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Verbot von „Querdenken“-DemosKeine Freiheit trotz Sommer

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Verbot gegen die „Querdenken“-Demonstrationen hätte man sich sparen können. Denn die Anstecklungsgefahr beim sommerlichen Open-Air-Happening ist gering.

Ein paar Hundert kamen trotz Verbot, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren Foto: Christian Mang/reuters

M it der Parole: „Stell Dir vor, es ist Corona und keiner macht mit“ hat am Wochenende die Querdenken-Szene in Berlin demonstriert. Zwar waren die meisten Demonstrationen verboten, doch die Verschwörungsgläubigen lieferten sich ein stundenlanges Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei. Die Verbote waren wohl unverhältnismäßig.

Natürlich sind die Verbote kein Beweis dafür, dass Deutschland eine faschistische Diktatur geworden ist, wie die Querdenkenden behaupten. Schließlich wurden nicht die Inhalte der Proteste verboten, sondern nur die Art der Kundgebung. Untersagt waren Geh- und Stehversammlungen, bei denen mit Verstößen gegen die Masken- und Abstandspflicht zu rechnen war. Mit Autokorsos durfte durchaus gegen die Coronapolitik protestiert werden.

Auch der Verweis auf den jüngsten CSD am vorvergangenen Samstag zieht nicht. Zwar war dort die Maskenpflicht auch großflächig missachtet und von der Polizei nicht durchgesetzt worden. Daraus folgt aber keineswegs, dass nun plötzlich alle Ver­an­stal­te­r:in­nen das Recht haben, die Coronavorgaben zu ignorieren. Vielmehr dürfte dies vor allem Probleme für die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen des CSD nach sich ziehen, wenn sie beim nächsten Mal eine Veranstaltung anmelden.

Nichtsdestotrotz waren die Verbote der Querdenken-Veranstaltungen übereifrig, denn es geht hier um Versammlungen im Freien, wo Ansteckung recht unwahrscheinlich ist. Gleichzeitig sind die Inzidenzen sommerlich niedrig und die Hälfte der Bevölkerung ist bereits doppelt geimpft.

Die Gerichte sollten den Sommer stärker mit in Betracht ziehen. Das Versammlungsrecht ist ein zentrales Recht der Demokratie, das gerade für kleine abgelehnte Minderheiten von enormer Bedeutung ist. Zumindest im Sommer sollte hier auf Auflagen verzichtet werden, die nicht unbedingt erforderlich sind. Ganz pragmatisch betrachtet haben die Versuche der Polizei, das Verbot durchzusetzen, die Bilanz der Coronaprävention unter dem Strich auch nicht verbessert.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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27 Kommentare

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  • Die Werte steigen zwar, aber durch die vielen Geimpften muss von den Infizierten fast niemand mit einem schweren Verlauf rechnen. Denn es infizieren sich viele junge Leute, die eben noch nicht geimpft sind und bei denen schwere Verläufe auch ohne Impfschutz sehr selten sind…

  • Ab welchem gesundheitlichen Schaden wären denn Verbote der vorsätzlich und systematisch die Pandemiebekämpfung behindernden Querdenker-Demos verhältnismäßig, Herr Rath?



    Ich finde, wer die Fahne der Grundrechte schwingt, sollte auch juristisch exakt und konkret argumentieren. Andernfalls ist es 'wohl' bloße Rechthaberei.



    Zudem haben die spezifizierten Verbote die Teilnehmerzahl minimiert, was unbestreitbar für niedrigeres Spreading, besonders in den ÖPNV-Situationen gesorgt hat. Kommt mir, sorry, vor, wie eine pseudojuristische Pflichtübung, der Kommentar, der sich zudem nicht entscheiden kann, ob er Expertise, Bericht oder persönliche Meinung sein will.

  • Die "sommerlich niedrige" Inzidenz sieht so aus, dass Berlin bereits einen Schnitt von 27,2 mit steigender Tendenz hat und mit Spandau und Friedrichshain Kreuzberg zwei Bezirke über 40 liegen. Bei einer Beurteilung sollte bedacht werden, dass so nicht rechtzeitig reagiert wird, die Ausbreitung exponentiell ist. Nichtreaktion bedeutet also ein frühes, ungehindertes Bilden eines Ausbreitungssockels. Neben dem Hinweis auf Impfungen sollten Nichtzuimpfende - aufgrund Alter, Erkrankung u.ä. - auch genannt werden. Jene sind einem Verbreitungsrisiko weiterhin erhöht und wesentlich ungeschützter ausgesetzt.

  • Wohltuender, weil entspannter Kommentar von Christian Rath.



    Gerade Leute, die sich links wähnen, nerven mit obrigkeitsstaatlichem Verbotsgefuchtel.



    Da inzwischen die meisten Leute geimpft sind, sollten alle Virus-Phobiker ihren Panikmodus mal zwei, drei Gänge runterschalten.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Die EM und die Untersuchung der Folgen hat gezeigt, das man sich leicht im Freien anstecken kann.



    Gut, es trifft dann die Richtigen.

  • Dieser Kommentar ist eine merkwürdige Ansammlung schwer erträglicher Positionen. Nicht nur wird das gerichtlich bestätigte Verbot, das ja eine Vorgeschichte hatte, einfach als



    "unverhältnismäßig" und "übereifrig"



    weggewischt. Dann wird auch noch ignoriert, dass ja genau das eingetreten ist, was zum Verbot geführt hat und was ohne Verbot mit Sicherheit noch mehr geschehen wäre, nämlich die Verstöße gegen Abstands- und Maskenregeln.



    Dann dieser Satz mit der "faschistischen Diktatur". Wie man auf die Idee kommt dies ernsthaft bestreiten zu müssen ist mir völlig schleierhaft. Höchst indifferent ist auch die Meinung des Autors der das "zentrale Recht" der Versammlungsfreiheit hochhält, gleichzeitig aber auch von einem "sommerlichen Happening" spricht. Das passt doch nicht zueinander. Übrigens kann man die Inzidenzen kaum "sommerlich niedrig" nennen, wenn die Werte gerade massiv steigen und auch höher sind als vor einem Jahr. Die eher niedrige Impfquote in Deutschland ist auch kein gutes Argument und angesichts der ganz überwiegend ungeimpften und unmaskierten sogenannten Querdenker überhaupt nicht nachvollziehbar. Der ganze Kommentar ist eine einzige Verharmlosung. Dann noch dieser pampige letzte Satz der natürlich nicht nur völlig unbelegt bleibt sondern auch gar kein Argument gegen das Verbot darstellt sondern allenfalls gegen das konkrete Handeln der Polizei.

  • "Auch der Verweis auf den jüngsten CSD am vorvergangenen Samstag zieht nicht. Zwar war dort die Maskenpflicht auch großflächig missachtet und von der Polizei nicht durchgesetzt worden. Daraus folgt aber keineswegs, dass nun plötzlich alle Ver­an­stal­te­r:in­nen das Recht haben, die Coronavorgaben zu ignorieren."



    Ein "legales", "juristisches" Recht- oder wie auch man das formulieren mag -läßt sich daraus nicht ableiten. Aus biologischer/medizinischer Sicht sind solche Massenansammlungen aber gleichermaßen bedenklich:Egal ob "Queers" oder "Querdenker",die Infektion macht da keine Unterschiede.Aus meiner Sicht hätte es der Logik der offiziellen Coronaeindämmungsstrategie entsprochen,sowohl CSD als auch "Querdenker" nicht auf die Straße zu lassen.



    Mir selber ist der CSD etwas sympathischer als die "Querdenker". Nur ist Sympathie kein legales Kriterium. Insofern ist die Frage schon erlaubt warum die einen dürfen ,die anderen aber nicht. Regierung und Gericht(e) haben sich hier eben doch etwas unglaubwürdig gemacht.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Natürlich sind die Verbote kein Beweis dafür, dass Deutschland eine faschistische Diktatur geworden ist, wie die Querdenkenden behaupten. "

    Diese Irren schmoren lieber im eigenen Saft und lassen sich von Ihresgleichen ihre verqueren Ansichten bestätigen.



    Gestern hatte ich kurz Kontakt zu diesen Typen. "Mit der Maskenscheiße habe ich nichts zu tun...." hat einer stolz zu seinem Kumpel gesagt.

    Wenn euch das alles nicht passt, dann wählt halt die richtige Partei oder besser noch, wandert aus.

    Der Zugang zu Veranstaltungen, Reisen, Clubs etc. nur mit Impfung!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      "Der Zugang zu Veranstaltungen, Reisen, Clubs etc. nur mit Impfung!"



      Bei aller berechtigter Kritik und Wut gegenüber "Querdenker*innen" bitte nicht die Personen vergessen, die sich aufgrund Alter, Erkrankung u.ä. nicht impfen lassen können.

  • Ein Artikel, der die Sache auf den Punkt bring.



    In D darf als Linksaußen und auch als Querdenker ( was immer diese skurrile



    Gruppe auch von sich gibt)



    demonstrieren....

    Wir sind nicht Polen, nicht Ungarn nicht Moskau....

    Jetzt noch, in Zukunft nicht,

    D ist Quer, Rechts, Links, Idiotisch oder was sonst noch...

    aber frei und vielfältig

  • Was sich seit November geändert hat:

    - Delta ist so viel ansteckender, dass wir mit Impfung fast die gleiche Gefahr haben wie ohne.

    Die Situation ist also vergleichbar.

    Im November haben Querdenker-Demos zehntausende Infektionen verursacht. Das werden die gestrigen wieder.

    Belege: www.draketo.de/pol...corona-durch-demos

    • @Arne Babenhauserheide:

      England beweist das Gegenteil.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Echt cool (und irgendwie quer gedacht), als "Beleg" auf eine eigene Internetseite zu verweisen.

    • @Arne Babenhauserheide:

      "Delta ist so viel ansteckender, dass wir mit Impfung fast die gleiche Gefahr haben wie ohne."

      Nein, die Impfung verhindert auch bei Delta schwere Verläufe mit sehr großer Wahrscheinlichkeit. Wir haben also eine deutlich geringere Gefahr für jeden, der das Angebot der Impfung annehmen wollte.

  • Der Kommentar ist vollkommen daneben. Die Veranstalter und Demonstranten haben konsequent in den letzten 12 Monaten gezeigt, sich einen Scheißdreck um Coronaauflagen zu kümmern. Dementsprechend sind die Verbote richtig und konsequent durchzusetzen!

  • "Die Verbote waren wohl unverhältnismäßig."

    Scheißele, Herr Eisele.

    Die Verbote waren schnuppe. Es ist ja nicht das erste Mal, dass sich die Polizei bei Protesten dieser Leute zum Deppen macht.

    Schlicht gesagt: Die können einfach manchen, was sie wollen.

    Ich wünschte mir, die Polizei wäre auch nur bei einer verbotenen Demonstration, an der ich teilgenommen habe, auch nur annähernd mit so sanften Pfoten mit uns umgegangen.

    • @Jim Hawkins:

      Vielleicht lag es ja an den Steinwürfen o.ä. auf den von Ihnen besuchten Demos?

      Ich bin mir sicher, dass vom CSD keine Steinwürfe ausgingen. Warum also wollen Sie ein hartes Eingreifen der Polizei gegen die gewaltlose CSD Demo?

      • @Rudolf Fissner:

        Wie Sie jetzt auf den CSD kommen, ist mir ein Rätsel. Aber ich muss ja auch nicht alles wissen.

        Dennoch ist das ein schönes Beispiel in Sachen Polizeigewalt.

        Wie Ihnen sicher bekannt ist, lieferten damals Schwule und Transmenschen der Polizei tagelange Straßenschlachten.

        Aus heutiger Sicht werden sie zu Recht als Helden gesehen und die Cops waren eindeutig die Bösen.

        Ohne diesen militanten Knall wäre die Emanzipation dieser Gruppen vielleicht etwas anders verlaufen.

        Merke: Es findet nie unverhältnismäßige Polizeigewalt statt, während sie stattfindet. Das gilt meistens auch noch für die Jahre danach.

        Wird das ganze irgendwann historisch eingeordnet, sieht die Sache manchmal anders aus.

        (s.a. Widerstand gegen Atomanlagen; s.a. Verhinderte Räumung der Hafenstraße)

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Die Polizei hat Anweisung, wie sie sich verhalten muss.



      Dass trotzdem zahlreiche Polizisten verletzt wurden, ist sehr bedauerlich. Mit zum Deppen machen hat das nichts zu tun. Die Deppen waren die Demonstranten.

      Und dann auch noch, als ob es nicht genug Irrsinn sei, die Motorradfahrer.



      Man hätte diesen Krawallbrüdern ihre viel zu lauten Maschinen unter Arsch wegkonfiszieren sollen. Rückgabe erst, wenn alle Tüv-Auflagen erfüllt sind + 2000 € Strafe.

      Wenn nicht konsequent durchgegriffen wird, geht das immer so weiter. Auch andere Irre werden sich zu Wort melden.

    • @Jim Hawkins:

      Stimmt. Da hat sich seit Beginn der Pandemie nicht viel geändert. Rezzo brachte es schon letztes Jahr auf den Punkt:



      www.youtube.com/watch?v=eoxxh2qNZj4

      • @Nina Janovich:

        Rezo spielt das Problem als "kleine aber laute Minderheit" herunter. Wir sind erst bei einer Impfquote von 50 %. Rezo hat nichts verstanden.

  • Ja und nein. Stadionbesuche und Massen public viewings trugen in GB zum sprunghaften Anstieg der Corona Inzidenz bei - trotz Sommer, Sonne und vor der EM noch niedrigen Zahlen. Da die Querdenkerszene bislang auf jeder Demo die Hygienemaßnahmen wie Abstand und Mundnasenschutz verweigerte, finde ich die Verbote verhältnismäßig. Bei einer erlaubten Demo wären mit Sicherheit noch wesentlich mehr Menschen angereist als zu den dann verbotenen Kundgebungen. Davon abgesehen beamen sich die Demoteilnehmer:innen ja auch nicht Ansteckungsfrei nach Berlin, sondern reisen meist ebenfalls Maskenfrei mit Reisebussen an oder testen in öffentlichen Bahnen und Bussen wie weit sie mit keiner Maske oder demonstrativ am Kinn baumelnden Stoffläppchen so durchkommen. Studien aus dem letzten Sommer und Herbst zeigen sehr deutlich den Anstieg der Coronainzidenz nach Querdenker Happenings am Veranstaltungsort, sowie in den Heimatorten.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Nina Janovich:

      .....reisen meist ebenfalls Maskenfrei mit Reisebussen an.

      Wie kann das sein? Dem Reisebusunternehmer sofort eine 1-monatige Sperre auferlegen. Das wäre die richtige Maßnahme.

  • "und die Hälfte der Bevölkerung ist bereits doppelt geimpft."



    Das spielt bei Querdenken Demos keine Rolle. Hier trifft sich kein repräsentativer Teil der Bevölkerung. Es ist eine Menge von ungeimpften Personen, die aus ganz Deutschland in Gruppen anreisen, die sich im Alltag und auf der Demonstration nicht an die AHA Regeln halten und dazu im Ernstfall eine Infektion nicht melden und keine Isolation durchführen. Das sind die Verhaltensweisen die DIESE Gruppe definieren und so für andere Versammlungen einfach nicht passen.



    Wie viele Infizierte, wie viele Tote sind denn da akzeptabel, nur damit Querdenker zum zigsten Mal zeigen können wer sie sind? Würden sie dafür aus ihrem Umfeld eine Person "opfern"? Für einige würde es nämlich genau das bedeuten.

    • @Florian Schwahn:

      Ihre Logik verstehe ich nicht. Wenn die Querdenker Impfungen ablehnen, müssten sie bei deren Verhalten ja schon alle infiziert gewesen sein und brauchen daher keine Impfung mehr, soweit sie überlebt haben.

      Und das Umfeld sollte wissen, von wem man sich fernhalten sollte….

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Florian Schwahn:

      Ich gebe Ihnen völlig recht.



      Egozentrisches und rücksichtsloses Verhalten hat sich in den letzten Jahren manifestiert. Das hat viele Gründe.

      Zum Glück gibt es noch andere Menschen, die vorleben, wie es gehen muss.

    • @Florian Schwahn:

      Das meinen Sie doch wohl nicht ernst?