Nathanael Liminski in NRW: Die rechte Hand Laschets
Nathanael Liminski ist Chef der NRW-Staatskanzlei, Armin Laschets engster Vertrauter und sehr konservativ. Manche sehen ihn im Kanzleramt.
L ady Bitch Ray gibt alles. In einem goldglänzenden Top sitzt die Rapperin und Feministin 2007 in Sandra Maischbergers Talkshow. Sie spielt mit den Kordeln, die auf Höhe ihrer Brustwarzen an dem Oberteil befestigt sind, legt ihrem Gegenüber die Hand auf den Oberschenkel und beugt sich zu ihm. „Ich hab deinen Arsch schon abgecheckt“, versucht sie ihn zu provozieren. Man könne sich doch mal zu zweit treffen, „ich zeig dir mal was“. Dem jungen Mann ist die Irritation über das Angebot nur den Bruchteil einer Sekunde lang anzumerken.
Nathanael Liminski, als Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei heute der engste Mitarbeiter des CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet, ist damals 22 Jahre jung. Braune Augen, hellblaues Hemd und Cordhose, ist er zu Maischberger eingeladen, um in der Sendung „Keuschheit statt Porno – brauchen wir eine neue Sexualmoral?“ die Enthaltsamkeit zu verteidigen. Gerade hat er die Initiative „Generation Benedikt“ ins Leben gerufen, benannt nach dem damaligen Papst. Doch Liminski, dessen Positionen neben den Studiogästen Oswalt Kolle und „Frau Bitch Ray“, wie er die Rapperin anspricht, aus der Zeit gefallen scheinen, schlägt sich gut.
„Ich kann kaum an mich halten“, kontert Liminski, „ich scharre schon mit den Hufen.“ Wie um dem Ton das Herablassende zu nehmen, die Schärfe, lächelt er Lady Bitch Ray freundlich an. Dann geht er unbeirrt dazu über, seine Thesen zu erläutern. „Kein Sex vor der Ehe“ diene der „vollen Entfaltung von Sexualität“. Die Botschaft von Zärtlichkeit sei: „Du, nur du, und du für immer.“ Und: Homosexualität halte er nicht „für eine vollendete Form von Sexualität“ – schließlich fehle die „Dimension der Fortpflanzung“.
Trotz der Homophobie: Es ist beeindruckend, wie ruhig, wie in sich ruhend Liminski schon damals auftritt. Er nimmt sich Zeit und Raum, testet die Grenzen der Arroganz, die er durch Mimik und Gestik selbst relativiert. Und wer hat schon den Mut, sich mit Anfang 20 vor ein Millionenpublikum zu setzen und die eigene sexuelle Unerfahrenheit zum Vorbild zu erklären?
„Mastermind“, „Schattenmann“, „Schaltzentrale“
Heute ist der Katholik Nathanael Liminski 35 Jahre alt, mächtig – und auf dem Weg zu noch größerer Macht. Nach einer steilen Karriere in den Maschinenräumen der Politik ist er heute Staatssekretär, er gilt als Architekt der Siege Armin Laschets bei der Landtagswahl 2017 und bei der Wahl zum Bundesvorsitzenden der CDU im Januar. „Mastermind“, „Schattenmann“, „Schaltzentrale“ – das sind die Titel, die ihm raunend zugeschrieben werden. Nun soll Liminiski seinem Chef den Weg zur Kanzlerschaft ebnen. Der Lohn dafür, damit rechnen am Rhein viele, könnte für ihn das Amt des Kanzleramtsministers sein.
Wie vertraut die beiden sind, lässt sich bei nahezu jeder Landtagssitzung beobachten. Liminskis Platz auf der Regierungsbank ist in der zweiten Reihe, direkt hinter Laschet. Immer wieder beugt sich der Regierungsmanager zu seinem Ministerpräsidenten vor, bespricht Details. Oft dreht sich aber auch Laschet zu ihm um.
Wer da wen prägt, fragen sich in Düsseldorf viele. Fest steht: Nach sechs Jahren Zusammenarbeit mit Liminiski will Laschet, der als Bundestagsabgeordneter im Bonn der 1990er Jahre als „junger Wilder“ und als Mitbereiter der schwarz-grünen „Pizza-Connection“ galt, von der Oppositionspartei offiziell nicht mehr viel wissen. Hatte er im Kampf um den CDU-Bundesvorsitz noch mit seinem liberalen Image gepunktet, erklärt er jetzt die Grünen zum Hauptgegner: „Es gibt kein schwarz-grünes Projekt, keine gemeinsame Idee, für die man antritt“, sagt Laschet. „Dafür sind die Gegensätze doch zu groß.“ Stattdessen beschwört er die Vorteile einer Koalition mit der FDP – und sei es nur aus Wahlkampftaktik.
Liminski ging lange auf Distanz zum liberalen Modernisierungsflügel der Union rund um Kanzlerin Angela Merkel, in dem auch Laschet verortet wurde. Und anders als in den vergangenen Jahren, in denen Liminski die Presse mied, suchte er früher die Öffentlichkeit. Dafür steht etwa die „Generation Benedikt“, die Liminski kurz nach seinem Abitur in Bonn mit gründete und als deren Sprecher er bei Maischberger saß.
Heute heißt die Gruppe „Initiative Pontifex“. Ihr Ziel: Deutschland zu „re-katholisieren“. Die Ehe für alle sei ein „Verlustspiel“, heißt es auf der Website, Schwangerschaftsabbrüche „ein Unrecht“, das es zu bekämpfen gelte. Und Informationen über Abbrüche auf Webseiten von Ärzt:innen, die nach Paragraf 219a hierzulande verboten sind, gelten der Initiative als „Werbung für die vorgeburtliche Tötung von Kindern“.
Schon im Studium sucht Liminski Kontakt zur „Lebensschutz“-Szene, den aggressiven Gegner:innen von körperlicher Selbstbestimmung. 2005 macht er ein Praktikum bei der Unions-Bundestagsabgeordneten Christa Reichard, die Bustouren zum „Marsch für das Leben“ organisiert. Zu dem reisen christliche Fundamentalist:innen ebenso wie konservative Unionsabgeordnete, heute auch AfDler:innen, um gegen Schwangerschaftsabbrüche auf die Straße zu gehen.
In den USA macht er ein Praktikum beim republikanischen Kongressabgeordneten Mark Souder, einem Evangelikalen, der seinerseits die Lebensschutzbewegung unterstützt. 2009 veröffentlicht der Student der Geschichte, Politischen Wissenschaft und des Öffentlichen Rechts mehr als ein Dutzend Texte auf der Website freiewelt.net. Die ist heute Teil des Netzwerks „Zivile Koalition“ der stellvertretenden AfD-Bundeschefin Beatrix von Storch und deren Ehemann Sven.
Liminski polemisiert in seinen Texten gegen die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die „als Erfüllungsgehilfe ihrer ideologischen Strategen im Familienministerium“ dem traditionellen Modell „Vater, Mutter, Kind, verheiratet“ den Kampf angesagt habe. Kanzlerin Merkel hege „ein tiefes Misstrauen gegenüber den Familien und damit gegenüber den Bürgern“. Eltern hätten keine Lobby, empört er sich – all das sind oft bediente Codes derjenigen, die gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, „Genderismus“ und Sexualaufklärung mobilisieren. Im Übrigen hätten Kondome im Kampf gegen HIV versagt, die „Promotion ehelicher Treue in den jeweiligen Gebieten“ dagegen wirkungsvoll die Infektionsraten gesenkt.
Wie kommt es, dass ein 24-Jähriger so fundamentalistisch argumentiert? Wie stark ist Liminski heute noch in seinen damaligen Überzeugungen verwurzelt? Und was würde all das für eine Kanzlerschaft Laschets bedeuten?
Dies ist ein Text aus der taz am Wochenende. Jeden Samstag am Kiosk, im eKiosk, im Wochenendabo und bei Facebook und Twitter.
Liminski wächst als achtes von zehn Kindern bei Bonn auf, seine Mutter ist Lehrerin, später Hausfrau, sein Vater der Journalist Jürgen Liminski, einst Redakteur bei Springers Welt und dem Deutschlandfunk. Dort gilt er als Rechter – nicht nur wegen seiner Mitgliedschaft in der ultrakonservativen katholischen Laienvereinigung Opus Dei, deren Gründer Bewunderer des faschistischen spanischen Diktators Franco war.
Zur Neuen Rechten pflegt er im Lauf der Zeit wohl enger werdende Verbindungen: 2008 hält Jürgen Liminski eine Laudatio auf Ellen Kositza, die mit ihrem Mann Götz Kubitschek das „Institut für Staatspolitik“ betreibt, die Denkfabrik der Neuen Rechten. Regelmäßig schreibt Liminski senior für die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit, 2019 trat er beim „Familienpolitischen Symposium“ der Brandenburger Landtagsfraktion der AfD auf.
Ihre Familie, ihre zehn heute erwachsenen Kinder, inszenieren Martine und Jürgen Liminski als Vorzeigeprojekt eines konservativen Christentums. Nachzulesen ist das in ihrem 2002 erschienenen Buch „Abenteuer Familie“. Darin beschreibt das Ehepaar ihre Familie als ein von Glauben durchdrungenes mittelständisches Unternehmen. Im „Familienrat“ würden Debatten erprobt, voreinander herrsche Respekt. Doch die Eltern folgen einem streng konservativen Wertesystem: Der Vater bezeichnet sich als „Ordnungsmacht“, „die Würde der Frau wurzelt in ihrem Mutter-Sein“. Den „radikalen Feminismus“ lehnen die Eltern ab, Homosexualität habe einen „Krankheitscharakter“.
Seinen Sohn Nathanael, benannt nach einem der ersten Jünger Jesu im Neuen Testament, beschreibt Jürgen Liminski stolz als „Ausnahmeschüler“ – sein Abitur wird Nathanael mit der Durchschnittsnote 1,1 bestehen. Einen besonderen Job hat er schon als Teenager: „Er verdient die Prämie seiner Lebensversicherung als Sekretär des Vaters“. Er kümmert sich um die Abrechnung von dessen Texten und Radiobeiträgen, taucht in die politische Gedankenwelt Jürgen Liminskis ein und übt im geschützten Raum, zu organisieren, zu managen, wohl auch, zu überzeugen.
2009 erst, gegen Ende des Studiums, verlässt Nathanael Liminski Bonn endgültig, um die Politik zum Beruf zu machen. Wo er zuvor wie der Vater die Öffentlichkeit sucht, um zu missionieren, hält er sich seitdem bedeckt. Karrierefördernd im konservativen Mainstream, so viel ist klar, sind ultraorthodoxe Positionen nicht – schon gar nicht, wenn sie auf neurechten Kanälen ihren Weg in die Welt finden. Als Assistent für den CSU-Abgeordneten Martin Kastler arbeitet Liminski etwa im Brüsseler EU-Parlament – einer Institution, die er auf freiewelt.net noch als „Biotop“ schmähte, in dem „viele Menschen arbeiten, die ihr persönliches Fortkommen über alles Andere gestellt haben“.
Doch je prominenter die Stationen, desto bedeckter hält sich Liminski, was die eigenen Positionen betrifft. 2010 wechselt er als Redenschreiber in die Hessische Staatskanzlei Roland Kochs, 2011 ins Verteidigungsministerium von Karl-Theodor zu Guttenberg. Dessen Rücktritt wegen seiner Doktorarbeit wird zu einem Sprungbrett für Liminski: Unter Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière steigt er vom Planungs- in den Leitungsstab, in die unmittelbare Nähe des Ministers auf – und wechselt mit de Maizière 2014 ins Bundesinnenministerium.
In Düsseldorf ist da längst Armin Laschet auf den jungen Konservativen aufmerksam geworden. Doch 2014 kann sich Laschet seines weiteren Aufstiegs noch keinesfalls sicher sein. Zwar ist Laschet CDU-Landeschef und Vorsitzender der Landtagsfraktion. Doch in Nordrhein-Westfalen regiert SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Trotz seiner Ämter ist Laschet innerparteilich schwach. Besonders im konservativen Flügel gilt er als Notbesetzung, wird als „Lusche Laschet“ verspottet. Weil er zuvor außerdem erster Integrationsminister des Landes war, nennen ihn die, die gegen „Multikulti“ sind, gern „Türken-Armin“.
Der damals vielen zu liberale, zu grüne Laschet wirbt um Liminski. Die Personalie ist ein Signal an die Konservativen und die christlichen Fundamentalist:innen seiner Partei. Als Ministerpräsident wird Laschet diese Form der Personalpolitik zu seinem Markenzeichen machen, in seiner Regierung ist für alle parteiinternen Strömungen Platz. Erst nach zähen Gesprächen kann Laschet Liminski 2014 nach Düsseldorf locken. Vom Amt des Regierungschefs noch mehr als drei Jahre entfernt, macht Laschet den 24 Jahre Jüngeren zu seinem Fraktionsgeschäftsführer.
Und der liefert. Der Aktenfresser Liminski, von schneller Auffassungsgabe und blitzgescheit, habe den oft unstrukturiert, chaotisch wirkenden Laschet organisiert und ihm eine Kampagne gezimmert, heißt es noch heute bewundernd aus Parlamentskreisen: Die Kampagne prangert die Unsichtbarkeit der Polizei bei den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015 ebenso an wie die Dauerstaus auf den Autobahnen. Auch die Integration von Kindern mit Handicap in Regelschulen, die die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann vorantreibt, wird zum angstbesetzten Thema. Entgegen allen Erwartungen wird Laschet von Liminskis Kampagne in die Staatskanzlei getragen.
Heute sitzt Liminski, verheiratet und mittlerweile selbst Vater von vier Kindern, regelmäßig bis spät in den Abend an seinem Schreibtisch in der Staatskanzlei. Doch nach außen dringt nichts. Seit 2009 vermeidet er jede eigene inhaltliche Festlegung. Auch in der nordrhein-westfälischen Öffentlichkeit ist Liminski kaum bekannt. „Er arbeitet geräuschlos“, sagt die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel fast bewundernd, selbst Teil des rechten Flügels der CDU-Fraktion und lebensschutznah.
Als „seriös, ordentlich und anständig“ beschreibt Pantel Liminski, kommunikativ und ergebnisorientiert: „Er stellt die Weichen und hat seinen Laden im Griff.“ Dass Laschets schwarz-gelbe Regierung mit der FDP trotz knappster Mehrheit von nur einer Stimme weitgehend reibungslos arbeite, sei auch und vor allem sein Verdienst.
Papsttreue als Jugendsünde?
Zwar ist Liminski selbst immer in der Nähe des Ministerpräsidenten – doch in den Medien präsent sein soll Laschet. Zitieren lässt sich Liminski kaum, und wenn, dann mit Ergebenheitsadressen. „Die Gegensätze“, die zwischen ihm, dem tiefgläubigen Konservativen, und dem lange als Wegbereiter von Schwarz-Grün geltenden Laschet aufgebaut würden, „erleben wir beide, glaube ich, im Alltag nicht so“, versicherte er bei einem seltenen Interview dem Deutschlandfunk. „Er ist der Chef. Er entscheidet.“ Aus einem Telefonat mit der taz, für das sich Liminski zwei Stunden Zeit nimmt, darf kein einziges Wort zitiert werden – nur unter dieser Bedingung stimmt Liminski dem Gespräch zu.
Selbst bei Gremiensitzungen der CDU schweigt Laschets engster Mann auffallend oft. Dabei war Liminski lange Chefredakteur der Entscheidung, des Magazins der Jungen Union. In der Partei ist er deshalb bestens verdrahtet. „Er hört mit maximaler Aufmerksamkeit zu, registriert alles, sagt aber kaum etwas“, so ein Parteifreund.
Doch Christdemokraten, die Laschet nahe stehen, wissen um die Gefahr, dass Liminskis einst zur Schau gestellte Fundamentalpositionen auch Stimmen bei liberalen, großstädtischen Wählerinnen und Wählern kosten können. Die Papsttreue, die Nähe zur Lebensschutzszene seien Jugendsünden, wird im Hintergrund beschwichtigt.
Und latent homophob könne der Staatskanzleichef gar nicht sein – schließlich verstehe er sich bestens mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Zitieren lassen wollen sich allerdings die wenigsten. Liminski, der „riesigen Einfluss“ auf Laschet habe, gilt als Machtmensch, dessen Missfallen CDU-Landtagsabgeordneten „Schweißperlen auf die Stirn“ treiben könne.
Einer jedoch, der offen redet, bewegt sich jenseits des Systems gegenseitiger Abhängigkeiten in NRW: CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Bei der Jungen Union lernten sich die Gleichaltrigen kennen, die heute auch persönlich eng befreundet sind. Und wohl aus beiden Gründen will Ziemiak Liminski den Rücken stärken.
Ziemiak, ebenfalls schnelle Karriere, ebenfalls religiös und einst Mitglied katholischer Studentenverbindungen, ist Pate einer Tochter Liminskis. Er gerät ins Schwärmen, wenn er von Liminski spricht: Unglaublich humorvoll, immer fair, absolut loyal sei der. Gläubig und mit „klaren Werten und Überzeugungen“ – ein Ideologe aber keineswegs.
Den Rückzug aus der Öffentlichkeit beschreibt Ziemiak nicht als taktisch motiviert, sondern als Ausdruck von Professionalität: Es sei Liminskis Aufgabe, die Staatskanzlei im Sinne des Ministerpräsidenten zu führen. „Nathanael Liminski weist auf vieles hin, sieht Probleme, behebt sie“, sagt Ziemiak. Er sei grundsätzlich in der Lage, „viele politische Ämter“ auszuüben. Im Klartext heißt das: Natürlich hält Paul Ziemiak seinen Freund für geeignet, jedes Ministerium zu leiten. Genau wie das Kanzleramt. Und da braucht ihn Armin Laschet.
Für den rechten Flügel der CDU ist Liminski ein Mann der Zukunft: smart, umgänglich, kompromissfähig, aber doch zweifelsfrei im Lebensschutz und dem christlich-konservativen Wertefundament verwurzelt. Wichtig ist allerdings, ihn auch der breiten Öffentlichkeit schmackhaft zu machen – und die allzu radikalen Aussagen glatt zu bügeln, die Liminski in jüngeren Jahren so unverblümt propagierte.
Dass Liminski längst die Berliner Machtzentrale im Blick hat, bezweifelt in Düsseldorf niemand. Als CDU-Chef habe Armin Laschet nun mal den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur, finden seine Parteifreunde. Markus Söder werde einsehen, dass er als bayerischer Christsozialer bundesweit schlechter vermittelbar sei als der Rheinländer. Und auf Liminski könne Laschet nicht verzichten: Nirgendwo könne der ihm besser dienen als im Kanzleramt.
Familie spielt zentrale Rolle
Verhindern könnte das nur noch ein Image als „katholisches Monster“, das wohl kaum jemand so fürchtet wie Liminski selbst. Möglich, dass dieses Bild aus heutiger Perspektive tatsächlich überzeichnet ist. Doch offensiv emanzipiert vom Wertefundament der Eltern hat sich Liminski nicht: „Familie spielt die zentrale Rolle“, sagt sein Freund Ziemiak. „Das ist der Mittelpunkt seines Handelns, Denkens und Fühlens.“
Zu seinen Eltern habe er nach wie vor ein enges Verhältnis. Ganz besonders aber gelte das für seine Frau Hanna, eine Wirtschaftspsychologin, und die vier Kinder. Natürlich, sagt Ziemiak, könne Liminski seine Lebenswelt von der Politik trennen. „Aber ihn treibt die Frage um, was möglich ist, um bessere Bedingungen für Familien zu schaffen.“ Und das wiederum kann auch als Signal in die Szene derjenigen verstanden werden, die für „Elternrechte“ und den sogenannten Lebensschutz kämpfen.
Was all das für Schwarz-Grün im Bund bedeutet? Auf den Paragrafen 219a, dessen Abschaffung die Union verhinderte, will der Generalsekretär nicht weiter eingehen – schon gar nicht in Verbindung mit Liminski. Die Grünen ihrerseits halten die damalige Reform des Paragrafen für gescheitert. Fiele eine neuerliche Reform oder Abschaffung bei einer möglichen Koalition mit der Union unter den Tisch, wäre ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der frauenpolitischen Szene massiv geschwächt.
Armin Laschet selbst war als Landespolitiker bisher vorsichtig genug, das sensible Thema Schwangerschaftsabbruch nicht anzusprechen. Bei Koalitionsverhandlungen wird er es als CDU-Bundeschef nicht vermeiden können. Wie Liminski ist auch Laschet tief im Katholizismus verwurzelt. Schon bei der Frage, ob Gottesdienste wegen der Pandemie verboten werden dürften, vermied Laschet jeden direkten staatlichen Eingriff und setzte auf das Einsehen der Religionsgemeinschaften.
Für schwarz-grüne Bruchstellen im Bereich der Gesellschaftspolitik, also etwa auch bei der Gleichstellung von homosexuellen Paaren, bedeutet das: Einfach würden die Verhandlungen ohnehin nicht. Wie konservativ die Union aber wirklich ist, dürfte sich dann zeigen, wenn der Schreibtisch Nathanael Liminskis tatsächlich im Kanzleramt stehen sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
Anklage gegen Daniela Klette erhoben
„Politisch motivierter Verfolgungseifer“