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Talibanvormarsch in AfghanistanAuf dem Rücken der Frauen

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Die Taliban sind in Afghanistan auf dem Vormarsch. Der Westen sollte seinen letzten Einfluss nutzen, um erreichte Fortschritte am Hindukusch zu verteidigen.

Unterstützer der Taliban feiern den Vormarsch ihrer Truppen Foto: AP

S eit Wochen sind die radikalislamistischen Taliban in Afghanistan auf dem Vormarsch. Seit dem Abzugsbeginn der Nato-Truppen Anfang Mai haben die selbsternannten Gotteskrieger, die Ende 2001 besiegt waren, die militärische Initiative und das strategische Momentum. Viele Jahre wollte niemand mit ihnen verhandeln. Das war nachvollziehbar, denn wer will schon solche menschen- und frauenverachtenden Kämpfer aufwerten?

Doch inzwischen führt kein Weg an Gesprächen mit den Taliban mehr vorbei. Denn sie wurden immer stärker, waren militärisch nicht zu schlagen und ließen sich auch diplomatisch nicht länger ignorieren. Abgesehen davon sind viele der Warlords aufseiten der Regierung in Kabul kaum menschen- oder frauenfreundlicher. Doch als die Regierung Trump mit den Taliban im Februar 2020 den Rückzug der US-Truppen vereinbarte, waren daran weder die afghanische Regierung noch afghanische Frauen beteiligt.

Dabei hatte Washington seine Militärintervention nicht nur mit der Bekämpfung des Terrorismus, sondern auch mit der Befreiung afghanischer Frauen gerechtfertigt. Deren Zukunft sieht jetzt düster aus. Als die Regierung noch mehr Verhandlungsspielraum hatte, wurde er nicht für die Frauen genutzt. Ihre Vertreterinnen haben nie eine zentrale Rolle spielen dürfen, sie waren allenfalls Beiwerk.

Frauen leiden besonders unter der politisch und militärisch bedrohlichen Lage. Auf dem Land hatte sich für Frauen zwar ohnehin wenig verbessert. Doch die Nato-Intervention hat für viele der eher städtischen Mädchen und Frauen Freiräume geschaffen und vergrößert, die jetzt wieder gefährdet sind.

Zwar schrumpfen die Einflussmöglichkeiten der westlichen Staaten mit dem Abzug der Nato-Truppen weiter, aber ganz ohne Einfluss sind sie nicht. Er sollte deshalb dafür genutzt werden, immer wieder die Rechte der Frauen einzufordern und die Errungenschaften so gut es geht zu verteidigen.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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11 Kommentare

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Fliegt alle Frauen aus Afghanistan aus, die das wollen.



    Mit Taliban verhandelt man nicht.

  • Welchen Einfluss haben denn die westlichen Staatenb auf die Taliban?

    Da wäre ich neugierig gewesen.

  • Taliban sind die Hölle für Frauen.

    Alle Errungenschaften werden wieder im Nichts verschwinden, und die Frauen den Taliban absolut rechtlos ausgeliefert sein.

    Die Fertilitätsquote wieder auf 7 springen. Aktuell ist sie bei 4,2.

    Afghanistan hatte 1960 etwa neun Millionen Einwohner. Jetzt sind es rund 40 Millionen.

    Afghanistan, insbesondere die Frauen, haben eine grauenhafte Zukunft vor sich.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Wie genau sieht dieser Einfluss denn aus? Man kann jetzt natürlich anfangen, Hilfsprogramme aufzulegen und Milliarden an Finanzmitteln in das Land zu pumpen, die dann aber mit einiger Wahrscheinlichkeit eher Korruption befördern und am Ende bei den Taliban und ihren Waffenlieferanten landen.

    Um in so einem Land Einfluss zu haben, muss man schon Präsenz zeigen. Jetzt in dieser Weise mit dem Thema Frauenrechte anzukommen, erscheint mir als ein modebewusster Beitrag, um die Beendigung des Afghanistan-Einsatzes als genauso falsch darzustellen, wie den Einsatz selbst und um jene reinzuwaschen, die schon immer dagegen waren.

    Afghanen, die mit dem Westen zusammenarbeiteten, dürften jetzt wohl ganz andere Sorgen haben, als eine Wiedereinführung der Burka.

  • Hm.. Schwierige Sache. Ich würde sagen, man sollte allen Frauen, die sich feministisch engagiert haben, in Frauenhäusern etc. gearbeitet haben und Jetzt mindestens genauso bedroht werden wie die Übersetzer und Helfer des Militärs, das gleiche Angebot machen wie den eben genannten Helfern. Sie dürfen nach Deutschland kommen. Immerhin haben diese Frauen mehr mit uns gemein als so manche Übersetzer, die Frauen eventuell nicht als gleichberechtigte Menschen ansehen, sondern eben als Menschen zweiter Klasse.

    • @curiouscat:

      Es bliebe allerdings zu klären wie hoch die Schwelle für ein feministisches Engagement ausgehend von einer auch nur halbwegs humanitären Warte aus liegen darf? Den Taliban gilt es bereits als todeswürdiges Verbrechen wenn eine Frau sich ohne Burka in der Öffentlichkeit zeigt, demnach dürfte sich ein solches Angebot nicht nur an Aktivist*innen im engeren Sinne richten, sondern an jede (weibliche*?) Person die es etwa in den letzten 20 Jahren auch nur einmal wagte westliche Kleidung zu tragen.

  • Es gibt auch von Kennerinnen der afghanischen Verhältnisse die Meinung, dass die US Truppen ausschließlich einen Rachefeldzug für 9.11 durchführten, der zuletzt auch ein Krieg gegen das afghanische Volk war.



    Im Gegensatz zum Einsatz der Bundeswehr, der völlig anders motiviert war.

    Jetzt plötzlich auf die Idee zu kommen, dass man doch bitte an die Frauen in Afghanistan denken müsse, ist wohlfeil. Die Freiheit insbesondere der weiblichen Bevölkerung dort war nie Ziel der USA. Vielleicht hätte eine gemeinsame europäische zivile Aktion in Afghanistan etwas mehr bewegt.



    Militärisch sind solche Probleme nicht lösbar. Schade nur, dass dies nicht zum Umdenken führen wird und die Stahlhelmfraktion im Bundestag weiter problemlos agieren kann.

  • "Der Westen sollte seinen letzten Einfluss nutzen"



    Ich frage mich, welcher Einfluss hier gemeint ist. Und ob die muslimisch geprägte Türkei dazu gehört. Diese will sich in Afghanistan ja nun mehr engagieren.

    Was sagt Erdoğan dazu?



    "Die Taliban sollten mit der Türkei viel leichter sprechen können, denn die Türkei hat keine Probleme mit ihren religiösen Standpunkten"



    Und die Taliban? Die haben jede Rolle der Türkei nach dem Abzug der letzten Nato-Truppen bereits vehement zurückgewiesen. Man werde sich "zur Wehr setzen", wenn die Türken nicht abzögen.

    Der Westen wird dort in den nächsten Jahrzehnten genauso wenig unsere oder eine andere Demokratie verteidigen, wie Alexander dem Große und der UdSSR dort irgendetwas gelungen ist.

  • "Viele Jahre wollte niemand mit ihnen verhandeln. Das war nachvollziehbar, denn wer will schon solche menschen- und frauenverachtenden Kämpfer aufwerten?"

    Vielleicht geht es ja eher darum, deren Argumente auszuwerten, wenn man mit Ihnen verhandelt. Redet mit Extremisten, um Ihnen den Extremismus zu nehmen denke ich mir immer wieder. Wo soll sonst das Argument her gegen "Die unterdrücken uns."

    • @SimpleForest:

      "Redet mit Extremisten, um Ihnen den Extremismus zu nehmen"



      Und mit welchen Argumentgen glauben sie religiöse Fundamentalisten die sich im Wissen um den wahren Willen Gottes und als dessen Vollstrecker wähnen von ihrem Fanatismus abbringen zu können? Solche Leute haben ein geschlossenes Weltbild mit genau einer Vorstellung davon wie Staat und Gesellschaft auszusehen haben, Platz für Kompromisse gibt es da nicht. Und wie sollte sich so ein Kompromiss auch gestalten? Vielleicht, dass sie den Unterricht von Mädchen sogar bis zum Alter von 10 Jahren, statt bis 8 erlauben?



      Gleichzeitig bedeuten Verhandlungen aber zwangsläufig auch die jeweilige Gegenpartei als legitimen Verhandlungspartner anzuerkennnen. Will bzw. darf man die Taliban die uA Massaker, ethnische Säuberungen (vA an den schiitischen Hazara), Drogen- und Menschenhandel, eine extreme Unterdrückung von Frauen, die gegen praktisch jeden Punkt im Menschenrechtskatalog verstößt, Terror und unvorstellbare Grausamkeiten [1] gegen die Zivilbevölkerung zu verantworten haben also tatsächlich als legitime Interessengruppe auf Augenhöhe behandeln?



      [1]



      www.washingtonpost...3f8332c_story.html

  • Sorry, aber das sind doch hohle Phrasen. Welchen Einfluss soll den die Nato oder der Westen haben in Afghanistan? Der ist und war (ebenso in Syrien oder Irak oder sonst wo) durchaus begrenzt!!



    In 20 Jahren ist es offensichtlich nicht gelungen Werte wie Frauenrechte im Lande dauerhaft zu etablieren. Liegts am bösen oder blöden WEsten? Oder vielleicht doch eher an der afghanischen Gesellschaft in der ein überwiegender Teil schlicht kein Interesse daran hat