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Bei Regierungsbeteiligung im BundKretschmann will Strompreise senken

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident dringt auf niedrigere Strompreise nach der Bundestagswahl. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz nennt er „überkomplex“.

Möchte niedrigere Stompreise umsetzen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Foto: Arnulf Hettrich/imago

Stuttgart dpa | Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat für den Fall einer grünen Regierungsbeteiligung im Bund eine deutliche Senkung der hohen Strompreise angekündigt. „Wir werden sicher, wenn wir die Bundestagswahl gewinnen sollten, Modelle entwickeln, um die Strompreise weiter relevant zu senken“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur dpa in Stuttgart. „Da immer mehr elektrifiziert wird und immer mehr aus regenerativen Energien kommt, ist es unsinnig, ausgerechnet den Strompreis mit so hohen Abgaben zu belegen, wie wir sie heute haben. Das muss sich grundlegend ändern.“

Kretschmann nannte zwei Stellschrauben: „Wir sollten beispielsweise die Stromsteuer abschaffen.“ Der Ausfall von sechs bis sieben Milliarden Euro müsse gegenfinanziert werden, etwa durch eine Anpassung des CO2-Preises. Die Stromsteuer wird in der Regel beim Energieversorger erhoben, der sie dann an den Verbraucher weitergeben kann.

Der Grünen-Politiker sagte zudem, auch die EEG-Umlage müsse weiter gesenkt werden. Die Umlage zur Förderung des Ökostroms zahlen Verbraucher mit der Stromrechnung. Sie liegt bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde. Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden pro Jahr zahlt derzeit rund 260 Euro.

Zehn Jahre nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und der beschleunigten Energiewende in Deutschland erklärte der einzige grüne Ministerpräsident, der Umstieg sei „in der Tat auch teuer, und hat über die EEG-Umlage auch die Strompreise erhöht“. Man sei jetzt aber dabei, die Strompreise wieder zu senken. „Ich erinnere an die beschlossene CO2-Bepreisung. Ein guter Teil aus den Einnahmen geht in die Stabilisierung und dann auch in die Absenkung der Strompreise. Da ist aber noch mehr drin.“ Verkäufer der fossilen Brennstoffe Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel müssen seit Anfang 2021 einen CO2-Preis zahlen. Es wird damit gerechnet, dass einige Unternehmen ihre zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weiterreichen.

Produktion von Windenergie billiger als Atomstrom

Kretschmann erklärte, das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei über die Jahre „überkomplex“ geworden. „Jetzt ist es so, dass wenn die Strompreise an der Börse sinken, dann erhöht sich die Umlage, das ist natürlich eine unsinnige Konstruktion.“ Davon müsse man wegkommen – „ohne allerdings den Ausbau der Erneuerbaren einzubremsen und den Vorrang der Einspeisung regenerativer Energien ins Stromnetz aufzugeben“. Die Produktion von Windenergie sei inzwischen billiger als Kohlestrom oder Atomstrom aus neuen Kraftwerken.

Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass der Super-GAU von Fukushima am 11. März 2011 ein „tiefer Schock“ gewesen sei. „Der Ausstieg ist aufgrund einer Risikolage erfolgt und nicht aus ökonomischen Überlegungen. Das darf man nicht vergessen.“ Die hohen Strompreise hätten auch zu einem „Effizienzschub“ geführt. „Das sehen Sie beispielsweise bei unseren Kühlschränken. Die Industrie wurde auf Effizienz getrimmt.“ Es sei zwar richtig, dass zum Beispiel die USA deutlich niedrigere Strompreise im Haushaltsbereich haben. „Aber sie verbrauchen im Durchschnitt dreimal so viel wie ein deutscher Haushalt.“ Die Amerikaner hätten es wegen des günstigen Stroms verpasst, Effizienzstrategien anzugehen.

Kretschmann war kurz nach dem Atomunglück in Japan Ministerpräsident in Baden-Württemberg geworden – am kommenden Sonntag tritt der 72-Jährige erneut als Grünen-Spitzenkandidat an und hat laut Umfragen gute Chancen zu gewinnen. Damals löste er den CDU-Mann Stefan Mappus ab, der sich vor dem Unglück in Fukushima noch vehement für eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Meiler eingesetzt hatte.

„Bei der Kanzlerin hat man das am deutlichsten gemerkt: Tschernobyl hat sie dem Dilettantismus im Umgang mit Technik im Kommunismus zugeordnet.“ Nach Fukushima habe sie dann das Ruder herumgerissen und den Atomausstieg eingeleitet. „Da hat man an ihr die Naturwissenschaftlerin gemerkt.“

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10 Kommentare

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  • Eine typische Grüne Wahlkampfblase !!



    Nach der Bundestagswahl ( man wird die Grünen leider nicht verhindern können ) wird es ein neues Förderprogramm für Erneuerbare Energie geben ( wieder im Gießkannenprinzip ) es wird wieder gefördert was geht, und der Otto Normalverbraucher bezahlt dann die Rendite für diese Unternehmer mit NOCH HÖHEREN Strompreisen.

  • "Kretschmann erklärte, das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei über die Jahre „überkomplex“ geworden. „Jetzt ist es so, dass wenn die Strompreise an der Börse sinken, dann erhöht sich die Umlage, das ist natürlich eine unsinnige Konstruktion.“

    Das war schon immer so, da die Umlage die Differenz zwischen Börsenpreis und Garantiepreis ausgleicht. Es war früher nur weniger spürbar, da weniger Wind und PV (das Problem besteht vor allem bei PV, bei Wind ist das Vermarktungsmodell anders) installiert war und deshalb weniger ausgeglichen werden musste. Das war auch gewollt, um so schnell wie möglich installierte Leistung zu gewinnen.

  • Das zentrale Problem bei der Steuerung von Verbrauch von limitierten Ressourcen (Wasser, Boden, Wald) oder Probleme verursachender Stoffe (CO2) über den Preis: Lässt man den Preis niedrig, trifft man nicht die Masse, die notwendige Steuerung des Verbrauchs bleibt aus.



    Erhöht man die Preise (signifikant) trifft man die Masse, die Steuerungswirkung tritt ein. Die (verhassten?) obersten 5% interessiert die Erhöhung nicht.

    Da bleiben nur Verbote oder Zuteilungskarten. Pro Kopf eines Haushalts x qm Wasser. Pro Kopf x kWh Strom. Pro Kopf x l Diesel/Super. Danach wird abgeschaltet.



    Optional: Bonus-/Maluspunkte für Verhalten, Haltung, Funktionärsfunktion oder Meldung von Problemen mit Verhalten/Haltung.

    • @xf01213:

      Verbote, Zuteilungen, Social Credits für Verhalten, Haltung, Funktionäre, Denunziantentum...

      Gab es als bestimmende Merkmale von Gesellschaften schon mehrfach - und ist aus guten Gründen immer gescheitert.



      Und würde es auch wieder, selbst wenn versucht würde das Ganze durch Ökologie zu legitimieren.

      Wir sind nun mal Individuen - und zumeist sehr freiheitsliebende. Und das ist gut so.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @xf01213:

      Ja, durch ein solches System, jeder kann sagen wir mal zu Anfang 8 Tonnen CO2 im Jahr produzieren, ließe sich was erreichen. Dann muss man für die Fernreise CO2 Kontingente von Leuten dazu kaufen, die sparsam leben, wollen oder müssen.



      Man könnte auch Kredite bei der Bank für CO2 Sanierung etc bekommen, da bin ich mir sicher.



      Alexander Gerst wäre natürlich raus aus dem System.

    • @xf01213:

      Optional also die Einführung von Social Credits wie in China? Mit einer Belohnung von Denunziantentum ausgerechnet in Deutschland wäre ich ja sehr vorsichtig. Das Hauptproblem von Geringverdienern ist doch, dass sie gar nicht mehr den Verbrauch weiter steuern können. Der Hartz4 Empfänger zieht eher seltener in das Passivhaus mit Solaranlage auf dem Dach oder heizt mit Geothermie. Die Menschen bräuchten auch erschwingliche Alternativen um den eigenen Verbrauch überhaupt weiter reduzieren zun können.

  • Bin ja beunruhigt, dass Kretschmann nicht die Verlängerung von AKW Laufzeiten gefordert hat...😉



    Beim Verbrennungsmotor hat er es ja.

    • @Senza Parole:

      Sollte natürlich heißen: Bin ja beruhigt....

  • >Es wird damit gerechnet, dass einige Unternehmen ihre zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weiterreichen.

    Einige? Alle. So funktioniert Wirtschaft.

    • @John Farson:

      Nöö - nicht zwingend.



      Die meisten Unternehmen wälzen die Kosten gleich auf die Allgemeinheit ab ...z.B. durch Absetzen von der Steuer.