Interessenkonflikte von Politikern: Der Bock ist immer der Gärtner
Wir statten unsere VolksvertreterInnen mit Vollzeitstelle plus Bahncard 100 aus. Trotzdem dürfen sie Nebenjobs annehmen. Muss das immer gutgehen?
M eine Tochter lässt sich neben mir aufs Sofa fallen. „Worum geht´s da?“, fragt sie mit Blick auf den Fernseher, wo „heute“ läuft: Der Maskenskandal im Bundestag. „Abgeordnete sollen Geld dafür bekommen haben, dass sie zwischen Behörden und Firmen vermittelt haben, die Coronamasken herstellen“, sage ich. „Und? Ist das strafbar?“, fragt meine Tochter. „Das weiß man noch nicht“, sage ich. „Man redet von Korruption, aber noch ist nichts klar.“
Mit Gaunern und Verbrechern kennt die 19-Jährige sich aus. Sie macht gerade ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft und verbringt ihre Tage im Gerichtssaal mit Räubern, Mördern und Vergewaltigern. Die Fälle sind strafrechtlich ziemlich klar, die moralischen Fragen manchmal komplizierter. Bei den „Raffke-Abgeordneten“ ist es umgekehrt: Die moralische Empörung ist groß. Juristisch ist die Sache oft schwierig. Nicht jede Form der Korruption ist strafbar.
Wir lassen unseren VolksvertreterInnen in diesem Bereich erstaunlich viel durchgehen: Sie bekommen von uns eine Vollzeitstelle plus Bahncard 100 und dürfen trotzdem Nebenjobs annehmen und ihren Bauernhof oder ihre Anwaltskanzlei weiterführen.
Keiner fragt, wie viel Zeit sie eigentlich genau dem deutschen Volke widmen und wie viel ihrer Privat-Karriere. Dabei machen die meisten einen guten Job. Sie arbeiten rund um die Uhr, hetzen von Termin zu Termin und verbringen die Wochenenden auf einem zugigen Marktplatz, wo sie sich als „Volksverräter“ beschimpfen lassen müssen.
Interessenkonflikt? Nie gehört
Aber erstaunlich ist es schon, wie gleichmütig wir ihre alltäglichen Interessenkonflikte (um hier mal das K-Wort zu vermeiden) hinnehmen. Die zeigen sich vor allem beim Retten und Nichtretten der Welt: Wenn der Agrarausschuss des Bundestags mit einem Drittel Bauern besetzt ist, die über die Zahlungen an Bauern abstimmen. Wenn im Untersuchungsausschuss zum Dieselskandal viele Abgeordneten aus Landkreisen mit Autowerken kommen, die die heimischen Jobs und Steuereinnahmen sichern. Wenn über die Zukunft der Kohle Abgeordnete bestimmen, bei denen zu Hause Kraftwerke und Kohlegruben stehen und über die Förderung von Solarkraft und Biogas, wenn sich ihre Nachbarn damit ihr Einkommen sichern. Wenn ein Ex-Kanzler zum russischen Gas-Lobbyisten und ein Ex-Ministerpräsident und Co-Chef der Kohlekommission zum Kohlemanager wird. Wenn Gesetze in letzter Minute so geändert werden, dass die eigene Klientel davon auf Steuerkosten profitiert. Wenn es eher die Regel als die Ausnahme ist, dass der Bock zum Gärtner wird. Alles legal.
Erstaunlich viele Abgeordnete sind übrigens auch Mitglieder bei Umweltverbänden, Amnesty International oder anderen Weltrettern. Dass diese Lobby der Öko-Diktatoren skrupellos Blühstreifen, Radwege und Effizienzhäuser durchsetzt, passiert aber eher selten. Vielleicht liegt es ja daran: 2019 betrugen die Budgets von Greenpeace, WWF, Nabu und BUND zusammen 266 Millionen Euro. Nur fürs Marketing gab dagegen allein VW 265 Millionen aus.
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