

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  • Die Partei hat in meiner Stadt Plakate mit Laschet als Minion ausgehängt. Das sind die mit Abstand besten Wahlplakate

  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    "FDP Sachsen - Ihr Auto würde uns wählen!" - lautete eine Losung bei einer der letzten Wahlen. Aber geholfen hatte der Spruch nicht.

  • "Ich liebe Politiker auf Wahlplakaten. Sie sind tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Loriot

    • @JLloyd:

      Das mit dem „leicht zu entfernen“ kann ich bestätigen. Aus diesem Grund ist das Viertel, in dem ich wohne, seit etlichen Wahlen immer wieder AfD-Plakat frei.

      • @Marten de Trieste:

        In meiner Stadt hängen alle AfD Plakate so weit oben, dass man ohne Leiter net rankommt. Das niedrigste Plakat von denen hängt auf einer Höhe von ich schätze 2,30-2,50

  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    ... und wenn die FDP von "Leistungsträgern der Gesellschaft" spricht, dann meinen sie nicht die wirklich arbeitenden Menschen, sondern die, die den Profit abschöpfen.

  • Die Bilder in der subtilen Provokation von Assoziationen sind die banale Botschaft: Niemand wollte wirklich wissen, warum Armin Laschet unpassend gelacht hatte, das laufende Bild selbst war der Darstellungs-GAU mit einer Steilvorlage zur Skandalisierung. Typisches Eigentor. Vielleicht gibt es ein Crescendo und die Botschaften mit Gag sind noch im Depot, damit sich nichts abnutzt vor dem Schlussakkord im Tutti. Oder es ist einfach im Zeitgeist Vintage, weil schon mit "Sie kennen mich" alles gesagt war. Mal Hand auf's Herz, Plakate sind doch immer noch weniger dröge als die gedruckten Botschaften der Programme, die bei jeder Koalitionsverhandlung nur eine grobe Orientierung geben können. Waren die großformatigen Drucksachen mit den überdimensionierten Köpfen denn nachhaltig konzipiert, von der Herstellung bis zum potenziellen Upcycling? MarktforscherInnen werden schon berechnet haben, wo und wann man werbetechnisch optimal punkten kann und muss. Vermutlich mit !laufenden Bildern und/oder in Triells! extrem, weil sie unsere Aufmerksamkeit besser "lenken". Die Plakate sind dann nur Gedächtnisstützen, wie Boost beim Impfen. Mit einem überzeugenden inhaltlichen Upgrading in Sachen ansprechende Plakate rechne ich allenfalls, wenn sich ein Drama ereignen sollte, Stromausfall o.ä.🤦‍♂️🙋🏻‍♂️

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Von Mir aus gibt es keine Plakate mehr. Die spd Flyer sind in unserem Mietshaus genauso schnell in der papiertonne verschwunden wie die Umsonstwochenzeitung. Der parlamentsvormittag heute war insofern gut, da man die Positionen der Parteien nochmal hören konnte. Desweiteren fände ich es passend, wenn Fraktionen Anträge stellen könnten welche nicht zünde gebrachten Gesetze in das nächste Parlament mit eingebracht werden sollten. Auch das könnte ein Streitthema für die Wahlkampfphase sein. Diese beteuerungstouren und später Plakate verschwinden lassen sind nicht substantiell für Wahlkämpfer.

  • Einer der besten mir bekannten Plakatsprüche hatte die Piratenpartei zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011: "Traue keinem Wahlplakat, informiere dich selber!"

  • Das beste Wahlplakat ever war auch von DER PARTEI mit dem Slogan "Inhalte überwinden!"

  • Es gibt sie, die unentschiedenen Wähler, die noch immer nicht wissen, wem sie bei der anstehenden Bundestagswahl ihre Stimme geben wollen.

    Gibt es auch andere?

    • @Strolch:

      Ja. Es gibt die Wähler, die ihre Wahlentscheidung schon seit Jahrzehnten gefällt haben und damit auch immer sehr gut gefahren sind. Und die ihre Stimme schon längst per Briefwahl abgegeben haben. Mich zum Beispiel.

    • @Strolch:

      Mein Brief ist schon letzte Woche raus, also würde ich wohl zu den entschiedenen Wählern, die schon wissen was sie gewählt haben, zählen? ;-)

  • Ob Wahlplakate, Fernsehauftritte der Kandidaten oder Wahl-O-Mat, es soll diejenigen Wähler mobilisieren, die sich um Inhalte und bisherige Erfahrungen nur wenig scheren und dafür umso mehr danach entscheiden, welche Sprechblasen ihnen am besten gefallen.