Klimapolitik und Mobilität: Mit dem Auto das Klima schützen
Die Chance für eine bessere Klimapolitik ist da. Die konkreten Auswirkungen müssen den Menschen nur nachvollziehbar erklärt werden.
W ie konnte das so schiefgehen? Bei der Sonntagsfrage von Forsa hatten die CDU/CSU Anfang April Zustimmungswerte von 21 Prozent und die Grünen 28 Prozent. Drei Monate später lagen die CDU/CSU bei 30 Prozent und die Grünen bei 19 Prozent. Sicher, ein Teil des Absturzes geht auf das Konto des gescheiterten Baerbock-Buchs. Doch Buch und Lebenslauf erklären nicht alles.
Dabei ist der politische Gegner Armin Laschet eher oberflächlich, verkündet Pyrrhussiege und ändert seine Meinung öfters schon mal. Beispiel: Das verunglückte WDR-Interview mit Susanne Wieseler, der er am Tag der Hochwasserkatastrophe sagte, dass man wegen eines Ereignisses an einem Tag seine Politik doch nicht ändere. Sein Bundesland NRW steht weit schlechter da, als er es anpreist.
Eine groß angekündigte Ruhrkonferenz sollte den Aufbruch für das Ruhrgebiet auslösen und hat sich in kleinteilige Projektgrüppchen zerlegt. Die Olympia-Bewerbung von NRW ist ein Scherbenhaufen. Das von ihm selbst ausgerufene Elektromobilitätsland NRW läuft hinterher. Der Aachener Hochschullehrer und Rotary-Freund Günter Schuh hatte mit viel Trara und Landesgeldern erst den Streetscooter, dann den e.go und dann Pläne einer Batteriezellenfabrik aus der Taufe gehoben.
Es waren die Vorzeigeprojekte für Laschet, auf die er mächtig stolz war. Übrig geblieben ist davon so gut wie nichts. Immer wieder hatte die Laschet-Mannschaft versucht, Batteriezellfabriken in NRW anzusiedeln, aber weder Tesla, noch CATL, noch sVolt, noch Farasis, noch Northvolt oder Stellantis bauen Zellen in NRW. Sie haben sich für Grünheide, Erfurt, das Saarland, Bitterfeld, Salzgitter und Kaiserslautern entschieden.
Elektroautoland NRW blieb Illusion
Die anderen waren erfolgreich, nur das von Armin Laschet ausgerufene Elektroautoland NRW ist gescheitert. Zufall? Noch im Herbst 2019 war „Fridays for Future“ für Laschet eine Schülerbewegung. Wenig ehrlich erklärte er bei der Flutkatastrophe NRW zum Klimaschutz-Vorreiterland. Im Ländervergleich hat NRW im letzten Jahr 25 Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestoßen. Das entspricht einem Drittel des CO2-Rückgangs in Deutschland. Was Laschet verschweigt:
ist Direktor des privatwirtschaftlichen CAR-Center Automotive Research in Duisburg. Das CAR forscht zu Fragen der Mobilität und veranstaltet Branchenkongresse in Europa und China (www.car-future.com). Zuvor war er Lehrstuhlinhaber an der Uni Duisburg-Essen und in der Autoindustrie tätig.
NRW stößt dreimal so viel aus wie etwa Bayern oder Baden-Württemberg und pro Einwohner das Doppelte von beiden Bundesländern. Ein Großteil der Einsparung ist das Ergebnis der Abschaltung der Steinkohlekraftwerke. Damit hat Laschet wirklich nichts zu tun. Die Verdienste gehen zurück bis auf den früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und Ex-Kanzler Gerd Schröder. Gern schmückt sich Laschet mit dem Kohleausstieg. Tatsächlich hat NRW den schnelleren Ausstieg mit verhindert.
Oberflächlich, sprunghaft und fadenscheinig prangert Laschet geplante Benzinpreiserhöhungen der Grünen an. Dabei weiß er genau, dass die CO2-Besteuerung in Berlin beschlossen wurde. Immerhin erklärt er höhere Treibstoffsteuern für notwendig, aber den Billigflug nach Mallorca definiert er als eine Art Grundrecht. Jeder müsse sich schließlich den jährlichen Mallorca-Flug leisten können. Warum also verlieren die Grünen im Wettkampf mit Armin Laschet?
Das grüne Wahlprogramm ist ehrgeizig. Aber was bedeutet es für Otto Mustermann, wenn seine Lebenshaltungskosten mit erhöhten CO2-Preisen beängstigend steigen? Das Schlagwort Energiegeld soll es richten. Aber was konkret erhält Mustermann? Allgemeine Aussagen wirken bei staatlichen Abgaben wenig glaubhaft. Dazu kamen die unglücklich verkürzten Interviews, bei denen die Steuer hängen blieb, das Energiegeld aber unter den Tisch fiel. Ähnlich zum Verbot der Inlandsflüge.
Gegen 48 Millionen Autobesitzer ist nicht zu gewinnen
Es macht Sinn, nicht die ganze Welt in einem Satz zu erklären, sondern eine Sache in den konkreten Auswirkungen für den Einzelnen nachvollziehbar zu machen. Was erwartet die Autobesitzer von einer grünen Kanzlerin? Es ist unmöglich, eine Wahl gegen 48 Millionen Autobesitzer gewinnen. Sicher macht es Sinn, Radwege auszubauen. Das unterstützen alle. Sicher muss man die Bahn verbessern. Aber jetzt alles auf die Bahn setzen? Das Klimaproblem wird dadurch nicht gelöst.
Bisher sind Autofahrer von der Bahn wenig begeistert. Wer im Ruhrgebiet Bahn fährt, braucht gute Nerven und ein gefülltes Portemonnaie. Nicht ohne Grund stehen die Menschen lieber im Stau auf der A40. Und die Bahnversprechen sind so alt wie die Republik. Die Hochwasser haben gezeigt, dass es beim Klimawandel fünf nach zwölf statt fünf vor zwölf ist. Alle sind überzeugt, dass wir deutlich mehr tun müssen.
Alle, außer dem Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, der in TV-Interviews verkündet, dass NRW schon viel macht und wir an die Arbeitsplätze denken müssen. Die Chance für eine bessere Klimapolitik ist da. Wir müssen es den Menschen nur sauber erklären und nicht 48 Millionen Dinge wegnehmen, die ihnen wertvoll sind. Mit dem vollelektrischen Auto haben wir die Technik.
Mittlerweile ist das Angebot groß, die Fahrzeuge sind alltagstauglich, die Preise mit den Förderungen fast auf Verbrennerniveau. Sämtliche Risiken, wie Einbußen beim Wiederverkauf oder nicht geplante Reparaturen, lassen sich mit dem Auto-Abo ausschließen. Alle Voraussetzungen sind erfüllt, um ausschließlich abgasfreie Neuwagen zu verkaufen. Was würde passieren, wenn wir den Preis für Benzin und Diesel einfach verdoppeln, also auf 3 Euro statt 1,50 pro Liter Super erhöhen?
Drohte dann eine Gelbwestenrevolte wie in Frankreich? Nein, dieses Drohpotenzial kann neutralisiert werden. Die Lösung: Wer heute ein Auto mit Verbrennungsmotor besitzt, bekommt die zusätzliche Treibstoffsteuer zurückerstattet, genießt also Bestandsschutz. Wer sich aber ein neues Benzin- oder Dieselauto kauft, bezahlt den vollen Spritpreis. Als beste Wahl bliebe dann nur das Elektroauto – und zwar ohne komplizierte Bonus-Malus-Rechenspielchen bei der Kfz-Steuer. Die Chancen für die Grünen sind da. Sie müssen sie nur nutzen.
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