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Debatte übers GendernIn der Sackgasse

Waltraud Schwab
Kommentar von Waltraud Schwab

Erst die Debatte ums richtige Gendern bringt das Gendern in Verruf. Denn der Diskurs driftet ins Dogmatische ab und fördert so Verbote.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) will keinen „ideologisch aufgeladenen Kulturkampf“ in der Schule Foto: Annegreth Hilse/reuters

B eim WDR soll auf das Gendern „verzichtet“ werden. Sprechpausen sollen nicht mehr andeuten, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt: Es soll nicht mehr „Musiker- (Pause)-innen“ gesagt werden oder „Komponist-(Pause)-innen, Erzieher-(…)-innen, Politiker-(…)-innen.“ Für den Bayrischen Rundfunk gilt das ebenso.

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Auch an Schulen gibt es neuerdings solche Verbote. In Sachsen und Schleswig-Holstein soll nicht mehr durch Unterstrich, Doppelpunkt oder Sternchen deutlich gemacht werden, dass es zwischen Männern und Frauen fließende Geschlech­ter­iden­titäten gibt. In der Schule gehe es darum, das richtige Erlernen der deutschen Sprache zu ermöglichen, sagt Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien von der CDU, „und nicht darum, einen ideologisch aufgeladenen Kulturkampf in die Klassen zu tragen.“ Ein „Kulturkampf“? – Echt jetzt? Prien gehört übrigens zum Kompetenzteam von Armin Laschet.

Die Verbote sind Reaktionen auf die Debatte ums Gendern, die sich verlaufen hat, und bisweilen darin gipfelte, dass gestritten wurde, wie Gendern am inkludierendsten geht. Mit Doppelpunkt, Unterstrich, dem Sternchen. Zwischenzeitlich wurde zudem das Suffix -x als geschlechtsloses Anhängsel propagiert: Profx, Tänzx, Krankenpflegx. Das Ypsilon wird in Österreich gehandelt: Lesys sind da: Leser und Leserinnen.

Das bisherige groß geschriebene Binnen-I wie etwa in „HeiratsschwindlerInnen“ geht, so die dogmatische Sicht, nicht mehr. Da es für Zweigeschlechtlichkeit stehe. Die ist überholt.

Falsche Kausalität

Die Debatten ums richtige Gendern haben aus dem Blick verloren, dass nicht die richtige Form wichtig ist, sondern dass es die Inhalte sind: Geschlechtergerechtigkeit und Identitätspolitik. Sie spielen all jenen in die Hände, denen das nichts wert ist.

Die AfD etwa nutzt die Debatte ums Gendern für antiegalitäre Propaganda. In ihrem Wahlprogramm spricht sie von „Gender-Ideologie“ und behauptet: Die Gender-Ideologie „will die klassische Familie als Lebensmodell und Rollenbild abschaffen“. Das ist auf bösartige Weise falsch. Niemand, der sich mit Gen­der­gerechtigkeit befasst, will die klassische Familie über den Haufen werfen. Die behauptete Kausalität ist populistisch. Sie macht Meinungen zu Tatsachen. Hannah Arendt hat vor diesem demagogischen Trick sehr gewarnt.

Kein Zweifel, Sprache, dieses dynamische Ding, mit dem Zusammenhänge erklärt und Gefühle benannt werden, bildet Gesellschaft ab. Wer spricht und worüber gesprochen, aber auch geschwiegen wird, setzt Zeichen. Wer spricht, spricht nicht nur über sich, sondern über ein dem Denken zugrunde liegendes Wertesystem. Wer spricht, entscheidet, wer gemeint ist und wer nicht. Ein Beispiel aus dem Alltag? „Das macht man so.“ Noch eins? „Alle Menschen werden Brüder.“ Noch eins? „Im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes.“

Sprache ist ein Tarnanzug für gesellschaftliche Hierarchien. Und es ist jetzt müßig, das en détail aufzurollen, aber eines ist klar: Den Frauen hat die Sprache jahrhundertelang nicht gehört. So wenig wie ihnen Bildung, Wissenschaft, Kultur, Geld, Kunst gehörten. Sie haben, so die jahrhundertelang zementierte Meinung, nichts geschaffen, die Welt nicht weitergebracht, sind für Reproduktion gut und bestenfalls noch für kleinere Haustiere wie Hühner. Sie halten keine Reden, haben nichts zu sagen, gelten aber als geschwätzig. Und wenn es dafür eines Belegs bedarf, soll hier ein Zitat von Rousseau dienen; es ist aus seinem (von Männern) viel gerühmten Werk „Emil oder über die Erziehung“.

Da schreibt er: Es „können kleine Mädchen so rasch und früh angenehm plaudern und Akzente in ihre Rede setzen, ehe sie deren Sinn ganz verstehen. Deshalb haben die Männer auch ihre Freude daran, ihnen so früh zuzuhören, selbst bevor die Mädchen die Gründe ein­sehen.“ Sprechende Frauen sind zu Papageien erzogene Puppen. Spielpuppen der Männer.

Ich habe das Rousseau-Zitat aus dem Buch „Sprachdiebinnen“ der belgischen Juristin und Literaturwissenschaftlerin Claudine Herrmann. Darin analysiert sie, wie Frauen sich die Sprache der Männer stehlen mussten. Sie erklärt den Satz von Rousseau so: Man habe die Frau „auf die Rolle einer Schauspielerin reduziert, die Sätze wiederholt, von denen sie keinen selbst ausgedacht hat. Sie triumphiert im Augenblick ihrer größten Entfremdung.“

Frauen hatten nichts zu sagen, wohl aber wurde über Jahrhunderte alles über sie gesagt. Weil Form den Inhalt spiegelt, galt noch bis zum Anfang der neuen Frauenbewegung der siebziger Jahre (und in der DDR darüber hinaus) als ausgemacht, dass, wer die männliche Form eines Substantivs benutzt, Frauen mitmeint. Schon das Wort „mitmeinen“ ist eine Zumutung. Wurde etwa von „Lehrern“ geredet, sollten sich die Lehrerinnen mitgemeint denken – umgekehrt wäre es ein Affront gewesen.

Mit Beginn der Frauenbewegung wurde die patriarchale Wertesetzung in der Gesellschaft, aber auch der Sprache radikal hinterfragt. Hartnäckig wurde in Texten die weibliche Form mitbenannt. Das wirkte anfangs bemüht, aber nach Jahrzehnten harten Durchhaltens irritiert es inzwischen sehr, wenn eine Frau etwa sagt: „Ich bin Zuschauer.“

Um nicht stetig sowohl die männliche als auch die weibliche Form zu benutzten, wurde das groß geschriebene Bin­nen-I als Abkürzung eingeführt. Anfangs gab es Tamtam, auch in der taz, aber dann lief es meist geräuschlos. Gegendert wurde, wie es passte. Mit neutralen Bezeichnungen: die Singenden. Mit Aufzählungen: Sängerinnen und Sänger. Abgekürzt: SängerInnen. Und am besten alles durcheinander, damit die Texte durchs Gendern nicht stolpernd daherkommen. Ich bin ein Fan davon.

Gut ist, dass eine offene Gesellschaft sich weiterentwickeln kann und immer auch weitere, bisher nicht thematisierte Unterdrückungsstrukturen enttabuisiert. Wie die lange ignorierte Zwischengeschlechtlichkeit, wie Trans- und Intersexualität, wie das dritte Geschlecht.

Weil die Sprache das nicht abbildet, wurde nach einer neuen Abkürzung gesucht. Das Binnen-I galt dafür als untauglich, verbraucht für Männer und Frauen.

In dem Moment aber, in dem vornehmlich nur noch darüber gestritten wurde, welche Abkürzung die richtige ist, geriet die Debatte in eine Sackgasse. Weil Dogmatismus dräute. Weil der Diskurs sich in der Frage verzettelte, ob „*“ oder „_“ oder „:“ oder „x“ oder „y“ die beste Form fürs Diverse ist? Die Inhalte waren ob des Streits nicht mehr erkennbar. Das hat die jetzigen Verbote leicht gemacht.

Das aber, was die Frauenbewegung erreicht hat, wird mit der Suche nach dem neuen Inklusionszeichen auch über Bord geworfen, indem den Feministinnen Betriebsblindheit unterstellt wird. Ihr Binnen-I zementiere die Unterdrückung aller, die sich nicht mit der Zweigeschlechtlichkeit identifizieren. Wer es jetzt benutzt, zeigt, dass ihr oder ihm die Unterdrückung dritter Geschlechter egal ist. Welcher Feminist, welche Feministin will das schon.

Sprache ist wie Wasser

Aber Entwicklung ist nicht möglich, wenn Diskurse, die vorher wichtig waren, nämlich die Ungleichbehandlung von Frauen, unter den Tisch zu fallen drohen. Zumal ein genauer Blick in die Literatur offenlegen könnte, dass manche Feministinnen vor fünfzig Jahren radikaler mit Sprache umgegangen sind, als es der Gendersternchenstreit heute abbildet.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die französische Autorin und Feministin Monique Wittig etwa schockierte, als sie damals sagte: „Lesben sind keine Frauen.“ Was sie meinte: Da das lesbische Begehren dem der heterosexuellen Männer entspricht, weichen Lesben vom tradierten Frauenkonzept ab. Auf einer Linie zwischen Männern und Frauen sind sie ein Stück näher an die Männer gerückt. Wenn eine lesbische Frau „ich“ sagt, müsste konsequenterweise dieses in den Zwischenraum gerückte Ich auch abgebildet werden. Etwa indem man „i/ch“ schriebe. Um so den Bruch deutlich zu machen. Und wer „du“ zu ihr sagt, müsste eigentlich „d/u“ sagen.

Das sind nur kleine Beispiele aus Wittigs Büchern. Mit ihrem Vorgehen gelingt es ihr, den Blick auf das zu lenken, was in der Debatte um inkludierende Sprache meist fehlt: Dass konsequenterweise die ganze Sprache unter die Lupe genommen werden müsste. Das aber wird Sprache nicht mitmachen. Sie ist wie Wasser. Sie nimmt den leichtesten Weg.

Unfair allerdings: dass Monique Wittig so unbekannt ist.

Eine Kollegin sagte: „Ich will genderfluid gendern.“ Richtig so. Sie will die Sprache als Spiegel der Machtverhältnisse entlarven. Was sie nicht will: dass Gendern zur Grundlage für einen neuen Dogmatismus – und damit neue Hierarchien – wird. Wenn so ein genderfluides Laissez-faire in die Debatte ums Gendern zurückkäme, wenn alle genderten, aber so, wie sie es wollen, nicht so, wie sie denken, es tun zu müssen, könnten Genderverbote als das entlarvt werden, was sie sind: obsolet und unwichtig.

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Waltraud Schwab
taz-Redakteurin
Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art
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48 Kommentare

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  • "Den Frauen hat die Sprache jahrhundertelang nicht gehört."

    Bin immerwieder erstaunt über diese so selbstevident daherkommende, falsche Phrase. Die kann nur von jemandem kommen kann, der glaubt, Sprache sei ein Elitenprodukt und nur die Elite dürfe sie bestimmen. Dabei ist sie genau das nicht. Welche Formen überleben und welche nicht, welche Wörter sich etablieren, welche aussterben, ist durch die Geschichte jeder Sprache hindurch eine so dermaßen graswurzelige Entscheidung der ungewaschenen Massen gewesen, dass es manch einem Salonlinken übel werden dürfte. Frauen hatten ihren großen Anteil daran und waren oftmals die gesprächigeren: Märchen erzählt man sich nicht beim Holzfällen sondern in den Webstuben. Mündliche Überlieferungen, lange Zeit das einzige Mittel des gemeinen Volkes, haben wir Frauen zu verdanken.

    Ausgleichs- und Inklusionsbemühungen von oben haben immer den Bias des elitären: In der Bildung, in der Erwartung und im Anspruchsdenken. So wird das nichts.

  • Zum Gendern reichen beim Plural zwei Buch-staben, die im Deutschen übrigens schon in einer Nische zuhause sind: bei den Doctores und Professores. Das kann man übertragen auf die mit Fremdwörtern benannten Personen. Also z.B. die Studentes, die Autores und die Polizistes. Bei den Personenbezeichnungen auf "r" reicht ein Buchstabe, so wie die kleinen Kinder sprechen: die Maurers, die Bürgers und die Lehrers. Die Lehrer bleiben männlich, die Lehrterinnen weiblich und die Lehrers sind alle zusammen, auch die Diversen. Jeder hat die Freiheit, so zu schreiben. Klingt nur anfangs etwas ungewohnt. Aber so ist alles knapp und klar zu schreiben, zu lesen, zu sprechen und zu hören. Und alle fühlen sich eindeutig ange-sprochen. Kinders, wäre das schön!

    • @Jens Klein:

      Wenn alle Leute sich dazu entscheiden, davon angesprochen zu werden, ist das schon eine gute Sache.



      Wie wäre es, wenn man noch einen Schritt weiter ginge, und das "r" (bzw. "es") auch weglasssen würde?

  • "die Debatte ums Gendern," beschränkt sich leider meist auf abfällige Bemerkungen.

    Ich, Mann, mittelalt, gendere so gut wie gar nicht. Mich stört aber auch nicht, wenn andere das tun. Ich weiß, wie wichtig dies gerade für Menschen ist, die sich nicht als Mann begreifen. Dies wiederum weiß ich nicht aus der Genderdebatte in den Medien, sondern aus Gesprächen im Freundeskreis meiner Kinder.

    Ich habe Enkelinnen und Nichten. Wenn ich mit denen spreche, versuche ich stets weibliche Formen zu verwenden, also nicht Polizist oder Pilot, sondern Polizistin oder Pilotin ("witzig": Pilotin wird mir hier als Rechtschreibfehler angezeigt, Polizistin nicht).

    Obwohl ich soweit von der AfD entfernt stehe wie vom Mond, würde auch ich gerne die klassische Familie als Lebensmodell und Rollenbild abschaffen. Denn solange MutterVaterKind das Ideal darstellen, sind andere Lebensmodelle eben nicht ideal. Ich kenne eine lesbische Ehe, die haben zwei Kinder. Eine ideale Familie, aus meiner Sicht.

    • @Ber.lin.er:

      Aber würden Sie nicht folgerichtig auch jedes Mal, wenn Sie von den lesbischen Müttern sprechen, auch erwähnen, dass sie lesbisch sind? Schließlich ist die sexuelle Identität durchaus auch und oft noch viel eher ein Grund für diskriminierung als das Geschlecht. Oder die Hautfarbe? Müsste man die nicht eigentlich genauso wie das Geschlecht immer dazuerwähnen? Warum soll Sprache nur im Hinblick auf das Geschlecht gerecht sein bzw Gerechtigkeit erzeugen?

      • @Suryo:

        Aber würden Sie nicht folgerichtig auch jedes Mal, wenn Sie von den lesbischen Müttern sprechen, auch erwähnen, dass sie lesbisch sind?



        Ja, Lesben sind oft lesbisch.

        Oder die Hautfarbe?



        Ja, die Oder ist tiefer als die Hautfarbe.

        Müsste man die nicht eigentlich genauso wie das Geschlecht immer dazuerwähnen?



        Nein.

        Warum soll Sprache nur im Hinblick auf das Geschlecht gerecht sein bzw Gerechtigkeit erzeugen?



        Soll sie ja nicht. Sie soll auch im Bezug auf Zahlen gerecht sein. Uno/One machen den Anfang, weitere folgen.

        • @Ber.lin.er:

          Verstehe ich nicht. Gendern soll Gender bzw Geschlecht zum Ausdruck bringen, sichtbar machen, um damit Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu beenden.

          Aber Menschen werden eben nicht nur aufgrund des Geschlechtes benachteiligt. Wenn zB ein Gebäude nur über Stufen erreichbar ist, dann ist der im Rollstuhl sitzende Präsident des deutschen Bundestages der schwarzen Vizepräsidentin des Landtages von Schleswig-Holstein gegenüber benachteiligt. Sollte man daher nicht immer Herrn Schäubles Rollstuhl erwähnen, damit eben Menschen mit Behinderung endlich mitgedacht werden und Barrierefreiheit selbstverständlich wird? Und sollte man nicht neben der Tatsache, dass sie eine Frau ist, auch immer Frau Tourés Hautfarbe erwähnen? Immerhin werden Nichtweiße immer noch sehr viel heftiger diskriminiert als Weiße! Warum soll Sprache nur Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern schaffen?

  • Das Problem ist, dass die geschriebene gegenderte Sprache einfach nicht der gesprochenen entspricht. Noch dazu gibt es im Deutschen ja nicht mal ein neutrales Pronomen wie das mittlerweile im Englischen etablierte "they." Geschlechtergerechtes Deutsch ist immer noch wahnsinnig holprig und anstrengend. Wer sich die Mühe macht, so zu sprechen, der will es eben unbedingt und mit der Anstrengung auch ein Signal senden. Typisch deutsch ist dabei die implizite Mahnung und Erziehungsabsicht: "Du findest es mühselig, so zu sprechen? Dann denk mal daran, wie schlimm es jahrtausendelang für Frauen war!!!"

    Abgesehen davon, Stichwort Englisch: dort findet man GERADE das ständige Gendern im Deutschen absurd. Die ständige Nennung der Tatsache, dass Merkel eben eine BundeskanzlerIN sei, fördert nach angelsächsischer Auffassung gerade die Vertiefung der Geschlechterdichotomie. Deswegen ist zB ein wort wie actress mittlerweile verpönt, Schauspielerinnen sind im Englischen actors. Denn ihre Tätigkeit unterscheidet sich eben nicht von der männlicher Kollegen.

    • @Suryo:

      Es gibt kein neutrales Pronomen?? Und was ist "es" dann?

      • @Madrileno:

        “Es” wird aber meines Wissens von nichtbinären Menschen nicht akzeptiert. Aus gutem Grund, das klingt doch sehr herabwürdigend.

  • Weibliches Potential ist bereits dann in der Mehrheit, wenn nur eine Frau dabei ist.

    Das sieht man deutlich am Chromosomensatz:



    Mann: XY



    Frau: XX



    Das Weibliche ist also selbst dann zur Hälfte vertreten, wenn nur Menschen männlichen Geschlechts anwesend sind.

    • @Bolzkopf:

      Denn jeder hat eine Mutti.

  • Das Buch von Dana Kaplan und Eva Illouz: „Was ist sexuelles Kapital?“ erscheint mir in diesem Zusammenhang ausgesprochen lesenswert. Warum, das kann man in dieser bemerkenswerten Sendung nachhören:



    ondemand-mp3.dradi..._1610_1615a317.mp3

  • "wenn alle genderten, aber so, wie sie es wollen, nicht so, wie sie denken, es tun zu müssen"

    das ist genau der Punkt,

  • Erfreulicher, präziser Artikel, danke.

    Allerdings könnte man schon auch argumentieren, dass wenn Frauen und nicht-binäre Menschen konsequent "ich bin Zuschauer" etc. sagen, dem generischen Maskulininum allmählich die Assoziation mit dem Männlichen genommen würde.

    • @cazzimma:

      Exakt so wird es im Englischen gehandhabt. "Actress" ist politisch unkorrekt, gerade WEIL es das Geschlecht eines Schauspielenden sichtbar macht und damit die Geschlechterdichotomie affirmiert.

      • @Suryo:

        Im Englischen ist es viel leichter (bin Englischlehrerin), da es extrem wenig gegendert ist, schon per se.

        Wörter wie "actress", die progressive Menschen nicht mehr benutzen, sind die absolute Ausnahme.

        Dennoch gibt es auch hier Spuren des Maskulinen als Standard ("history", z.B.).

        Mit der Situation im Englischen ist aber das Deutsche nunmal nicht vergleichbar.

        • @cazzimma:

          Das stimmt sprachwissenschaftl aber nicht. Genaugenommen werden im Deutschen Wörter wie Messer, Gabel, Löffel ja auch nicht gegendert sondern in Deklinationsklassen eingeordnet, die historisch nichts mit Geschlechtern zu tun haben sondern mit Aspekten wie Konkretheit vs. Abstraktion und in hist. Zeit nur bei konkreten Personenbezeichnungen als Marker für Geschlecht herangezogen wurden, weil sie eben da waren. Das ist bis heute so geblieben: In 99% der Fälle gibt das Genus im Deutschen kein Geschlecht sondern eine Deklinationsklasse an. Die Bezeichnung 'Genus' ist darum auch höchst unglücklich. Insofern hat das Englische, wenn man richtig hinsieht, genausoviel Gelegenheiten zu gendern, wie das Deutsche. Es tut es halt nur nicht, weil es keinen Anlass dazu sieht.

    • @cazzimma:

      Auch ein guter Kommentar von Ihnen. Ebenfalls danke.



      Wie wir bestimmte Wörter verwenden, ist ebenso Bestandteil der Sprache wie die Frage, welche Wörter wir verwenden.

  • Warum nicht die gesprochene Sprache in die Schriftsprache übernehmen? Schon heute ließt doch jeder Lehrer*innen und co. als Lehrer(Pause)innen. Woher kennen wir das sonst? Vom Wort „naïv“ beispielsweise. Also warum schreiben wir nicht Lehrerïnnen?



    Keine komischen Zeichen im Text und endlich auch mal so geschrieben, wie man es spricht.

    • @Cochino:

      Das Deutsche baut glottale Pausen über die Zeit hin konsequent ab. Wörter wie 'einander' und 'Hebamme' hatten sie ursprünglich. In den populären Beispielen 'Spiegelei' und 'naiv' passiert das in der Satzprosodie ja auch schon jetzt.

  • Seh ich genauso. Wenn Diskussionen zu ganz anderen Themen nach kürzester Zeit aus dem Ruder laufen und sogar wichtige Plena abgebrochen werden, weil sich die Teilnehmenden darüber in die Haare bekommen, ob und wie nun am Tisch korrekt gegendert wird, dann läuft was gewaltig schief.

    Ja, Sprache entwickelt sich. Aber man kann solche Änderungen nicht mit Brechstange und schon gar nicht mit einer -vorsichtig ausgedrückt- unterschwelligen Überheblichkeit durchsetzen.

    "Noch tun sich zwei Drittel der Deutschen schwer mit dem Gendern. Früher oder später werden sie sich aber doch damit arrangieren müssen." Schreibt Frau Schmollack in der taz. So führt man keine gewinnbringende Debatte, das ist Dogma.

    Und wie soll das Thema jemand verstehen und verinnerlichen, der sich im Alltag nicht damit beschäftigt, wenn sich nicht einmal die Befüworter des Genderns auf einheitlich Regeln festlegen können?

    • @Deep South:

      Leute verstehen Ungerechtigkeit und Diskriminierung.

      Man kann erklären, wie sich das sprachlich niederschlägt. Das heißt nicht, dass das Gendersternchen jetzt die Lösung ist, aber man kann darüber reden, wie Sprache vielseitiger wird.

      Von Cis-Männern kommt immer der meiste Widerstand. Wahrscheinlich sind Sie auch einer. Sie sind immer sprachlich repräsentiert und kennen es nicht anders.

      • @cazzimma:

        Wo ließt du denn heraus, dass ich "massiven Widerstand" gegen das Genderrn leiste? Ich bin da prinzipiell gar nicht dagegen.

        Im Artikel gehts um die Art und Weiße der Debatte, und das diese schädlich für das das Verständnis gegenüber mehr Gleichberechtigung in der Sprache ist.

        Da gehts übrigens schon damit los, den Gegenüber, bei jeder von der eigenen Meinung Abweichenden Ansicht, schon mal vorweg in eine Schublade einzusortieren, damit man sich ja nicht mit Argumenten auseindersetzen muss.

        Das ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal der Genderdebatte, sondern eine zeitgeistgeprägte Unart. Aber sie wird bei diesem Thema ganz besonders deutlich.

        • @Deep South:

          "massiver Widerstand" habe ich nicht geschrieben.



          Meine Erfahrung ist lediglich, dass cis-Männer öfter die Problematik der Repräsentation gar nicht nachvollziehen können, weil sie es nicht kennen, nicht (sprachlich) repräsentiert zu sein.



          Klar kann man über die Art des Genderns streiten, aber es besteht Handlungsbedarf.

      • @cazzimma:

        Ich glaube, wenn man sich über die Akzeptanz des Genderns Gedanken macht, sollte man zwischen mindestens zwei verschiedenen Aspekten unterscheiden:



        Und zwar wie man sprechen möchte (aktiv), und wie man angesprochen werden möchte (passiv).



        Nur weil man selbst nicht gendern möchte, bedeutet das nicht automatisch man möchte genauso viel Kontrolle darüber, wie man im Plural angesprochen wird. Ich hätte zum Beispiel nichts dagegen, wenn andere ein generisches Femininum verwenden würden, wenn der Kontext ganz klar impliziert, dass ich auch als Mann mitgemeint bin.

        Auch erwähnen Sie ja bereits in einem anderen Kommentar, dass dem generischen Maskulinum durch seine allgemeine Verwendung die Assoziation mit dem Männlichen durchaus genommen werden kann. Man könnte also argumentieren, dass Männer, anders als Frauen, sprachlich häufig nicht präzise angesprochen werden.



        Übrigens möchten laut Umfragen auch knapp 60 % der Frauen nicht gendern. Das soll kein Totschlag-Argument sein, sondern nur verdeutlichen, wie der Verweis auf das Geschlecht eines Nicht-Genderers die Debatte nicht allzu sehr voran bringt.

  • Gendern ist Mist!

    • @Nobodys Hero:

      Mich regt das gar nicht auf. Ich finde es nir ganz großen Mist. Aber das soll jeder für sich entscheiden. Mich hatte auch schonmal ne Kollegin drauf angesprochen, warum ich nicht Liebe Kolleginnen und Kollegen schreibe. Ich habe ihr gesagt, das mit Kollegen im generischen Maskulinum alle gemeint sind. Sie ist Russin und wusste das gar nicht. Seither schreibt sie auch nur noch Kollegen 🙂



      Wie gesagt: jeder so wie er mag. Aber mich bringt sicherlich niemand dazu

    • @Nobodys Hero:

      Gut, dass es sie stört. Genau das soll es nämlich. Weil es auch im 21. Jhd. leider immer noch notwendig ist immer und immerwieder in Erinnerung zu rufen, dass eine vollständige Gleichberechtigung in Praxis und Alltag noch längst nicht erreicht ist. Wenn nun reaktionäre Teile der Union nach Verboten rufen macht das nur um so mehr klar wie nötig der permanente Hinweis auf die noch immer nicht erreichte Geschlechtergerechtigkeit bleibt.

      • @Ingo Bernable:

        "Gut, dass es sie stört. Genau das soll es nämlich."



        Diese Art von "Euch zeig ich es!"-Logik ist einer der Gründe, warum die Akzeptanz für das Gendern rückläufig ist. Denn dabei geht es dann nicht mehr um eine Form von Selbstausdruck oder die Vorstellung inklusiver gegenüber bestimmten Gruppen zu sein (was beides locker zu akzeptieren ist, selbst wenn man die dahinter stehenden Ansichten nicht teilt), sondern permanente, scheinheilige Penetranz. Scheinheilig deshalb, weil man mehr Befriedigung aus der Abgrenzung zu den "Unmoralischen" zieht, als ernsthaft zu versuchen etwas damit zu verbessern.



        Denn was soll der Wirkmechanismus sein, den Sie hier annehmen? Dass genervte Leute sich denken "Oh, diese lästige gegenderte Sprache! Dann sorge ich halt mal für Geschlechtergerechtigkeit, damit das endlich vom Tisch ist!"?



        Sie setzen die Werbung für eine Sache mit der Sache selber gleich, und ignorieren dabei aus moralischer Selbstgefälligkeit heraus den Umstand, dass Sie Geschlechtergerechtigkeit damit für eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Leuten eine negative Konnotation geben. Darum geht es auch in diesem Artikel. Anstatt also gegenderte Sprache als Provokation zu betrachten, um andere zum Nachdenken zu bewegen, würde es auch nicht schaden, mal selbst darüber nachzudenken was man damit überhaupt erreichen möchte, wie dies funktionieren soll und was dabei kontraproduktiv ist.

        • @Anachronist87:

          Soziale Rechte und Gleichheit mussten schon immer erkämpft werden. Wäre diese Gesellschaft bereit Geschlechtergerechtigkeit herzustellen gäbe es ja gar keinen Anlass zur Penetranz. Gleichberechtigung ist ein Grund- und Menschenrecht, dafür einzutreten legitim, der Vorwurf von Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit hingegen nur eine rabulistische Finte, die jedweder Begründung entbehrt, aber sich genauso gut gegen jedewede andere Form politischer Auseinandersetzung in Anschlag bringen ließe, gemäß dem Motto 'Demonstrieren gehen führt doch eh zu nichts anderem außer egomaner Selbstvergewisserung.'



          "Denn was soll der Wirkmechanismus sein, den Sie hier annehmen?"



          Dem Problem zu permanenter Sichtbarkeit verhelfen, irgendwann wird ganz allmählich ins kollektive Bewusstsein einsickern, dass sich die Dinge endlich mal ändern müssen.

          • @Ingo Bernable:

            "Dem Problem zu permanenter Sichtbarkeit verhelfen, irgendwann wird ganz allmählich ins kollektive Bewusstsein einsickern, dass sich die Dinge endlich mal ändern müssen."

            Wenn Sie zu Zwecken des Selbstausdruckes, oder um bestimmten Gruppen ihre Sympathie zu bekunden, gendern möchten, ist das ein Unterfangen welches ich jederzeit verteidigen würde, selbst wenn ich mich selber nicht damit identifizieren kann.

            Mein Verständnis verlieren Sie in dem Moment, wenn Sie die Benutzung einer bestimmten Sprache zu einem Kampf hochstilisieren, bei dem die elementarsten Menschenrechte auf dem Spiel stehen und jede Zurückhaltung die Welt dem Bösen überlässt.



            Gleichberechtigung ist ein Grundrecht, für das man einstehen sollte. Sehe ich ganz genauso. Aber die logische Kette von "Benutzung gegenderter Sprache" über "Aufwecken der Gesellschaft" zu "Gleichstellung aller Menschen" sehe ich nicht.



            1. Sie setzen voraus, dass die Menschen, die Sie durch gegenderte Sprache "aufwecken" wollen, in dieser die gleiche Bedeutung sehen wie Sie. Wäre das der Fall, dann müssten sie nicht "aufgeweckt" werden. Sie Nehmen stillschweigend die beabsichtigte Wirkung ihrer Maßnahme schon als Voraussetzung an.



            2. Sie glauben, dass diejenigen Menschen, welche die Problematik der Geschlechtergerechtigkeit trotz aller Debatten noch nicht begriffen haben, diese ausgerechnet durch eine umständliche, sich ständig ändernde sprachliche Kapriole realisieren. Warum?



            3. Sie gehen von einer Korrelation von gegenderter Sprache und Geschlechtergerechtigkeit aus, für die zumindest mir nirgendwo auf der Welt Indizien bekannt sind.



            4. Ihr "Kampf" besteht darin, dass andere Leute das Problem erkennen, und es dadurch lösen.



            Nun kann man argumentieren, dass hehre Ziele auch unwahrscheinliche Versuche rechtfertigen. Aber man betrügt diese Ziele sobald man in ihrem Namen andere Menschen zwecks Belehrung provozieren will. Denn so konnotiert man diese negativ.



            Das ist selbstgerecht und scheinheilig.

            • @Anachronist87:

              1.) Die geteilte Bedeutung von Sprache ist Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Sprache. Nur wenn alle die zumindest ungefähr gleiche Vorstellung von zB "Baum" haben ist eine mit Sinn gefüllte Kommunikation über Bäume möglich, warum sollte dieses Prinzip ausgerechnet beim Gendern nicht gelten?



              2.) Würden sie es nicht realisieren, würde ja nicht ständig übers Gendern gestritten werden.



              3.) Über den Zusammenhang von Sprache und Bewusstsein ist nun wirklich reichlich gedacht und geschrieben worden. Die komplette Linguistik, Neuro-Linguistik und Semiotik beschäfftigen sich praktisch mit nichts anderem, aber auch in der Philosophie und Psychologie ist reichlich dazu gearbeitet worden, etwa von Lacan oder Derrida. Wenn ihnen also "nirgendwo auf der Welt Indizien bekannt" sind, sind sie offenbar reichlich schlecht informiert.



              "Aber man betrügt diese Ziele sobald man in ihrem Namen andere Menschen zwecks Belehrung provozieren will. Denn so konnotiert man diese negativ."



              Dieses Konzept halte ich für falsch und naiv weil es impliziert, dass Veränderung ausschließlich durch Überzeugung und Konsens möglich wäre. So funktioniert die Welt aber nicht und zu der Überzeugung, dass Geschlechtergerechtigkeit aus ethisch-normativer Sicht notwendig ist hätte man ja schon längst kommen können. Deshalb darf man den stumpf verweigerten Konsens eben nicht als Indikator für eine mangelnde Überzeugungskraft des richtigen Arguments interpretieren, sondern als das was es ist: ein Herrschaftsinstrument. Und ein solches beseitigt man eben nicht mit netten Bitten und positiver Konnotation sondern mit Widerstand.

              • @Ingo Bernable:

                "3.) Über den Zusammenhang von Sprache und Bewusstsein ist nun wirklich reichlich gedacht und geschrieben worden. Die komplette Linguistik, Neuro-Linguistik und Semiotik beschäfftigen sich praktisch mit nichts anderem, aber auch in der Philosophie und Psychologie ist reichlich dazu gearbeitet worden, etwa von Lacan oder Derrida. Wenn ihnen also "nirgendwo auf der Welt Indizien bekannt" sind, sind sie offenbar reichlich schlecht informiert."

                Was sie da anführen ist ein Potpurri aus Begriffen und Namen, die beeindrucken bzw. überfordern sollen. Wer aber aber weiß, was sie da alles zusammenwerfen wollen und dann auch noch liest, dass sie ausgerechnet Derrida und Lancan in diesen Sprachaktivismus mit reinziehen wollen, der bekommt vor Lachen kaum noch Luft.

                Die handvoll Studien, die in einem Feedback-Loop immer wieder durchs Dorf, bzw. linguistisch überforderte Wissenschaftsredaktionen gejagt werden, und nachweisen sollen, dass Deklinationsklassen auf Geschlechterwahrnehmung Einfluss haben, sind in Methodologie und Aufbau ziemlich ernsthafte Rohrkrepierer. Aber wen störts, solang das nur die Fachkollegen merken? Wenn denn wenigstens ein paar Linguisten die ganzen Neurologen, Psychologen und Pädagogen mal davon abhalten würden, in fremden Gefilden zu wildern, aber nein: die meisten dieser Studien müssen sich sprachwissenschaftl. Kompetenz nicht vorwerfen lassen und sind segensreich unwissend, was Sprachgeschichte angeht. So schnattern in Medien und Wissenschaft blinde Hühner miteinander und ernsthafte linguistische Arbeit, z.B. zum indogerm. Ursprung unseres Genussystems, geht so sehr über deren Horizont, dass ein paar Buzzwords wie 'Semiotik' sie zutiefst beeindrucken. Ergebnis ist eine offenkundige Scharlatanerei durch Knalltüten wie Nübling, Lobin und Stefanowitsch und natürlich durch Kommentare wie ihre.

              • @Ingo Bernable:

                "halte ich für falsch und naiv ...dass Veränderung ausschließlich durch Überzeugung ... möglich wäre. So funktioniert die Welt aber nicht"

                Wie möchten Sie denn einen gesellschaftliche Wandel erzeugen, ohne die Gesellschaft zu überzeugen?

                "Deshalb darf man den stumpf verweigerten Konsens eben nicht als Indikator für eine mangelnde Überzeugungskraft des richtigen Arguments interpretieren, sondern als das was es ist: ein Herrschaftsinstrument."

                Gendern verweigert den bisherigen Konsens, dass durch das generische Maskulinum Alle angesprochen werden. Ist Gendern also ein Herrschaftsinstrument?

                "Und ein solches beseitigt man eben nicht mit netten Bitten und positiver Konnotation sondern mit Widerstand."



                Sie setzen bei der Nennung von Geschlechtern einfach einen anderen Schwerpunkt. Das ist nur in ihrer Logik Widerstand. Für die meisten Menschen, welche das Thema unverkrampfter betrachten, ist das einfach nur eine sprachliche Macke unter vielen anderen. Die Jugend produziert wesentlich mehr (und interessantere) davon. Sie solten sich wirklich von der Vorstellung lösen, alle Menschen würden um den gleichen einzelnen gedanklichen Stern kreisen, wie Sie.

              • @Ingo Bernable:

                Zu 1. Dass die Mehrzahl der Bevölkerung mit dem generischen Maskulinum (zumindest im gemischten Plural) alle Menschen ohne Berücksichtigung ihres Geschlechtes meint, sollte allgemein bekannt sein. Wir reden deshalb nicht plötzlich aneinander vorbei, wie das in ihrem „Baum“-Beispiel der Fall wäre.



                Zu 2.Ich wiederhole meine Frage mal präziser: Warum glauben Sie, eine ständige sprachliche Differenzierung und Hervorhebung von Geschlechtern sensibilisiert Menschen für Geschlechtergerechtigkeit, wenn wir ständig im Kontakt mit anderen Menschen ziemlich unmittelbar bemerken, dass es verschiedene Geschlechter gibt? Sollte das tägliche Sehen von Frauen nicht einen unendlich größeren Einfluss haben als deren eingeschobene Nennung?



                Zu. 3. In welchen Gesellschaften ist ein Zusammenhang zwischen sprachlicher Präsenz der Geschlechter und der Geschlechtergerechtigkeit sichtbar? Wo unterscheidet sich hier Finnland von Norwegen und Schweden? Würden Sie alle Länder der Welt hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit nach bestimmten Kriterien einteilen, und diese dann anonymisieren, dann hätten Sie keine Chance anhand dieser Daten Rückschlüsse über die Geschlechterpräsenz der dort gesprochenen Sprachen zu ziehen.



                Ihre neurolinguistischen Theorien blenden die Vielzahl an Einflüssen aus, welchen wir in der Realität ausgesetzt sind. Und sie ignorieren auch den Umstand, dass wir im Alltag nicht in doppelblinden Kontrollräumen leben, sondern uns über Situationen informieren und bewusst nachdenken. Das, was Sie sich vom Einfluss des Genderns versprechen, liegt irgendwo zwischen einem sprachzentrierten Wiederaufleben magischen Denkens und neurolinguistischem Programmieren.



                Wenn Sie das für sich praktizieren möchten, habe ich nichts dagegen. Aber falls sie wirklich glauben, Sie würden damit andere Menschen bekehren oder einen „heroischen Kampf“ ausfechten, dann tun mir alle Leute Leid, die einfach nur als Ausdruck von Respekt gendern möchten. Denn die werfen Sie damit weit zurück.

    • @Nobodys Hero:

      Dein Kommentar auch.

    • @Nobodys Hero:

      Nee, Hero ist es nicht. Die Haltung, die dahinter steht, zum Ausdruck kommt ist entscheidend ... und zeigt sich leider in dem verkürzten "Gendern ist Mist!"



      Und in "„Ich will genderfluid gendern.“ Richtig so. Sie will die Sprache als Spiegel der Machtverhältnisse entlarven." setze ich mich immer wieder beim Formulieren mit diesen Machtverhältnissen auseinander, ohne mich dogmatisch festzulegen. Grüsse an alle Heroines. Schönen Tag euch;-)

      heroine

      • @Zeuge14:

        "Sprache als Spiegel der Machtverhältnisse" ist in diesem Kontext ein gutes Stichwort.



        Denn Sprache lebt auch von einem gewissen Freiraum, in welchem wir uns selber ausdrücken können. Sei es ob wir bestimmte Dinge betonen möchten, oder uns von anderen abgrenzen möchten. Viele Menschen beispielsweise, auch wenn sie in eine Muttersprache geboren wurden, welche viele geschlechtliche Unterscheidungen kennt, möchten nicht ständig Geschlechter betonen. Und sie möchten auch nicht ständig betonen, dass sie diese nicht betonen möchten. Deshalb verwenden sie die Grundformen von Wörtern auf eine Weise, in der sie den Geschlechtern der Besprochenen keine Bedeutung zumessen. Sollte dieses relevant sein, so wird es durch eine entsprechende Zusatzbemerkung gekennzeichnet (zum Beispiel "männliche" Patienten).



        Das Problem ist nun, wenn bestimmte Leute aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit der Nennung von Gesschlechtern mehr Bedeutung einräumen wollen, und deshalb den zuvor genannten Personen unterstellen, doch nicht alle Personen, sondern nur ein bestimmtes Geschlecht anzusprechen (selbst wenn der Kontext und die tägliche Praxis dem widersprechen), dann maßen sie sich Macht über deren benutzte Sprache an.



        Und das wird zumeist mit Ablehnung quittiert, selbst wenn man die selben sozialen Ziele hat. Denn viele Ziele lassen sich über mehrere Wege erreichen, und nur weil man den eigenen für besser hält, sollte man nicht erwarten dass andere Menschen die gleichen Gewichtungen sehen und deshalb ihren persönliche Ausdrucksraum dafür einschränken.



        Besser ist es dann wohl, sich lieber über den Zweck einig zu sein, als sich über die Mittel zu zerstreiten.

        • @Anachronist87:

          "Das Problem ist nun, wenn bestimmte Leute aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit der Nennung von Gesschlechtern mehr Bedeutung einräumen wollen, und deshalb den zuvor genannten Personen unterstellen, doch nicht alle Personen, sondern nur ein bestimmtes Geschlecht anzusprechen[...], dann maßen sie sich Macht über deren benutzte Sprache an."



          So wird mal eben ausgerechnet von jenen die angebliche Sprechverbote beklagen das Äußern von Kritik und eigener Meinung zur Machtanmaßung umdefiniert und jenen die auf ihren exkludierenden Sprachgebrauch hingewiesen werden zu deren angeblichen Opfern. Wer so argumentiert hat mit Sicherheit nicht "die selben sozialen Ziele" im Sinn, sondern bedient letztlich das Narrativ der von rechts behaupteten 'Meinungsdiktatur'.

          • @Ingo Bernable:

            Wenn Sie versucht hätten, meiner bisherigen Argumentation zu folgen, anstatt sich sich auf die komfortable "Sie sind rechts!"-Scholle zu retten, um nicht weiter inhaltlich argumentieren zu müssen, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass ich Gendern an sich nicht kritisch sehe (nur unschön und holprig). Bedenklich wird es für mich bloß, wenn Personen ihre Deutung der gegenderten Sprechweisen als für die gesamte restliche Gesellschaft als verbindlich ansehen, und damit plötzlich festlegen wollen, wie deren bisherige Sprechweise ausschließlich zu interpretiert werden hat.



            Aber dieser Aspekt (die Deutungshoheit über die Sprache der Anderen) lässt sich vom Gendern eigentlich ganz locker trennen. Nur möchten Sie (und bestimmt auch einige ähnlich gesinnte Leute) das nicht. Und damit schädigen Sie die Akzeptanz der gegenderten Sprache für alle Anderen, die sich für Ihren ideologischen Unterbau nicht interessieren.

      • RS
        Ria Sauter
        @Zeuge14:

        Jetzt beissen wir uns am gendern fest.



        Wie wäre es mit der gleichen Begeisterung gleicher Lohn für gleiche Arbeit zu fordern! Da hätte die Weiblichkeit und alle die sich dazugehörig fühlen, mehr davon!

        • @Ria Sauter:

          wenn ich mich recht erinnere, gibt es diverse Initiativen zum Thema "gleicher Lohn für gleiche Arbeit", hier geht es aber um's Gendern.

          Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist übrigens etwas anderes als selber Lohn für gleiche Arbeit. Das wäre uU ungerecht.

      • @Zeuge14:

        Danke! Damit, Zeuge14, bringen Sie die Probleme, die viele Menschen mit dem Gendern haben, gewollt oder ungewollt auf den Punkt, auch die Probleme vieler, die, wie ich, z.B. das Binnen-I durchaus akzeptieren und oft auch bereits seit Jahren nutzen, vielfach sogar aus Überzeugung.

        "Die Haltung, die dahinter steht, zum Ausdruck kommt[,], ist entscheidend", schreiben Sie. Das mögen Sie und viele andere Freund*_I...nnen des Genders zwar gern so sehen. Viele andere andere, mich eingeschlossen, möchten hingegen NICHT beim Sprechen auch noch auf Haltung achten müssen bzw. sich von anderen vorschreiben lassen, dass sie nicht nur eine bestimmte Haltung haben müssen, sondern dass auch nur noch gesellschaftlich (!) akzeptabel ist, was die Verfechter_*I...nnen dieser Haltung als einzig legitim vorgeben.

    • @Nobodys Hero:

      ...und Mist ist wichtig P).