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Foto: Il­lus­tra­ti­on: Jeong Hwa Min

Gesetz gegen MissbrauchWas schützt die Kinder?

Mit einem neuen Gesetz soll Kindesmissbrauch härter bestraft werden. Viele fordern das. Trotzdem wird der Entwurf scharf kritisiert.

E s ist ein normaler Nachmittag im Hort einer Grundschule in Berlin. Die Kinder der Jahrgangsstufen 5 und 6 zeigen sich gegenseitig etwas auf dem Smartphone. Nachdem ein Junge, nennen wir ihn Ben, sein Handy gezückt hat, wirken die Kinder nervös. Am Ende des Nachmittags vertraut sich ein Schüler im Flüsterton der Erzieherin an. Ben habe eklige Videos auf dem Handy, die habe ihm der Lebensgefährte seiner Mutter geschickt. Die Erzieherin, die sich auch in anderer Hinsicht Sorgen um Ben macht, ist geschult im Umgang mit Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Sie ruft bei einer Fachberatung an, die mit der Schule kooperiert.

Auf deren Rat hin dokumentiert sie die Situation und das Gespräch mit dem Mitschüler, zunächst ohne Namen zu nennen, und kontaktiert das Jugendamt. Dieses kontaktiert Bens Mutter. Sie erstattet Anzeige gegen ihren Lebensgefährten, weil er ihrem Sohn Pornos gezeigt hat.

Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen stellt sich heraus, dass der Mann schon mehrfach wegen des Besitzes von Kinderpornografie vor Gericht stand, aber immer mit Geldstrafen davon kam. Auch hatte er mehrfach Kinder in ähnlicher Weise missbraucht, wie er es mit Ben machte, das kam aber erst im Zuge des Gerichtsverfahrens heraus. Dass er in diesem Fall endlich gestellt wurde, ist einer Mischung aus Zufall und der Aufmerksamkeit der PädagogInnen in Bens Schule zu verdanken. Und der konsequenten Haltung von Bens Mutter, die ihren Lebensgefährten angezeigt hat.

Der Lebensgefährte von Bens Mutter ist geständig, er bekommt per Post einen Strafbefehl zugestellt, er muss für ein paar Monate ins Gefängnis und eine Geldstrafe zahlen. Einige Zeit später werden wieder ähnliche Bilder bei ihm gefunden – diesmal ist auch Ben darauf zu sehen.

„Mit leichter bis mittelschwerer Kinderpornografie können Täter zehn- bis zwölfmal vor Gericht landen, ohne dass sie auch nur einen Eintrag ins Führungszeugnis davontragen – oder persönlich vor Gericht erscheinen müssen“, sagt Angelika Oetken, die den Fall von Ben gerade am Telefon geschildert hat. „Typen wie der Lebensgefährte von Bens Mutter kamen in der Vergangenheit zu billig davon – ich bin froh, dass sich das bald ändert.“

Ben und den Mann, der ihn missbrauchte, gibt es wirklich, nur heißen sie anders. Oetken hat den Fall auch etwas verfremdet, um keine Rückschlüsse auf echte Personen zuzulassen. Die 56-Jährige, die als Ergotherapeutin arbeitet, engagiert sich ehrenamtlich als Betroffene beim Fonds Sexueller Missbrauch. Dort berät sie als Mitglied des Betroffenenbeirates das Familienministerium und die Geschäftsstelle. Als Mitglied eines Gremiums Clearingstelle berät sie über komplexe und schwierig zu entscheidende Anträge. Außerdem ist sie aktiv in einem Netzwerk von Betroffenen, die sich dafür einsetzen, dass sexuelle Gewalt gegen Minderjährige nicht länger als Bagatelldelikt angesehen wird. Als Vergehen, also eine minderschwere Straftat, die strafrechtlich auf der gleichen Stufe rangiert wie Diebstahl oder Unterschlagung.

Wenn der Diebstahl eines Autos härter bestraft wird als der Missbrauch an einem Kind, dann läuft etwas gewaltig schief in unserer Gesellschaft, findet Angelika Oetken. Und damit ist sie nicht allein.

Sexuelle Gewalt ächten

In den letzten Jahren wurden die Gesetze gegen Kindesmissbrauch mehrfach verschärft: 2015 dehnte der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) die Strafbarkeit auf FKK-Bilder von Kindern aus und stellte den Versuch der Kontaktanbahnung im Internet unter Strafe. Seine Amtsnachfolgerin Christine Lambrecht (SPD) hat nun ein neues Gesetzespaket auf den Weg gebracht. Der Entwurf sieht vor, dass künftig in Gesetzestexten nicht mehr von sexuellem Missbrauch die Rede sein soll, sondern von sexualisierter Gewalt. Damit soll signalisiert werden, dass der Gesetzgeber alle sexuellen Handlungen an Kindern als Gewalt ächtet.

Außerdem soll der Strafrahmen bei Missbrauch (§ 176 StGB) und Kinderpornografie (§ 184b StGB) deutlich erhöht werden – alle unter diesen Paragrafen gefassten Taten gelten künftig als Verbrechen und werden mit nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet. Für sexuellen Missbrauch können bislang bis zu 10 Jahre verhängt werden, in Zukunft wären es dann bis zu 15 Jahre. Für Besitz und Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen erhöht sich der Strafrahmen auf bis zu 5 Jahre. Wenn jemand gewerbsmäßig und in großem Stil mit Missbrauchsdarstellungen handelt, sind sogar bis zu 15 Jahre Gefängnis vorgesehen.

Nach dem neuen Gesetz würde der Lebensgefährte von Bens Mutter zu mindestens einem Jahr verurteilt und wäre vorbestraft – auch schon beim ersten Mal. Der Grund für die Verurteilung wäre in seinem Führungszeugnis vermerkt, er dürfte dann nicht mehr beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern zu tun haben. „Wer einmal erwischt wird, wird auch verurteilt“, fasst Angelika Oetken die neue Lage zusammen. Sie begrüßt deshalb die Gesetzesverschärfung – „es wird Zeit, dass sich das Strafrecht an unsere Realität anpasst“, sagt sie.

Als kleines Mädchen wurde Angelika Oetken selbst von einem Freund der Eltern missbraucht. Bis ins Erwachsenenleben schwieg sie darüber. Gut so, wie sie heute findet. Damals, ist sie überzeugt, hätte eine Anzeige ihr Leben zerstört. „Man hätte mich in ein Kinderheim gesteckt – als beschädigtes, ‚nymphomanisches Mädchen‘ stigmatisiert wäre ich als Gefahr für andere angesehen worden. So war damals die Realität.“

Das ist heute anders. Vor Gericht, im Jugendamt oder bei der Polizei bringt man Kindern, die von sexueller Gewalt betroffen sind, mehr Sensibilität entgegen. In den vergangenen Jahrzehnten ist auch das Hilfesystem gewachsen – je früher die Taten entdeckt und geahndet werden, desto besser kann einem Kind geholfen werden.

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Die Realität heute, das sind aber auch: Mehr als 13.000 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, die 2019 den Ermittlungsbehörden gemeldet wurden – durchschnittlich mehr als 35 Fälle pro Tag. Dazu mehr als 1.000 Fälle sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und Jugendlichen und mehr als 12.000 angezeigte Fälle von Abbildungen sexueller Gewalt an Kindern, sogenannte Kinderpornografie. Und das sind nur die bekannten Zahlen. Das Dunkelfeld schätzen Fachleute um ein Vielfaches größer.

Angesichts der vielen Fälle ist es nur folgerichtig, dass der Gesetzgeber aktiv wird, um sexuelle Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen. Dennoch gibt es JuristInnen, die vor dem neuen Gesetz warnen, und TherapeutInnen, die ihre Arbeit dadurch bedroht sehen. Selbst BetroffenenvertreterInnen äußern Kritik. Woher kommt dieser Widerstand gegen die Gesetzesverschärfungen, wenn doch die Zahlen der Polizei so alarmierend sind?

Dass sexuelle Übergriffe gegen Kinder ein Massenphänomen sind, das in sämtlichen Gesellschaftsbereichen vorkommt, ist spätestens seit dem Jahr 2010 bekannt. Damals erschütterten zahlreiche Fälle etwa am katholischen Canisius-Kolleg oder an der reformpädagogischen Odenwaldschule die Öffentlichkeit.

Die Politik unter Zugzwang

Die jüngste Strafrechtsverschärfung entstand auch unter dem Eindruck besonders drastischer Missbrauchsfälle der letzten Jahre. Auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde wurden zwischen 2008 und 2018 mehr als 40 Kinder von mehreren Männern missbraucht und dabei gefilmt. Einer der Haupttäter war der Pflegevater eines betroffenen Mädchens. 2019 wurde in Bergisch-Gladbach das größte bisher bekannte Pädosexuellen-Netzwerk ausgehoben, mit mehreren Zehntausenden Tatverdächtigen, die Unmengen brutaler Missbrauchsabbildungen von Kleinkindern im Internet getauscht hatten. 2020 wurde in Münster knapp ein Dutzend Männer beschuldigt, schweren Missbrauch an eigenen und Stiefkindern begangen und die Taten gefilmt zu haben. Als Haupttatort gilt eine Gartenlaube, die der Mutter eines der Täter gehört.

Die öffentliche Empörung über derlei Taten und der Eindruck, dass die Strafverfolgungsbehörden ihnen nur sehr ungenügend begegnen können, setzte die Politik unter Zugzwang. Etwas sollte, ja musste geschehen. Justizministerin Christine Lambrecht hatte sich noch nach dem Fall in Münster deutlich gegen Strafverschärfungen ausgesprochen, da sie den geltenden Strafrahmen für ausreichend hielt. Doch der konservative Koalitionspartner machte Druck: Besonders Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), in dessen Bundesland alle drei Skandale ihren Ursprung hatten, forderte ein härteres strafrechtliches Vorgehen, er wollte ein Signal senden, dass der Staat gegen Missbrauchstäter entschlossen auftritt.

Lambrecht schwenkte um und arbeitete ein umfangreiches Gesetz zur „Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ aus, das im Oktober 2020 vom Kabinett beschlossen wurde. Mit der Härte des Gesetzes gegen Kinderschänder, eine sichere Sache, sollte man meinen.

Doch es kam anders: Bei der routinemäßigen Anhörung von Sachverständigen im Dezember im Bundestag zerpflückten die geladenen StrafrechtsexpertInnen den Gesetzentwurf gründlich: Der Begriff der „sexualisierten Gewalt“ sei nicht hilfreich, er verneble den Unterschied zwischen Handlungen mit und ohne Anwendung von körperlicher Gewalt – und relativiere so besonders brutale Taten. Die unterschiedslose Hochstufung zum Verbrechen sei bei minderschweren Fällen unverhältnismäßig – dabei sei die Abschreckungswirkung durch höhere Strafen nicht einmal bewiesen. Außerdem drohe eine Überlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Sogar von einer „Kriminalpolitik nach den Vorgaben der Boulevardpresse“ war die Rede.

So massiv war die Kritik, dass das Vorhaben seit Dezember auf Eis liegt. Seitdem streiten sich die Koalitionspartner darüber, die CDU will an den höheren Strafen festhalten, während der SPD viel an der Begriffsänderung liegt.

Zu den Kritikern des neuen Entwurfs gehört, ausgerechnet, der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. „Die Reform hat viele gute Punkte, legt Ermittlern, Richtern und Staatsanwälten aber einige veritable Probleme auf den Tisch“, sagt Johannes-Wilhelm Rörig. Der Jurist begrüßt zwar, dass auch Taten wie das Befummeln von Geschlechtsteilen künftig ein Verbrechen sein sollen, warnt aber vor Unverhältnismäßigkeit. So gelte künftig auch der Zungenkuss eines 21-Jährigen mit einer fast 14-Jährigen als Verbrechen.

Für besonders problematisch hält Rörig, dass künftig alles vor Gericht verhandelt werden muss – die bisherige Lösung, einen geständigen Angeklagten in einem minderschweren Fall per Strafbefehl abzuurteilen, beschleunigt Verfahren und erspart dem Opfer eine Aussage vor Gericht. Bei Verbrechen ist der Einsatz von Strafbefehlen dagegen nicht möglich und die öffent­liche Verhandlung zwingend. Rörig fürchtet, dass das gut gemeinte Gesetz gerade für die Betroffenen einen Rückschritt bringt, da ihnen nun lange, quälende Verfahren drohten – und Staatsanwälte unter der vermehrten Arbeitsbelastung wohl so manchen komplizierten Fall eher zu den Akten legen könnten.

Gerhard Senf hat da noch eine entschiedenere Meinung. Er erklärt am Telefon ganz unverblümt, was er von dem Gesetzentwurf hält: „Das ist verlogener, populistischer Mist.“ Der 70-Jährige ist Sexualtherapeut und arbeitet in seiner Saarbrücker Praxis seit mehr als 30 Jahren mit Sexualstraftätern: Vergewaltigern, Inzesttätern, Pädophilen bis hin zu Serientätern mit sadistischer Gewaltneigung. Die meisten von ihnen sitzen noch im Gefängnis, wenn Senf zu ihnen Kontakt aufnimmt. Nach ihrer Entlassung bekommen sie bei ihm Psychotherapie im Rahmen ihrer Bewährungsauflagen.

Schaden für die Gesellschaft und den Täter minimieren und beim Patienten eine moralische Entwicklung herbeiführen, so beschreibt der Therapeut, der sein Handwerk bei der Familienberatungsstelle pro familia gelernt hat, seinen Ansatz. Über viele Jahre begleitet Senf seine Patienten durch ihren Alltag. Senf will die Täter verstehen, er glaubt an ihre Resozialisierung. Und daran, dass auch Menschen, die Kinder missbrauchen, eine Würde und Rechte haben. Der Erfolg seines Ansatzes ist unbestritten, die Rückfallquote seiner Patienten liegt bei sensationellen 20 Prozent, im Bundesdurchschnitt werden 80 Prozent rückfällig.

Doch Senf beklagt, dass seine Methode am Aussterben sei, es fehle an Nachwuchs. Zum einen, weil Einfühlung in die Psyche von Sexualstraftätern nicht gerade jeder oder jedem gegeben sei. Aber auch, weil die Arbeit immer mehr erschwert werde: Die therapeutische Betreuung in den Gefängnissen sei absolut ungenügend, es werde wenig Wert darauf gelegt. „Hauptsache im Knast“ beschreibt er die Einstellung vieler RichterInnen. Sexualstraftäter, die eigentlich eine engmaschige Betreuung bräuchten, würden schon mal im Maßregelvollzug „vergessen“. Ständig, so der Therapeut, müsse er sich um Erstattung seiner Fahrtkosten streiten und um die Finanzierung von Therapien, die der Staat zwar anordne, für die er aber nicht aufkomme. Dadurch seien er und seine Kollegen zu ehrenamtlicher Arbeit gezwungen – oder zur Abwälzung der Kosten auf die Krankenkassen durch eine zusammengeschusterte Krankheitsdiagnose.

Im Zweifel für den Angeklagten?

Besonders ärgert sich der Sexualtherapeut über die Strafverschärfungen bei Missbrauchsabbildungen im neuen Gesetz. Ein falsches Bild auf dem Computer – ein Jahr Knast? „Das ist, wie wenn Sie eine Mücke an der Wand mit einem Vorschlaghammer erschlagen – dann ist hinterher in der Wand ein Riesenloch“, schnaubt er. Fast alle Männer zwischen 14 und 80 Jahren guckten Pornos – und der Unterschied zwischen dem rasierten Geschlechtsteil einer 13-Jährigen und einer 18-Jährigen sei nicht offensichtlich.

„Im Zweifel für den Angeklagten? Das gilt jetzt nicht mehr.“ Senf sieht eine Überflutung der Gerichte durch Bagatellfälle kommen. „Abertausende sogenannte Täter – und wir Therapeuten sollen dann die echten erwischen!“

Während der Sexualtherapeut im Gesetzentwurf nur billige Law-and-rder-Symbolpolitik sieht, begrüßt Katja Ravat das deutliche Signal an die Täter. Die 44-jährige Strafrechtsanwältin vertritt in ihrer Freiburger Kanzlei seit 16 Jahren Betroffene von sexueller Gewalt – unter anderem den Jungen aus Staufen, der von seiner Mutter und deren Lebensgefährten gewerbsmäßig im Internet zur Vergewaltigung „angeboten“ wurde. Nebenbei ist sie ehrenamtlich tätig in der Geschädigtenbetreuung des Weißen Rings Breisgau.

Das erzieherische Moment

Ravat begrüßt die Heraufstufung zum Verbrechen. „In der Vergangenheit wurde der Strafrahmen oft eben nicht voll ausgeschöpft, viele Täter kamen zu billig davon. Wenn es künftig um Verbrechen geht, wird sich auch in der Justiz eine andere Sichtweise auf Missbrauchsdelikte durchsetzen“, hofft sie. Gerade bei Besitz und Verbreitung von Missbrauchsabbildungen habe sie viele Bewährungsstrafen gesehen und viele Geldzahlungen – „diese führen aber nicht zu einer Verhaltensänderung, dieselben Täter kommen immer wieder“.

Die Anwältin hofft auf das erzieherische Moment der Strafverschärfung; mit einer Verurteilung werde auch deutlich, dass der Täter sich Hilfe holen müsse. Das Bagatellargument hält sie für ungültig. „Ich glaube nicht an Ausrutscher. Jeder Täter fängt irgendwo an, besser man schreitet schon frühzeitig ein.“ Außerdem werde es auch nach dem neuen Gesetz die Möglichkeit geben, Kleinigkeiten milder zu beurteilen.

Tatsächlich gibt es auch in den neuen Paragrafen 176a und 176b weiterhin Taten, die als Vergehen definiert werden. Wenn Kind und Täter in Alter und Entwicklungsstand ähnlich sind und die sexuelle Handlung einvernehmlich geschieht, kann von einer Strafe sogar ganz abgesehen werden. Der vielzitierte Zungenkuss mit einer 13-Jährigen kann also straffrei bleiben.

Dass viele ihrer KollegInnen den Wegfall des Strafbefehls so schlimm finden, kann Katja Ravat nicht verstehen. „Von vielen Betroffenen wurde der Strafbefehl als lauwarme Lösung empfunden. Der Täter musste ja weder ausdrücklich noch öffentlich einräumen, was er getan hat. Er bekam lediglich Post nach Hause – und konnte seine Verurteilung so nach außen hin verbergen.“ Ravat glaubt, dass es den Betroffenen mehr Genugtuung bringe, wenn Tätern künftig die Hauptverhandlung nicht mehr erspart bleibe. Und Opfer müssten auch künftig nicht in jedem Fall aussagen – nur wenn der Täter nicht geständig sei. Allerdings, das räumt auch sie ein, werde das künftig wesentlich öfter passieren. In Ermangelung eines lohnenden „Deals“ würden Anwälte den Beschuldigten eher raten zu schweigen und konfrontativer verhandeln, wodurch sich Verfahren erheblich in die Länge ziehen könnten.

Das Problem, dass es bis zu einer Prozesseröffnung ein dreiviertel Jahr und mehr dauert, kennt die Rechtsanwältin aus Freiburg aber auch schon jetzt. Das Problem sei nicht die Gesetzesreform, betont sie, sondern der eklatante Mangel an RichterInnen, StaatsanwältInnen, KriminalbeamtInnen und ausgebildeten TherapeutInnen. Wenn Ravat etwas an den Reformplänen aus dem Justizministerium zu kritisieren hat, dann dies: „Härtere Strafen allein bringen nichts, wenn nicht zugleich der Personalmangel behoben wird.“ Selbst wenn ein Verurteilter die klare Aufforderung verstanden hat, sich Hilfe zu holen, dann findet er diese mangels qualifizierter Therapiestellen kaum.

Auch Angelika Oetken, die Bens Fall geschildert hat, sagt: „Gesetze müssen sich in der Praxis bewähren, deshalb muss man die Kritik der Fachleute hören.“ Sie habe beim Opferstärkungsgesetz von 2016 schon einmal erlebt, dass gute gesetzgeberische Absichten an der Realität im Gerichtssaal scheitern können. „Was hilft der Anspruch, die Justiz opfergerecht zu gestalten, wenn da überlastete BehördenmitarbeiterInnen sitzen, die in ihrer Ausbildung nie mit den Spezifika von Kindesmissbrauch zu tun hatten und sich an überholte Klischees und Arbeitsmethoden klammern?“

Als Beispiel nennt Oetken, dass viele RichterInnen nach wie vor mit der umstrittenen „Nullhypothese“ arbeiteten. Die geht grundsätzlich davon aus, dass BelastungszeugInnen die Unwahrheit sagen – bis zum Beweis des Gegenteils, der mit den Mitteln der Aussagepsychologie aus den ZeugInnen herausgeholt wird. Die Anwendung der Nullhypothese ist Standard und Vorgabe des Bundesgerichtshofs bei Sexualdelikten. Aber es bedarf dann eben geschulter Richter, die die sicherlich notwendigen kritischen Fragen in angemessener Weise stellen können, um Retraumatisierungen bei den Betroffenen zu vermeiden. Oet­ken teilt deshalb die Forderung des Deutschen Juristinnenbunds nach verpflichtender Fortbildung für RichterInnen und StaatsanwältInnen.

Aber, und jetzt wird ihre Stimme am Telefon leise, das Problem gehe ja noch viel tiefer, Strafrecht sei nicht alles, es sei ja gewissermaßen nur das Ende der Kette. „Nehmen Sie den Fall aus Staufen.“ Die Mutter und ihr Lebensgefährte bekamen zwar am Ende hohe Haftstrafen, ebenso mehrere „Kunden“ des Paars. Aber dem Jungen wären zwei Jahre brutaler sexueller Ausbeutung erspart geblieben, wenn das Jugendamt, das den Lebensgefährten der Mutter als vorbestraften Pädophilen kannte, die Gefahr für das Kind ernst genommen hätte. Im Idealfall wäre der Lebensgefährte bereits während und nach seiner ersten Haft von einem erfahrenen Therapeuten wie Gerhard Senf betreut worden.

Der Therapeut aus Saarbrücken sagt: „Geld in Tätertherapie zu pumpen, bringt politisch keine Punkte. Aber wenn der Staat die Keule gegen Kinderschänder rausholt, dann sind alle zufrieden. Auch wenn am Ende kein einziger Übergriff dadurch verhindert wird.“

Die Balance zwischen politischer Signalwirkung und praktischem Kinderschutz ist auch für die Verantwortlichen im Bundestag schwer zu finden. Damit das neue Gesetz in Kraft treten kann, muss man sich nun im Rechtsausschuss einigen. Einfach wird das nicht.

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62 Kommentare

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  • Zunächst ein mal waren im Jahr 2019 die Anzahl der polizeilich erfassten Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden genau 15.701 [de.statista.com/st...indern-seit-1999/]



    und die Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen genau 574 [de.statista.com/st...hlenen-seit-1994/].

    Nun zur Realität. In den Jahren 1995 bis 2013 wurden 587.395 Kinder und Jugendliche ohne irgend etwas verbrochen zu haben, teils unter erheblicher Gewalt in Inobhutnahmeeinrichtungen verbracht und nicht selten für Jahrzehnte und ohne richterlichen Beschluss in Kinderheime weggesperrt. Nicht wenige erlebten dort Misshandlung, sexuellen und medikamentösen Missbrauch. Das sollte endlich aufhören.

    • @Schmidt:

      Die von Ihnen angegeben Zahlen bilden das Hellfeld, also die polizeilich erfassten Fälle ab. Das Dunkelfeld liegt wesentlich höher, weil nur ein kleiner Teil der Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen angezeigt wird. In Deutschland leben 1 Million minderjährige Opfer von Sexualstraftaten www.aerzteblatt.de...r-Gewalt-betroffen

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    www.bka.de/SharedD...ublicationFile&v=1

    Ich empfehle diese schon etwas ältere Studie für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen

    Es ist halt nicht nur ein Absatz.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Eine informative Stellungnahme, allerdings geht es darin um Sexualstraftaten gegen Frauen. Die jetzt beabsichtigte Änderung der Gesetzgebung betrifft Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen.

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Angelika Oetken:

        Sie haben die Studie nicht komplett gelesen.

  • Hier eine von Gegen Missbrauch e.V. veröffentlichte Übersicht über den Strafrahmen bei Sexualstraftaten die als Kinder- bzw. Jugendpornografie gewertet werden www.gegen-missbrau...afie/gesetzeslage/.

  • Zitat aus dem Artikel: "(...) Als kleines Mädchen wurde Angelika Oetken selbst von einem Freund der Eltern missbraucht. Bis ins Erwachsenenleben schwieg sie darüber. Gut so, wie sie heute findet. Damals, ist sie überzeugt, hätte eine Anzeige ihr Leben zerstört. „Man hätte mich in ein Kinderheim gesteckt – als beschädigtes, ‚nymphomanisches Mädchen‘ stigmatisiert wäre ich als Gefahr für andere angesehen worden. So war damals die Realität.“ (...)"



    ___

    Es ist nicht wahr, dass früher die Justiz bei sexuellem Missbrauch von Kindern immer auf Seiten der Täter gestanden hätte. Schon in den 1960er Jahren gab es in Deutschland die Möglichkeit, Sexualstraftäter, die wegen "wiederholter Unzucht mit Kindern" verurteilt worden waren, auf freiwilliger Basis zu kastrieren, kassisch-chirurgisch, später dann auch chemisch, mit triebhemmenden Medikamenten, sogenannten Antiandrogenen, wie u.a. ein Blick ins Archiv des "Spiegel" zeigt:

    www.spiegel.de/pol...2138?context=issue

    www.spiegel.de/pol...0-000046039631-amp

    www.spiegel.de/pol...6718?context=issue

    • @Rojas:

      In meiner Kindheit ging der Fall von Jürgen Bartsch durch die Presse. Auf diesen Mann projizierten viele Erwachsene ihre Hilflosigkeit angesichts der damals genauso wie heute stark verbreiteten Sexualstraftaten gegen Kinder. Einige aber auch ihre eigenen Impulse, sich an Kindern sexuell zu vergehen. Viele wünschten deshalb Tätern wie Bartsch die Todestrafe oder eben eine Kastration. Tatsächlich saßen die Täter mit an fast jeder etwas größeren Kaffeetafel. Aber das wollte man genauso wenig wahrhaben, wie die Tatsache, dass auch viele Frauen sich an Kindern vergingen.

      Bartsch ist als Kleinkind von einem sadistischen Ehepaar adoptiert worden, was den Jungen gequält hat, er geriet dann in ein katholisches Kinderheim, wo sich Gewalt und Missbrauch fortsetzten. Letztlich hat Jürgen Bartsch nur nachgeahmt, was Erwachsene ihm in seiner Kindheit vorgelebt hatten.

      Wenn damals Sexualstraftaten an Kindern öffentlich wurden, was selten genug geschah, ließ man das an den Schwächsten aus, nämlich den minderjährigen Opfern. Indem man sie stigmatisierte, psychiatrisierte und oft genug in Heime oder Internate abschob. Schon um "Gerede" zu vermeiden. Es wurde allgemein Stillschweigen bewahrt.

      Die ersten der an mir begangenen Sexualverbrechen, an die ich mich erinnere, liegen 53 Jahre zurück. Eine Zeit in der sich, was Einstellungen zu Sexualstraftaten, zu Opfern, zu TäterInnen angeht, enorm viel zum Besseren gewandelt hat.

      Trotzdem gibt es noch jede Menge zu tun, was sich aus Frau Apins Artikel und den Reaktionen darauf klar ergibt.

    • @Rojas:

      Es gab in der dt. Entwicklung verschiedene Phasen. Erst war das Thema tatsächlich ein Tabu und Kinder trauten sich nicht, so etwas zu erzählen, weil man über das Thema Sexualität sowieso nicht sprechen durfte und die Täter es natürlich erst Recht verboten. Hier hat die sexuelle Befreiung geholfen, allerdings auch negative Begleiterscheinungen gehabt wie die Theorie, es könne auch eine sexuelle Einvernehmlichkeit zwischen Kindern und Erwachsenen geben. Dennoch war es gut, dass offener über Sex gesprochen wurde, was die erste Opfer ermutigte, Missbrauch zu thematisieren. So entstanden Organisationen wie Zartbitter....



      Leider kam es aber bereits 1 x zu gewissen Exzessen, wo plötzlich überall Missbrauch gesehen wurde, kumuliert in den skandalösen Wormser Prozessen. Danach wurde es schwieriger, denn Missbrauchsvorwürfen wurde häufig der "Missbrauch des Missbrauchs" entgegengehalten, was die Opfer natürlich belastete. Nur gab es dieses Phänomen eben leider auch. So eine kurze Zusammenfassung der Entwicklung bis heute.

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Dr. McSchreck:

        Die Flachslandenprozesse.

      • @Dr. McSchreck:

        Zu den Wormser Prozessen: hier ging es tatsächlich um Organisierten Missbrauch und zwar um den der über ein evangelisches Kinderheim betrieben worden war. Verschiedene Faktoren, darunter die Unerfahrenheit der mit dem Prozess Befassten und das Hinzuziehen von Gutachtern, die die Nullhypothese propagieren, führten dazu, dass der Haupttäter, Leiter des Kinderheims, erst viel später in einem gesonderten Prozess verurteilt worden ist www.faz.net/aktuel...eilt-11528680.html.

        Heute würde man die als "Wormser Prozesse" bekannten Verfahren vermutlich ganz anders führen. Damals, als die Falschmeldungen um ein angebliches "False-Memory-Syndrom", "Induzierte Erinnungen" und "Missbrauch mit dem Missbrauch" mit großem PR-Aufwand verbreitet wurden, glaubten viele Menschen, darunter auch Fachleute, den ganzen leugnerischen Unsinn nur zu gern.

        • @Angelika Oetken:

          Heute würden solche Verfahren, wie die als Wormser Prozesse in die Geschichte eingegangen sind, schlicht und ergreifend nicht stattfinden, weil der BGH in Folge dieser, Mindestanforderungen an strafprozessuale Glaubhaftigkeitsgutachten aufgestellt hatte.

        • @Angelika Oetken:

          Falsch, in den "Wormser Prozessen" ging es um Schauprozesse gegen völlig unschuldige Eltern, deren Kinder später im Kinderheim mißbraucht wurden (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Wormser_Prozesse).

        • @Angelika Oetken:

          Danke für Ihren Link, der alledings das Gegenteil ausssagt von dem, was Sie schreiben. Die Kinder kamen nämlich danach sozusagen "vom Regen in die Traufe", wobei es oft nicht einmal Regen war. Denn ins "Spatzennest" kamen sie, nachdem sie aus den Elternhäusern genommen wurden, wo sie angeblich missbraucht worden waren - und wurden dann von diesem Heimleiter gegen ihre Eltern aufgewiegelt und tatsächlich missbraucht.

          So jedenfalls Ihr Link. Mir war dieses Folgegeschehen nur noch ganz grob bekannt, das die ganze Sache noch schlimmer macht.

          • @Dr. McSchreck:

            Man muss den Fall im Ganzen betrachten und mit ähnlichen vergleichen. Das fängt beim Umgang mit Beweisen und den Berichten der Kinder und weiterer ZeugInnen an und hört bei der kritischen Prüfung der Rolle, die Jugendamt und evangelisches Heim spielten auf.



            Empfehlung: www.bundeskoordini...sierte-gewalt.html

        • @Angelika Oetken:

          Definitiv saßen in Worms auch Unschuldige in Haft und Kindern wurde etwas eingeredet, Familien ohne Grund zerstört. Sicher hatte diese unprofessionelle Arbeitsweise auch zur Folge, dass man die Schuldigen von den Unschuldigen nicht mehr unterscheiden konnte - und daher fast alle freigesprochen wurden.

          • @Dr. McSchreck:

            Als Gutachter diente v.a. Prof. Max Steller. Weshalb man den ganzen Fall neu aufrollen müsste, um der Wahrheit näher zu kommen.

  • "Aber dem Jungen wären zwei Jahre brutaler sexueller Ausbeutung erspart geblieben, wenn das Jugendamt, das den Lebensgefährten der Mutter als vorbestraften Pädophilen kannte, die Gefahr für das Kind ernst genommen hätte."



    Es war nicht das Jugendamt, das die Gefahr nicht erkannt/ignoriert hatte, sondern Eva Voßkuhle, die zuständige Richterin. www.stuttgarter-ze...-b897cd1e89a1.html

    • @Angelika Oetken:

      Sie ist Senatsvorsitzende, sie hat also definitiv nicht allein entschieden. Ob das Urteil richtig war - wir wissen es nicht - hinterher natürlich schon. Ich halte es für problematisch, einzelne Richter an den Pranger zu stellen, wenn es substantielle Hinweise auf die Gefahr gab, hätte das Jungendamt sie ins das Verfahren einbringen müssen, wenn nicht, konnte man nicht anders entscheiden.

      Aber aus der Ferne ein Richterin verantwortlich zu machen - geht nicht.

      • @Dr. McSchreck:

        In dem von mir verlinkten Artikel wird solide ausgeführt, woran es in dem Verfahren mangelte. Und der Fall in Staufen bildet da leider keine Ausnahme.

        • @Angelika Oetken:

          In dem Artikel ist aber ein anderer Artikel verlinkt, der die Thematik ausgiebig schildert, nämlich ob eine Anhörung des Jungen dazu geführt hätte, dass die Taten früher aufgedeckt worden wären. Das steht hier und zwar sehr differenziert:

          www.stuttgarter-ze...-24d14f53a084.html

        • @Angelika Oetken:

          Nein, in dem Artikel wird sich ausgiebig mit der Karriere der Frau beschäftigt und sehr kurz 2 Fragen gestellt, im Zusammenhang mit Effizienz. Woran es mangelte, geht aus dem verlinkten Artikel gerade nicht hervor oder hat der noch eine zweite Seite?

  • "Fast alle Männer zwischen 14 und 80 Jahren guckten Pornos – und der Unterschied zwischen dem rasierten Geschlechtsteil einer 13-Jährigen und einer 18-Jährigen sei nicht offensichtlich."



    Auch Mädchen und Frauen konsumieren Pornografie. Das Dargestellte führt uns buchstäblich vor Augen, welche Rolle die sex. Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen, Gewalt, Demütigung und Obszönität in unserer immer noch traditionell geprägten sexuellen Kultur spielen. Wir können also sehen, wovon die Person, mit der wir ggf. den Geschlechtsverkehr ausführen, währenddessen mit großer Wahrscheinlichkeit phantasiert. So abstoßend, sogar kriminell viele pornografische Darstellungen sind: die Flut an solchem Material kann dazu beitragen, dass unsere Sicht auf Sexualität pragmatischer und realistischer wird. Nur das hilft, Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene vor sex. Übergriffen zu schützen.

  • Das mit dem Führungszeugnis ist so nicht ganz richtig.



    Ich weiß imText ist es eine Zitat, aber auch ein Zitat, dass etwas falsches bzw. missverständliches sagt müsste eingeordnet werden mMn:



    Frau Oetken sagt:

    "Mit leichter bis mittelschwerer Kinderpornografie können Täter zehn- bis zwölfmal vor Gericht landen, ohne dass sie auch nur einen Eintrag ins Führungszeugnis davontragen – oder persönlich vor Gericht erscheinen müssen"

    Das mit dem "nicht vor Gericht erscheinen" halte ich für unwahrscheinlich, aber zumindest theoretisch möglich.



    Das mit dem Führungzeugnis ist aber jedenfalls missverständlich:



    Auch schon ein einmaliger Besitz von Kinderpornografie oder ähnliche Straftaten tauchen im erweiterten Führungszeugnis auf, welches immer vorgelegt werden muss um Erzieher, Jugendbetreuer etc. werden zu können.

    • @FredFeuerstein:

      Hier eine ausführliche Auskunft zum Eintrag im Bundeszentralregister/Führungszeugnis www.juraforum.de/r...gnis-und-wie-lange.

      • @Angelika Oetken:

        Beide Links beziehen sich auf das selbe, enthalten aber KEIN Wort zum "erweiterten" Führungzeugnis, auf das der User Feuerstein richtig hinweist. Dort taucht auch schon die erste Verurteilung wegen Kinderpornografie auf.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Wer je den Versuch unternahm, einen Fall von Missbrauch anzuzeigen, der weiß, dass nicht die Höhe der Strafe das Problem ist.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Die Höhe und Art der verhängten Strafe entscheidet über weitere Auflagen und inwieweit, eine Sexualstraftat gegen Kinder/Jugendliche im polizeilichen Führungszeugnis auftritt.



      Manchen Opfern und Mitbetroffenen ist es wichtig, dass ihre TäterInnen angemessen bestraft werden. Denn viele müssen leider erleben, dass nicht nur die TäterInnen, sondern auch die MittäterInnen und weitere Beteiligte die sexuellen Übergriffe bagatellisieren.

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Angelika Oetken:

        Hallo Frau Oetken,



        vielen Dank für Ihre Antwort.

        Die Beeinflussung des Urteils in Strafprozessen durch die Wünsche der Opfer oder deren Angehörigen ist im islamischen Recht bekannt, aber nicht in unserem.

        • @05838 (Profil gelöscht):

          Es geht nicht um Beeinflussung des Urteilsspruches, sondern um die Entscheidung, solche Sexualstraftaten überhaupt anzuzeigen. Und die hängt bei manchen Opfern vom zu erwartenden Strafmaß ab.

          • @Angelika Oetken:

            Das kann man so pauschal auch nicht sagen, im Gegenteil habe ich mehrfach Opfer erlebt, die nicht aussagen wollten, weil ihr einziges Ziel der Anzeige war, "dass das aufhört". Die Bestrafung des Täters war ihnen oft sogar eher unangenehm, weshalb sie mit der Anzeige gezögert haben.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Wer sich mit dem Gedanken trägt, eine gegen Kinder/Jugendliche verübte Sexualstraftat anzuzeigen, sollte, abgesehen von Akutfällen, vorher Rücksprache mit einer spezialisierten Fachberatungsstelle halten. Das geht auch anonym. Adressen: beauftragter-missb...hilfe/hilfetelefon

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Hier steht nicht der Schutz von Kindern im Mittelpunkt, sondern der Wunsch die Täter*innen stärker zu bestrafen.

    Wie man aber aus anderen Bereichen z.B. Drogendelikten weiß, ist mehr Strafe kein probates Mittel um Verbrechen zu verhindern.

  • Wie gut daß Frau Lambrecht endlich die unsägliche Terminologie des "Mißbrauchs" abschaffen will. Liebe Frau Apin, warum benutzen Sie den Begriff weiterhin so häufig? (25 mal in diesem Artikel) - jedes Mal zucke ich zusammen, ebenso wie beim Begriff Pädophil - nein, diese Menschen sind keine Kinderliebenden und es ist Misshandlung oder Gewalt! Ich finde es sehr wichtig, dies in der Wortwahl zu berücksichtigen!

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @susonne:

      ich kann der Autorin hierin nur zustimmen. Der Begriff "sexualisierte Gewalt" ist so ein blöder verharmlosendes Wortungetüm, dass es verboten gehört in der Umgangssprache.



      Für Juristen mag er angehen, denn die sollten seine Emotionen vor dem Gerichtssaal lassen.



      Was kommt als nächstes? Exikutierende Gewalt für Mord?

    • Nina Apin , Autorin des Artikels, Redakteurin Meinung
      @susonne:

      Hallo!



      Ich erkläre Ihnen gern, warum ich weiterhin von sexuellem Kindesmissbrauch spreche, statt von sexualisierter Gewalt gegen Kinder:



      Zum Einen ist es (noch) der gängige Begriff, so wie er im Strafgesetzbuch verwendet wird, das Delikt heißt offiziell genau so und ist im öffentlichen Sprachgebrauch bekannt.



      Zweitens lässt sich Missbrauch verstehen im Sinne von Machtmissbrauch: Ein Erwachsener, der mit einem Kind sexuelle Handlungen unternimmt, missbraucht seine Überlegenheit, seine Macht.



      Und zum Dritten ist der Begriff "sexualisierte Gewalt", der zunehmend verwendet wird, auch unter Betroffenen durchaus umstritten: Denn wenn alles "Gewalt" ist, dann vernebelt dies die Bandbreite der Taten. Und dadurch, dass der sprachliche Fokus auf "Gewalt" liegt, kann sogar der Eindruck entstehen, dass es auch "einvernehmliche", weil gewaltlose sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen geben könnte. Unter anderem deshalb wird auch im Bundestag so heftig über die Wortwahl gestritten.

      • @Nina Apin:

        Danke.

      • @Nina Apin:

        Bei "Sexualisierte Gewalt" handelt es sich um einen sozialwissenschaftlich definierten Begriff, der von "Sexuelle Gewalt" und "Sexuelle Ausbeutung" abgegrenzt wird. Prof. Rolf Pohl hat das z.B. in seinen Arbeiten ausführlich begründet. Gleichzeitig wird "Sexualisierte Gewalt" von feministisch orientierten Kreisen als Synonym für alle Formen von sexuellen Übergriffen benutzt und dabei von einem sehr weit gefassten Gewaltbegriff ausgegangen.



        Unter juristischem Blickwinkel führt man den Gewaltbegriff eng. Der Straftatbestand "Sexueller Missbrauch" meint alle Formen von Sexualstrafttaten an Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren subjektiv und objektiv empfundener Schwere.

      • @Nina Apin:

        danke, sehr schön erklärt....

    • @susonne:

      Juristensprache ist eine eigene Sprache, die nicht immer mit der Umgangssprache übereinstimmt, bekanntes Beispiel "Besitz" oder "grundsätzlich", die im allg. Sprachgebrauch oft anders verwendet werden.



      Missbrauch ist insoweit ein Fachbegriff, wie auch "Gewalt" es ist. Ich begrüße, dass der Artikel Fachsprache verwendet, das Delikt heißt nun mal so. Gewalt ist etwas anderes (juristisch gesehen), bzw. es gibt Missbrauch mit Gewalt und ohne Gewalt.

  • „Was schützt die Kinder?“

    Liebevolle und aufmerksame Eltern, umfassende Aufklärung und ganz allgemein ein offener und unverkrampfter Umgang mit Sexualität in der Gesellschaft.

    • @Rainer B.:

      Wir Erwachsenen sind für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sexualstraftaten verantwortlich. Das gelingt, wenn wir einander mit gesunder Skepsis begegnen, wo wir oft genug noch sehr fahrlässig sind.



      Wo es um Sex geht, erst recht, wenn es sich um strafbare, weil verbotene Bereiche handelt, wird die Ambivalenz des Sexuellen besonders deutlich. Heranwachsende lernen für gewöhnlich im Verlauf ihrer Pubertät und weiteren Entwicklung, damit umzugehen. Aber es leben allein 1 Million Minderjährige in Deutschland, die bereits Opfer von Sexualstraftaten geworden sind oder fortdauernd sexuell missbraucht werden. Meist von ganz gewöhnlichen Erwachsenen oder älteren Peers, welche meinen, andere Menschen zur eigenen sexuellen Befriedigung benutzen zu müssen.

    • @Rainer B.:

      Mit zu „liebevollen“ Eltern fängt das Problem leider oftmals an ...

      • @TazTiz:

        "Liebevoll" ist es ganz gewiss nicht, was Missbrauchende tun.

      • @TazTiz:

        Genau. Grundsätzlich nutzen TäterInnen bei Minderjährigen ähnliche Strategien wie die, welche üblich sind, wenn jemand eine erwachsene Person dazu bringen will, bei Sexualvorgängen zu kooperieren oder sogar vorhat, sexuelle Gewalt auszuüben.



        Oft genug ist es auch für erwachsene Personen schwer, im Kontakt mit anderen Menschen deren etwaigen sexuellen Absichten rechtzeitig genug zu erkennen. Für Kinder, die noch nicht mal in der Pubertät angekommen sind, ist es nahezu unmöglich. Deshalb sind es ausschließlich wir Erwachsenen, die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sexualstraftaten zu sorgen haben. Wir können und dürfen diese Verantwortung nicht auf die potentiellen Opfer abwälzen.

    • @Rainer B.:

      so ist es - am allerwichtigsten dabei: Kinder sollen ein Gefühl dafür entwickeln, was sie wollen und was ihnen unangenehm ist - und wissen, dass sie beim Unangenehmen nein sagen können und manchmal "muss es trotzdem sein" (etwa beim Zahnarzt), aber dann sollen die Eltern das "warum" zumindest erklären - so dass es kein "Geheimnis" bleibt, das doppelt belastet: dass sie es nicht wollten und dass sie es nicht erzählen dürfen.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    "2015 dehnte der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) die Strafbarkeit auf FKK-Bilder von Kindern aus"

    Das war Folge des Falls Edathy, dem man keine strafbare Handlung nachweisen konnte. Fotos von nackten Jungs am Baggersee waren nicht verboten, solange kein pornografischer Charakter erkennbar war.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Korrekt ist, dass sich Richter und Staatsanwalt mit Herrn Edathys Anwalt einigten und das Verfahren eingestellt wurde. Ansonsten wäre den beiden Schöffinnen das eindeutig strafbare kinderpornografische Material vorgelegt worden und Sebastian Edathy ganz sicher nicht so billig davon gekommen www.spiegel.de/pol...ein-a-1021263.html

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Angelika Oetken:

        Wenn es solche Beweise gegeben hätte, dann wäre Herr Edathy bestraft worden. Das BKA und die Behörden insgesamt hatte ein großes Interesse daran, den ehemaligen Vorsitzenden des NSU Untersuchungsausschuss dran zu kriegen, da er das BKA dabei regelrecht vorführte. Außerdem wollte man eine öffentliche Verbindung zwischen Homosexualität und Kinderpornos vermeiden.

        • @05838 (Profil gelöscht):

          Verschiedene Umstände führten dazu, dass Sebastian Edathy sehr milde davon kam.

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Angelika Oetken:

        Er hat zugegeben, Bilder und Videos von nackten Jungen herunter geladen zu haben, aber nicht, dass es sich um Porno handelte.

        • @05838 (Profil gelöscht):

          Soweit ich weiß, gab es eindeutig strafbares Material, über das aber nicht verhandelt wurde, weil ja eben dieser "Deal" geschlossen worden ist. Die Missbrauchsabbildungen sollen ein bei KonsumentInnen sehr beliebtes Szenario dargestellt haben, nämlich Jungen im Grundschulalter, die Sexualhandlungen aneinander vollzogen. Was harmlos und einvernehmlich wirken soll, ist das Ergebnis von sexuellen Zurichtungen, die meist sehr früh in der Kindheit der Kinder beginnen.



          In Deutschland leben allein 9 Millionen erwachsen gewordene Opfer und nochmal 1 Million minderjährige. Die hohen Zahlen zeigen, wie alltäglich und verbreitet die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen ist und welch große Rolle entsprechende Impulse in unserer traditionellen sexuellen Kultur spielen.

          • 0G
            05838 (Profil gelöscht)
            @Angelika Oetken:

            Liebe Frau Oetken,



            Sie bringen im Fall Edathy einiges durcheinander. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was wir für moralisch verwerflich halten und dem, was strafbar ist.



            Wie viele Opfer es in Deutschland gibt, das kann keiner wissen, weil die meisten Taten nicht angezeigt oder nicht strafverfolgt werden.



            Das Problem liegt, wie ich schon schrieb, nicht am (theoretischen) Strafmaß.

  • RS
    Ria Sauter

    Im Rheinland/Pfalz ticken die Uhren anders, bez. des Besitzes von Kinderpornographie.



    Aus meinem Bekanntenkreis gibt es ein sehr häßliches Beispiel dafür.



    Der Mann, sehr bekannter Musiker und Quereinsteiger im Lehrerberuf, hatte auf seinem Computer unzählige Kinderpornos heruntergeladen.



    Eines Tages stand die Polizei vor der Tür. Die Ehefrau war alleine mit den beiden kleinen Kindern daheim.Sie haben ihr den Durchsuchungsbeschluss vorgezeigt und sind ins Haus gestürmt. Die Kinder waren völlig verstört angesichts dieser Aktion. Die Ehefrau mußte ihren Mann anrufen und sofort nach Hause rufen, ohne den Grund zu nennen.



    Als er kam wurde die Anschuldigung genannt und nach dem Computer gefragt. Die Ehefrau sagte daraufhin, dass auch noch einer auf dem Dachboden stehe, was der Mann verheimlichen wollte.



    Die Computer wurden eingesammelt und die Frau und die Kinder mit diesem Mann alleine gelassen. Unfassbar!



    Aufgrund der völlig verstörten Tochter, die zu einer Nachbarin ging, haben diese dafür gesorgt, dass der Mann das Haus verlassen mußte.



    Der Täter bekam eine Bewährungsstrafe, hat eine Therapie gemacht, zu der auch die Ehefrau eingeladen wurde. Dort erfuhr sie dann, dass sie Schuld habe am Verhalten ihres Mannes. Er habe mehr Sex gewollt als sie.



    Der Ehemann, ein wirklich sehr bekannter Musiker, durfte auf der Weihnachtsfeier der Polizeibehörde spielen, die ihn angeklagt hatte.



    Die Ehefrau hatte sich sofort nach dem besagten Tag von ihrem Mann getrennt.



    Eine Polizistin meinte dazu, das sei doch zu hart für einen solchen Ausnahmekünstler, der noch so gut aussehe.Der Musiker ist mittlerweile wieder im Fernsehen zu sehen.



    Frau und Kinder leiden noch immer sehr unter dem Geschehen.



    Bewährungsstrafe ? UNFASSBAR!



    Die Kinder, die auf diesen Bildern zu sehen sind, werden so nochmals alleine gelassen.

    • @Ria Sauter:

      Und ganz aktuell, bezüglich der versuchten Vertuschungspolitik des Kölner Kardinals Woelki, es drängt sich doch irgendwie ein bisschen der Eindruck auf, dass bei Geistlichen der katholischen Kirche, die Kinder missbraucht haben, eventuell mit einem anderen Maß gemessen wird als bei anderen, "gewöhnlichen Tätern aus dem Volk".

  • Ich finde den Artikel gut, gehöre aber auch zu den Kritikern. Wenn der Besitz eines Bildes nackter Kinder vom Strafrahmen dem gewaltsamen Übergriff auf eine erwachsene Person entspricht, wird jeder Maßstab gesprengt. Dazu kommt, dass ich leider beruflich gelegentlich mit dem Thema zu tun habe. Was da auf Whats-App-Gruppen kursiert, auch an Schulen, ist unglaublich. Wir können sofort neue Gefängnisse bauen, wenn das Gesetz so beschlossen wird und die Zahl der Richter verdoppeln.

    PS: inhaltlich ist anzumerken, dass ein Strafbefehl nie eine kurze Freiheitsstrafe ohne Bewährung aussprechen kann, höchstens mit Bewährung.