Proteste in Frankreich: Das nächste Comeback der Gelbwesten

Tausende demonstrierten in Paris und andernorts für ihre sozialen und politischen Anliegen. Einen Schulterschluss mit Corona-Leugnern gab es nicht.

Eine Frau mit roter Kapuze und Tricolore-Mundschutz steht mit dem Rücken vor einem Spalier von Polizisten

Sonst herrscht in Frankreich bei Demos Vermummungsverbot – am Samstag brauchte diese Frau aber keine Strafanzeige zu befürchten Foto: ap

PARIS taz | Tausende haben am Samstag in Paris und anderen französischen Städten erneut in gelben Warnwesten für ihre sozialen und politischen Anliegen demonstriert. Die Zahl der Teilnehmenden lag zwar unter den Erwartungen der Medien, doch die Forderungen nach Kaufkraft und demokratischen Rechten tönen im Kontext der Corona-Krise so aktuell wie noch nie.

Weder die polizeiliche Repression noch Corona und entsprechende Einschränkungen können die „Gilets jaunes“ daran hindern, auf der Straße für ihre zum Teil sehr unterschiedlichen Forderungen zu protestieren und lautstark ihre Wut über die Arroganz der Staatsmacht zum Ausdruck zu bringen. Das bewiesen die Kundgebungen, die trotz örtlicher Versammlungsverbote und anderer sowohl ordnungspolitisch wie auch zur Epidemiebekämpfung begründeter Restriktionen stattfanden. In der Presse und im Fernsehen wurde dies ein wenig großspurig als „Comeback“ der Gelbwesten angekündigt.

Entsprechend massiv war das Polizeiaufgebot vor allem in der Hauptstadt, wo namentlich die Avenue des Champs Elysées, aber auch die Umgebung von Regierungsgebäuden und der Präsidentenpalast Elysée für Demonstrierende zur „No-go“-Zone erklärt worden waren. Mit Kontrollen und Festnahmen von anreisenden Gelbwesten zeigten zudem die Sicherheitskräfte, dass sich an der repressiven Haltung des Innenministeriums nichts geändert hat. Von Beginn an gingen die Beamten gegen Leute vor, die von der offiziell bewilligten Strecke abweichen wollten. In der Nähe des Triumphbogen kam es am Nachmittag rasch zu Zusammenstößen.

Gilt normalerweise in Frankreich bei Kundgebungen ein Vermummungsverbot, trugen dieses Mal die meisten eine Schutzmaske. Normalerweise droht maskierten Demonstranten eine Strafe, dieses Mal riskierten im Gegenteil die Unmaskierten eine Geldbuße von 135 Euro. Im Vorfeld der Demonstrationen war in den Medien spekuliert worden, dass sich im aktuellen Kontext Gegner der allgemeinen Maskenpflicht in der Öffentlichkeit und der Covid-Politik insgesamt den Gelbwesten anschließen könnten. Davon war wenig zu sehen.

Hauptforderung bleibt: Macron muss gehen

Eine „gelbe“ Konvergenz von Wutbürgern mit äußerst diversen Motiven, aber einem gemeinsamen Hass auf die Staatsmacht und die „Eliten“? Laut einer Studie der Jean-Jaurès-Stiftung, die der Soziologe Antoine Bristelle auf dem Sender „Public-Sénat“ vorstellte, waren von den befragten Maskengegnern höchstens ein Fünftel in der Bewegung der Gelbwesten aktiv, auch wenn 60 Prozent von ihnen Sympathie für diese bekundet hatten.

Die Ansicht, dass die behördliche Vorschrift, Masken zu tragen oder im Fall von Infektionen oder Kontakten mit Infizierten eine Quarantäne zu respektieren, eine unerträgliche Freiheitsberaubung darstelle, stößt aber auch bei manchen „Gilets jaunes“ auf Gehör und Zustimmung. Maxime Nicolle, einer der früheren Exponenten der Bewegung, hat öffentlich Stellung gegen die Maskenpflicht bezogen. Umgekehrt könnte man vermuten, dass es Teil einer Kommunikationsstrategie ist, die Revolte und die Forderungen der Gelbwesten in den selben Topf mit „Komplottisten“ zu stecken, um sie so zu diskreditieren.

Hingegen machten die Demonstranten in Paris und in den Provinzstädten deutlich, dass in der Covid-Krise die finanziellen Probleme der Menschen mit geringem Einkommen größer sind denn je und der Zugang zu den sozialen Dienstleistungen noch wichtiger und zugleich schwieriger geworden ist. Auf Transparenten waren Forderungen nach erschwinglichen Mieten oder die Ablehnung einer Rentenreform mit einem vor allem für Frauen ungerechten Punktesystem zu lesen. Wie seit fast zwei Jahren riefen die Gelbwesten aber auch am Samstag nach einem Abgang von Präsident Emmanuel Macron.

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