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Analoge und digitale ImpfpässeEinladung zur Fälschung

Kommentar von Svenja Bergt

Bei der Übertragung der Impfung von analog zu digital muss nicht überprüft werden, ob tatsächlich geimpft worden ist. Fälschungen sind ganz leicht.

Welcher Impfstoff gespritzt wurde spielt keine Rolle für den Impfpass Foto: Dado Ruvic/reuters

I n der Pandemie gibt es immer mal wieder diese Wer-hätte-das-gedacht-Momente. Der jüngste: Wer hätte gedacht, dass die gelben Impfpässe samt Impfeintrag mal zu Hehlerware werden könnten? Tatsächlich werden mit einer Corona-Impfung ausgefüllte Impfpässe laut ARD-Recherchen bereits über Telegram-Gruppen vertrieben. 150 Euro das Stück, ab zwei Pässen mit verbraucherfreundlichem Mengenrabatt.

Man kann getrost davon ausgehen, dass sie spätestens dann weitere Verbreitung finden werden, wenn für geimpfte und nicht geimpfte Menschen in größerem Maßstab unterschiedliche Regeln gelten. Und wer selbst ein Bildbearbeitungsprogramm, einen Drucker und Stempelfarbe zu Hause hat, muss sich dafür nicht mal durch Telegram-Gruppen klicken.

Am Bundesgesundheitsministerium ist diese Entwicklung offenbar komplett vorbeigegangen. Das plant nämlich laut Welt am Sonntag eine erstaunliche Regelung, wenn es darum geht, die Impfung aus dem gelben Büchlein in den geplanten digitalen Impfpass zu übertragen. So sollen die ausstellungsberechtigten Ärz­t:in­nen oder Apotheken nicht verifizieren, ob die in dem gelben Impfpass verzeichnete Impfung tatsächlich stattgefunden hat.

Wer sich also jetzt eine leicht herzustellende Fälschung besorgt, kann die dann in einen digitalen Impfpass übertragen. Vermeintlich geprüft, mit Zertifikat versehen. Ist eine mit gefälschtem Impfpass ausgestattete Person infiziert, kann sie das Virus so ungehindert weitertragen. In kleinem Rahmen, etwa beim Friseur, oder in großem Rahmen, etwa auf einer Reise in ein Land, in dem die Menschen weniger gut geschützt sind als im reichen Deutschland.

Ist so etwas erst ein paar Mal passiert, könnte man es niemandem verübeln, wenn in Deutschland ausgestellte Impfnachweise international nicht mehr anerkannt werden. Dabei wäre die Lösung ganz einfach: Einen digitalen Impfpass darf für die jeweilige Person nur die impfende Stelle, also etwa Ärz­t:in oder Impfzentrum, ausstellen. Jemand also, der:­die anhand der ärztlichen Dokumentation nachvollziehen kann: Ja, diese Person wurde tatsächlich bei uns geimpft.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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19 Kommentare

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  • Die Digitalisierung von Gesundheitsdaten ist höchst selten eine gute Idee.



    Das Verfahren auf dem der digitale Impfpass beruht gilt zwar kryptographisch als sicher, jedoch nur unter der Prämisse, dass der private Schlüssel mit dem die Signatur erfolgt auch privat bleibt. Unterm Strich bedeutet das, dass der digitale Impfpass gerade mal so sicher ist wie die Praxis mit der am schlechtesten abgesicherten IT im Lande.

  • Wer mit einem gefälschten Impfpass in ärmere Länder reist, gefährdet sich auch selbst. Beatmungsgeräte sind in solchen Regionen eher Mangelware. Fern von den Metropolen sind die Krankenhäuser oft auch nicht mehr so dolle. Man muss schon ziemlich bescheuert sein um sowas zu machen.

  • Mit einer NoCovid-Strategie bräuchte man keine fälschungssicheren Impfpässe.

    Erst Viruszahlen flach halten (R

  • Impftempo statt umfassende Dokumentation bringt uns allen mehr als jetzt auf lückenlose Dokumentation oder gar Massen Antikörpertests zu setzen. Aufklärung sollte a) fokussieren, dass eine echte Impfung auch für jüngere Menschen echten Gesundheitsschutz bedeutet und b) Impfpassfälschungen (beide Seiten, Hersteller wie die Abnehmer) konsequent als Straftat geahndet werden. Das kann bis schwere Körperverletzung und Totschlag gehen, wenn Personen mit falschem Impfpass zum Spreader werden und andere dabei schwer oder tödlich erkranken. (Analog zur Rechtssprechung, wenn wissentliche HIV Positive gegenüber Sexualpartner:innen z.B. einen gefälschten HIV negativ Test vorlegen oder behaupten, um ungeschützten Sexualverkehr zu haben.)

    • @Nina Janovich:

      Hast schon Recht, allerdings kann man die Impfausweise ja kaum überprüfen, besonders, wenn die ausgehende Stelle (Impfzentrum) nicht mehr existiert.

  • Da wurde uns vor ein paar Jahren die neue volldigitale Gesundheitskarte mit Chip und Zugang zu allen gesundheitsrelevanten Informationen erst massiv beworben, danach aufgedrängt, trotzdem geht offensichtlich der Datenschutz so weit, dass bei jedem Facharzt, jeder Klinik, die man besucht, von Hand ein Anamnesebogen auszufüllen ist, wo u.a. nach Vorerkrankungen und eingenommenen Medikamenten gefragt wird.

    So gesehen wundert es nicht, wenn auch die Impfungen nur analog auf Papier erfasst werden, schließlich haben wir unterm Strich das weltweit teuerste Gesundheitssystem.

  • Wem juckt es, wenn 0,1% der Bevölkerung kriminelle Energie aufwenden und fälschen?

    Das ganze funktioniert trotzdem super.

    Soviel Misstrauen in den Bürger ist verstörend.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Natürlich wird es Betrug geben. Da man das weiß, kann man vorbeuten - theoretisch. Aber bei dieser Gurkentruppe......

  • Selbst Krankenkassen müssten doch diese Virifizierung machen können. Schließlich rechnen doch zumindest die Hausärzte ihre Impfleistung darüber ab.

    Das jemand eine Leistung bestetigt, ohne diese zu prüfen, ist immer ein unhaltbarer Umstand, passt aber zu der, zumindest tw., diletantischen Vorgehensweise der Verantwortlichen in dieser Krise.

    Es ist Wahljahr!

  • Als meine Mutter vor einigen Wochen geimpft wurde, könnte ich es nicht glauben, dass das mit einem Stempel oder Klebeschild vermerkt wurde. Damals habe ich schon gedacht, dass das ja jeder machen kann. Jetzt haben wir den Salat. Ich bin Mal gespannt, wie das gelöst werden kann. Eine einfache Antwort habe ich nicht, denn Antikörpertests sind ja nicht 100% zuverlässig. Vielleicht noch über die Krankenversicherung, wenn das darüber abgerechnet wurde. Keine Ahnung...

    • @Surfbosi:

      Was hatten Sie denn gedacht, wie eine Impfung im WHO-Impfausweis dokumentiert wird? Sie scheinen keinen zu besitzen.

      • @Ber.lin.er:

        WHO Impfausweis:

        Ich habe einen auf DIN A4 ausgedrucktes mit Ausschneidelinien und dem Vermerk:



        "Zum Einlegen in den Impfausweis" versehens Blatt Papier bekommen.



        Darauf sind, wie beim Impfen auch sonst üblich, die Chargenaufkleber der jeweiligen Ampulle aufgeklebt.

        Ich habe gehört, diese Aufklberdaten könne man aber auch im Internet beim Hersteller anfordern und sich auf entsprechende ebenfalls (andernorts) als Formformular erhältliche Aufkleber ausdrucken.



        Also sogar Originale.



        ........

        Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte (mit den Originalen) ist es doch ein leichtes solche Fakenummern selbst herzustellen.

        Der Einwand von Danny Schneider weiter unten ist durchaus zutreffend.

        Und ich frage mich ob denn nun Verkäuferinnen, Kellnerinnen und Polizistinnen vor Ort rechtssicher überprüfen sollen (und dürfen!, zumindest bei den ersten beiden Gruppen) ob Impfungen vorgenommen wurden oder nicht?

      • @Ber.lin.er:

        Bisher war es aber so, das es in Ihrem Interesse ist, das der Ausweis richtig ist (um z.B. im Notfall Medizin zu bekommen die keine Probleme mit den erhaltenen Impfungen macht). Merkmale zur Fälschungssicherheit hat der nicht.

        Der Ausweis war halt nie für die andere Richtung gedacht: als rechtssicherer Nachweis das Sie eine Impfung haben. Daher funktioniert der Ausweis hier auch gar nicht. Das aber ignorieren aber die zu meist studierte Führungselite! Würde man aber mit 5 Minuten denken drauf kommen...

        • @danny schneider:

          Natürlich musste das auch schon immer als Nachweis dienen, z.B. für Gelbfieber- oder Tollwut-Impfungen in Ländern, in denen das bei der Einreise geprüft wird. Und bisher hat das auch immer funktioniert.

  • Warum werden keine Antikörpertests gemacht? Letztendlich geht es doch nicht um die Impfung, sondern um die Immunität. Wie lange die anhält ist unbekannt und individuell unterschiedlich. Gerade bei Genesenen ist sie teilweise sehr schwach ausgeprägt.



    Man könnte mit Impfpass oder Quarantäne-Anordnung zum kostenfreien Antikörpertest gehen. Dann gibts das Zertifikat digital oder analog



    für 3 Monate. Danach zur Verlängerung neuer Test.



    Damit hätte man auch gleich ein immunitätsmonitoring etabliert - auch zum Nutzen der Bürger, die dann wissen, wenns Zeit für eine Auffrischung ist.



    Aber es denkt ja niemand mehr Konzepte zu Ende. Die Schlagzeile "Öffnung für Geimpfte" musste her - noch bevor man eine Idee hatte, was und wie man dieses macben könnte. Erbärmlich.

  • Äh, die Impfzentren wird es aber nicht ewig geben und Impfungen werden nicht zentral erfasst.

    Das war beim Beginn der Impfkampagne ein großes Thema, der gesamte Medizinbereich hat verlangt, dass bei Impfungen die Krankenkassenkarte eingelesen wird, auch weil man dann bei späteren Krankenhauseinlieferungen und Krankheitsdiagnosen von Geimpften sofort hätte feststellen können, wann sie womit geimpft wurden, so dass man eventuelle Impffolgen sofort zuordnen könnte. Forschung zu bei Geimpften auffallend gehäuft auftretende Krankheiten wären damit erheblich vereinfacht worden.

    Das ist aber (soviel ich weiß) aus Datenschutzgründen letztlich abgeschmettert worden. Der kinderleicht zu fälschende Impfpass bzw. das lose Blatt zum dazuheften ist damit der einzige Impfnachweis.

    Und klar, wenn man sich ansieht, wie oft Maskengegner jetzt schon mit irgendwelchen dubiosen Attesten wedeln, wird jeder Impfgegner dann auch einen Impfpass haben, ob er geimpft wurde oder nicht. Wenn jetzt noch Geimpfte "mehr Freiheiten" haben werden, kann man sich sehr leicht vorstellen, wie das enden wird.

    Vielleicht sollte man noch ganz schnell einen Impfpass-Plus einführen, den es nur nach einem entsprechenden Antikörpertest gibt, der nachweist, dass man tatsächlich positiv immun ist (durch Impfung oder durchgemachte Infektion)... Kriegen wir dann nächstes Jahr.

    • @Mustardman:

      Hat Recht. Geht wohl nicht ohne einen Antikörpertest. Toll, da kann sich die Laborindustrie freuen. Blöd ist natürlich, wenn man geimpft wurde und der Test nicht anschlägt. Wie ist das dann noch Mal mit den Freiheitsrechten?



      Noch ein Update: In meinem tollen Bundesland (Saarland) kann man schon mit einem gefälschten Papierstück die Schnelltests umgehen. Aber wir haben eben einen besonderen MP, der weiß schon, was er macht

    • @Mustardman:

      "Das ist aber (soviel ich weiß) aus Datenschutzgründen letztlich abgeschmettert worden."

      ??? wie soll man das Begründen? Alle anderen Impfungen, Behandlungen, Arztbesuche bekommt die KraKa ja auch mit. Und mir ist Datenschutz zwar wichtig. aber ob ich geimpft bin oder nicht, können die von mir aus direkt dem RKI melden. Was auch sinnvoll wäre. Die Daten bei 100erten KraKa zu lagern ist ja in der Praxis auch nicht so gut - wo fragt man dann an als Behörde?

      • @danny schneider:

        nur ein kleiner Einwand:

        Was ist mit den Privatpatienten?

        So einezentrale Eintragungspflicht wäre nur gesetzlich regelbar durch eine Meldepflicht.



        So wa gibt es bei anderen Krankheiten ja auch.



        Und zwar immer nur bei ausreichender Begründung.



        Die hätte man ja hier ohne weiteres.